„Benedikt XVI. setzt sein theologisches Nachdenken fort“

Vor genau fünf Jahren kündigte Benedikt XVI. seinen Rückzug aus dem Petrusamt an, seitdem bereitet er sich in einem Haus in den Vatikanischen Gärten auf den Tod vor. Doch schreibt der fast 91-Jährige auch noch theologische Werke?

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

Kardinal Marc Ouellet hat diesen Eindruck. Der Kanadier leitet die vatikanische Bischofskongregation. Und er sagt im Gespräch mit Vatikan News über den emeritierten Papst:

„Ich glaube, dass er seine (theologische) Reflexion fortgesetzt hat. Er hat ja seine letzten Erinnerungen mithilfe eines Journalisten, den er kennt, veröffentlicht; sie sind von einer großen Einfachheit, Authentizität, auch Weisheit. Es war sehr bewegend, sie zu lesen. Ich glaube, dass er auch sein Nachdenken über andere Themen fortgesetzt hat; wir werden vielleicht nach seinem Tod noch einige Überraschungen in dieser Hinsicht erleben – man weiß ja nie. Denn das ist ein lebenslänglicher Theologe… er hat weiter nachgedacht. Ich glaube, es könnte da einige posthume Überraschungen aus der Feder Benedikts XVI. geben, zur Erbauung der Kirche.“

Ouellet gehörte zu den Kardinälen, die vor genau fünf Jahren, am 11. Februar 2013, überrascht zuhörten, als der deutsche Papst auf einmal seinen Abschied vom Petrusdienst ankündigte.

„Ich hatte an diesem Morgen den Eindruck, dass irgendetwas passieren würde – obwohl der Papst sehr, sehr diskret gewesen war. Als er am Ende des Konsistoriums auf Latein noch einmal das Wort ergriffen hat, um seinen Rücktritt anzukündigen, kehrte ein absolutes Schweigen ein. Wirklich absolut. Es hat vielleicht fünfzehn oder zwanzig Sekunden gedauert. Dann hat der Doyen des Kardinalskollegiums (Kardinal Angelo Sodano) das Wort ergriffen, um die Überraschung der Anwesenden auszudrücken; aber ich sah, dass er schon etwas Geschriebenes vorbereitet hatte… Und danach sind wir alle aufgewühlt zurückgeblieben, standen in kleinen Gruppen zusammen, um das zu besprechen – das wird uns allen auf besondere Weise ins Gedächtnis eingegraben bleiben.“

„Delikat, klardenkend, sensibel, voll Glauben und Menschlichkeit“: So wirkt der emeritierte Papst noch heute auf den kanadischen Kardinal. Über Benedikts Rückzug spricht Ouellet voller Respekt.

“ Ich glaube nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht ”

„Das Zeugnis dieses Mannes ist ein großes Ereignis für die Kirche. Man spricht ja heute von der Reform des Papsttums; nun, die größte Geste dieser Reform war diese Entscheidung zum Rücktritt. Sie hat alle Menschen überrascht, aber zugleich den Horizont geöffnet für die ganzen Transformationen, die jetzt Franziskus durchführt, hin zu einer viel pastoraleren, dem Volk Gottes näheren Amtsführung. Ich glaube, diese Transformation war schon implizit angelegt in der Entscheidung von Benedikt XVI. Die diskrete Begleitung des neuen Pontifikats durch Benedikt lässt uns verstehen, dass der frühere Papst nicht auf einmal weg ist, sondern eine bestimmte bischöfliche, päpstliche Funktion weiter ausübt: die Fürbitte, die Solidarität und dabei die völlige Diskretion.“

Ouellet rechnet es dem emeritierten Papst hoch an, dass dieser (so gut wie) keine öffentlichen Stellungnahmen über seinen Nachfolger abgebe. „Dabei kann man sich vorstellen, dass er sich manchmal Fragen gestellt haben wird, dass ihn manches überrascht haben wird. Aber er ist bewundernswert in seiner Diskretion und seiner inneren Ruhe, auch in seiner diskreten, liebevollen, betenden Präsenz.“

Der Kardinal aus Kanada hat das Gefühl, dass Benedikt noch eine Zeitlang am Leben bleiben wird, das spricht er offen aus. „Ich glaube nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht. Es stimmt zwar, dass sein Gesundheitszustand schwächer wird, aber er ist noch ganz da, um noch weiterzumachen. Wie lange noch, das weiß nur Gott…“

Ouellet ist 73 Jahre alt. Er war Erzbischof von Québec in Kanada, Johannes Paul II. machte ihn 2003 zum Kardinal, Benedikt XVI. holte ihn an die Kurie nach Rom. (vatican news)

Europa: Das Ende der Illusionen ist ein Geschenk

Demokratie baut immer auf Wahrheit auf, nicht auf Meinungen, eine klare Warnung von Kardinal Angelo Bagnasco, Präsident des Rats der Bischofskonferenzen Europas (CCEE), an die Politiker Europas, nicht dem Populismus nachzugeben. Bagnasco sprach bei der Vorstellung eines Berichts zur katholischen Soziallehre über Europa mit dem Titel: „Das Ende der Illusionen“.

Bernd Hagenkord SJ – Vatikanstadt.

Ein kritischer Blick, wie der Bericht ihn werfe, geschehe aus „Liebe zu Europa“. Dass der europäische Kontinent seine eigene Einheit brauche, das sei für alle unbestreitbar, stellte Kardinal Bagnasco fest. Die Desillusionierung als Folge des Endes der Illusionen sei dafür ein Geschenk, „das Geschenk eines neuen Realismus und damit eines besseren Blicks“. Er hoffe, dass dieses „Ende der Illusionen“ für Europa ein neuer Anfang sei.

„Wenn Europa nicht Angst hätte vor Gott, wären die Probleme der Nationen und der Völker schon gelöst“: Für Kardinal Bagnasco hängen die Fragen nach dem Populismus in der Politik und der Abwesenheit Gottes eng zusammen. Und deswegen mahnte der Erzbischof von Genua: „Die Verantwortlichen in der EU und die Politiker ganz allgemein müssen sehr aufmerksam sein auf die zentrifugalen Kräfte, die in der EU wirken. Es ist kurzsichtig, sie hinzunehmen, noch schlimmer ist es, auf sie mit Arroganz zu reagieren.“

Die Kräfte des Populismus genau analysieren

Diese Kräfte seien einerseits als Antwort auf die politischen, finanziellen, kulturellen und sozialen „Aggressionen“ zu verstehen, denen Menschen ausgesetzt seien. Andererseits würden diese Kräfte die Angst der Menschen für bestimmte Zwecke ausnutzen.

Das dürfe man nicht ignorieren, so Kardinal Bagnasco, es brauche eine Analyse der Gründe dafür und dann das Bemühen, die Probleme zu lösen.

Ein hartes Urteil fällte der Kardinal über die Europäische Union. Es gäbe sie noch, die Werte, aber die EU sei „durchtränkt vom Säkularismus und materialistischem Relativismus“. Der Mensch habe darin seine Bezugspunkte verloren. Die EU-Verträge sprächen zwar von der Würde, aber was sei das?, fragte der Kardinal. „Wer kümmert sich um sie? Worauf baut sie auf? Auf der Rechtsprechung der Gerichte? Wenn das so ist, dann reicht das nicht aus!”.

Ohne Scheu auf die Zehn Gebote blicken

Die Gründungsgestalten der EU hätten sich in ihrem Projekt der Vereinigung Europas ganz ohne Scheu auf die Zehn Gebote bezogen. Das hätte keine konfessionelle Union werden sollen, aber in diesen Geboten hätten sie „die Erfahrungen des Menschseins“ ausgedrückt gefunden. Und das gelte es sich heute vor Augen zu halten: Die Zehn Gebote müssten wieder kultureller Bezugspunkt des europäischen Humanismus werden. (vatican news)

Kein Karneval: Was diese Woche im Vatikan geplant ist

Der Karneval schlägt sich schlechterdings gar nicht nieder im Programm des Papstes für diese Woche. Anders verhält sich das mit dem Beginn der Fastenzeit.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

Am Mittwochnachmittag wird Franziskus die üblichen Riten des Aschermittwochs auf dem römischen Aventin-Hügel vollziehen. Zunächst leitet er einen kurzen Gottesdienst in der Benediktiner-Zentrale Sant’Anselmo, dann feiert er die Messe in der nahegelegenen Basilika Santa Sabina. Dort wird er sich auch das Aschenkreuz auf die Stirn zeichnen lassen.

Am Sonntagnachmittag bricht der Papst dann zusammen mit den Spitzenvertretern seiner Römischen Kurie in die Fastenexerzitien auf. Ein portugiesischer Priester und Dichter hält sie bis zum 23. Februar in Ariccia, einem Dorf in den Albaner Bergen unweit von Rom.

“ Audienz für Kardinal Marx ”

Doch bevor Franziskus in die geistlichen Exerzitien entfleucht, hat er noch ein paar Audienzen im Vatikan. Am Montag trifft er u.a. die Ministerpräsidentin von Bangladesch, Sheik Hasina, und den deutschen Kardinal Reinhard Marx, der Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrates ist. Für den Mittag plant der Papst eine Ansprache zum Welttag gegen Menschenhandel.

Am Dienstag treffen sich in Rom Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni; Anlass ist der 89. Jahrestag der Lateranverträge, der einst zur Gründung des Vatikanstaats führte. Am Mittwoch hält der Papst seine übliche Generalaudienz, am Donnerstagvormittag spricht er im Lateran mit den römischen Pfarrern.

Und, wie gesagt: Karnevalsfeiern sind nicht vorgesehen… (vatican news)