Kardinal Zen bezeichnet Abkommen mit China als „Selbstmord“, gibt Papstberatern die Schuld

VATIKANSTADT – In einem neuen Blogpost hat Kardinal Joseph Zen erneut sehr scharfe Kritik an einem erwarteten Abkommen zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China geübt, welches die Auswahl von Bischöfen regeln soll. Ein solcher Deal wäre ein „Selbstmord“ und eine „schamlose Kapitulation“ vor der kommunistischen Regierung, so Zen.

Das Problem sei nicht unbedingt der Papst, der „optimistisch und voller Liebe ist und gerne China besuchen möchte“. Vielmehr tadelte der emeritierte Bischof von Hongkong dessen Berater:

Diese verfolgten eine Art „Ostpolitik“, die grenzenlose Kompromisse bedeute, dabei aber wenig Gegenleistung einbringe.

Franziskus, so der chinesische Würdenträger,

„hatte nie direkte Kenntnis von der Kommunistischen Partei Chinas und ist außerdem schlecht von den Menschen um ihn herum informiert.“

Vorwürfe erhebt Kardinal Zen gegen den Kardinalstaatssekretär, Pietro Parolin. Dieser sei bei seinem Vorgänger, Kardinal Agostino Casaroli, in die Schule gegangen.

Casaroli war von 1979 bis 1990 Staatssekretär des Heiligen Stuhls, und sei „besessen von der Ostpolitik“ gewesen, so Kardinal Zen, die eine „Art politischen Kompromiss“ gewesen sei.

Er sagte auch, dass der verstorbene Kardinal Ivan Dias als Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker ebenfalls von Casaroli beeinflusst worden sei. Die Kongregation, ehemals Congregatio de Propaganda Fide, koordiniert die missionarische Tätigkeit der Kirche. Dias habe zwar, als Jahrzehnte langer Erzbischof von Bombay, die Situation Asiens insgesamt gut gekannt, so Zen.

„Doppeltes Spiel“ gegen „Anweisungen Benedikts“

Das Problem bestehe jedoch darin, dass sowohl Kardinal Dias als auch Kardinal Parolin sich darin einig gewesen seien, so Zen weiter, in China Ostpolitik zu betreiben – und dabei gegen die Anweisungen von Benedikt XVI. „ein doppeltes Spiel spielten“.

Der aus der deutschen Außenpolitik der 1960er Jahre stammende, seitdem in mehreren Sprachen verwendete Begriff der Ostpolitik bezeichnete ursprünglich den politischen Prozess der Normalisierung der Beziehungen zwischen Ost und West in den Jahren 1969 bis 1989. Sie endete mit der Wiedervereinigung Deutschlands nach der friedlichen Revolution gegen das DDR-Regime in den Jahren 1989-1990 und der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991.

Als vatikanische Ostpolitik werden die Bemühungen von Papst Paul VI. bezeichnet, durch Dialog, Kompromissbereitschaft und weitere Vereinbarungen mit kommunistisch regierten Ländern Osteuropas eine Annäherung zu erreichen.

Diese Politik habe Kardinal Pietro Parolin im Jahr 2013 mit seiner Ernennung zum Staatssekretär des Vatikan wieder aufgegriffen, schreibt Kardinal Zen – auch wenn inzwischen Kardinal Dias im Alter von 75 Jahren in den Ruhestand gegangen, und Parolin im Jahr 2009 zum Nuntius in Venezuela ernannt worden war.

Der chinesische Würdenträger betonte weiter, dass Kardinal Parolin freundlich sei, und „mit einer außerordentlichen diplomatischen Kunst begabt“. Allerdings sei er „besessen von der Ostpolitik … [er] bietet bereitwillig seine Zusammenarbeit an, gibt die gewünschten Informationen und lässt die besorgniserregenden Inhalte aus.“

Seiner Meinung nach, so Zen, seien diejenigen, die das Abkommen unterstützen, bereit, einen Kompromiss ohne Auflagen einzugehen:

„Sie sind jetzt schon bereit, sich vollständig zu ergeben“.

Kennt der Papst die Einzelheiten nicht?

Ausgehend von dem, was Papst Franziskus ihm und Erzbischof Savio Hon – der im britischen Hongkong geboren wurde und derzeit Apostolischer Nuntius in Griechenland ist – gesagt habe sei klar, dass Franziskus die Details des geplanten Abkommens nicht kenne.

Gläubige auf dem chinesischen Kontinent würden sich wegen bestimmter Missverständnisse nicht über den Papst beschweren, so Kardinal Zen weiter.

Wenn ein Abkommen erst einmal vom Papst unterschrieben worden sei, dann könne man dies nur akzeptieren. „Aber vor der eventuellen Unterzeichnung ist es unser Recht, die Wahrheit über Dinge bekannt zu machen“ – auch um mögliche Gefahren zu vermeiden, schrieb der Würdenträger in seinem auf chinesisch veröffentlichten Blog am 24. Februar, das auf Italienisch übersetzt auf dem Blog des Vatikanisten  veröffentlicht wurde. (CNA Deutsch)

Vatikan-Brief an Bischöfe zum Thema Erlösung – voller Wortlaut

Die Glaubenskongregation hat am Donnerstag einen Brief an die Bischöfe der Weltkirche veröffentlicht. Darin geht es um „einige Aspekte des christlichen Heils“. Hier finden Sie den Brief im vollen Wortlaut.

KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

Schreiben Placuit Deo

an die Bischöfe der katholischen Kirche

über einige Aspekte des christlichen Heils

I. Einleitung

1. «Es hat Gott in seiner Güte und Weisheit gefallen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens bekannt zu machen (vgl. Eph 1,9), dass die Menschen durch Christus, das Fleisch gewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und der göttlichen Natur teilhaftig werden (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). […] Die Tiefe der durch diese Offenbarung über Gott und über das Heil des Menschen erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist».[1] Die Lehre über das Heil in Christus muss immer wieder neu vertieft werden. Den Blick fest auf den Herrn Jesus gerichtet, wendet sich die Kirche in mütterlicher Liebe an alle Menschen, um ihnen den ganzen Bundesplan des Vaters zu verkünden. Dieser hat beschlossen, durch den Heiligen Geist «das All in Christus als dem Haupt zusammenzufassen» (Eph 1,10). Das vorliegende Schreiben möchte auf der Linie der großen Tradition des Glaubens und unter besonderer Bezugnahme auf die Lehre von Papst Franziskus einige Aspekte des christlichen Heils hervorheben, deren Verständnis heute aufgrund der jüngsten kulturellen Wandlungen erschwert sein kann.

II. Der Einfluss der aktuellen kulturellen Wandlungen auf das christliche Heilsverständnis

2. Die Welt von heute vernimmt nicht ohne Schwierigkeit das christliche Glaubensbekenntnis, das Jesus als einzigen Erlöser des ganzen Menschen und der ganzen Menschheit verkündet (vgl. Apg 4,12; Röm 3,23-24; 1 Tim 2,4-5; Tit 2,11-15).[2] Auf der einen Seite neigt der auf das autonome Subjekt konzentrierte Individualismus dazu, den Menschen als ein Wesen zu betrachten, dessen Verwirklichung allein von seinen eigenen Kräften abhängt.[3] In dieser Sichtweise entspricht die Gestalt Christi eher einem Vorbild, das durch Worte und Taten zu guten Werken anspornt, als demjenigen, der die menschliche Verfasstheit wandelt und durch den Geist in ein neues mit dem Vater und untereinander versöhntes Dasein hineinnimmt (vgl. 2 Kor 5,19; Eph 2,18). Auf der anderen Seite breitet sich die Sichtweise eines rein innerlichen Heils aus, die vielleicht eine starke persönliche Überzeugung oder ein intensives Gefühl der Vereinigung mit Gott weckt, ohne aber unsere Beziehungen mit den anderen und mit der geschaffenen Welt anzunehmen, zu heilen und zu erneuern. In dieser Perspektive wird es schwierig, den Sinn der Menschwerdung des Wortes zu erfassen, durch die der Herr – für uns Menschen und zu unserem Heil – ein Glied der Menschheitsfamilie geworden ist und unser Fleisch sowie unsere Geschichte angenommen hat.

3. Papst Franziskus hat in seinem ordentlichen Lehramt oft auf zwei Tendenzen Bezug genommen, die mit den eben angedeuteten Abweichungen zusammenhängen und die in einigen Punkten Ähnlichkeiten mit zwei alten Häresien, nämlich dem Pelagianismus und dem Gnostizismus, aufweisen.[4] In unseren Tagen gedeiht ein Neu-Pelagianismus, gemäß dem das radikal autonome Individuum vorgibt, sich selbst zu erlösen, ohne anzuerkennen, dass es im Tiefsten seines Seins von Gott und von den anderen abhängig ist. Das Heil wird deshalb von den Kräften des Einzelnen oder von rein menschlichen Strukturen erwartet, die aber nicht imstande sind, die Neuheit des Geistes Gottes aufzunehmen.[5] Eine Art von Neu-Gnostizismus propagiert ihrerseits ein rein innerliches, im Subjektivismus eingeschlossenes Heil,[6] das darin bestünde, dass sich der Verstand «über das Fleisch Christi hinaus zu den Geheimnissen der unbekannten Gottheit erhebt».[7] So wird der Anspruch erhoben, die Person vom Leib und von der materiellen Welt zu befreien, in denen man nicht mehr die Spuren der Vorsehung des Schöpfers erkennt, sondern nur eine Wirklichkeit ohne Sinn, die der eigentlichen Identität der Person fremd wäre und gemäß dem Gutdünken des Menschen manipuliert werden könnte.[8] Es ist freilich klar, dass der Vergleich mit den Häresien des Pelagianismus und des Gnostizismus nur allgemeine gemeinsame Merkmale andeuten will, ohne eine Beurteilung der genauen Art der alten Irrtümer vorzunehmen. Groß ist nämlich der Unterschied zwischen dem heutigen historischen Kontext, der von der Säkularisierung geprägt ist, und der Situation der ersten christlichen Jahrhunderte, in denen diese Häresien entstanden sind.[9] Doch weil der Gnostizismus und der Pelagianismus bleibende Gefahren für ein falsches Verständnis des biblischen Glaubens darstellen, ist es möglich, eine gewisse Ähnlichkeit mit den eben beschriebenen Tendenzen unserer Zeit zu finden.

4. Der Individualismus des Neu-Pelagianismus sowie die Leibverachtung des Neu-Gnostizismus entstellen das Bekenntnis des Glaubens an Christus, den einzigen und universalen Retter. Wie könnte Christus den Bund mit der ganzen Menschheitsfamilie aufrichten, wenn der Mensch ein isoliertes Individuum wäre, das sich nur mit eigenen Kräften selbst verwirklichen könnte, wie der Neu-Pelagianismus vorgibt? Und wie könnte das Heil durch die Menschwerdung Jesu, sein Leben und Sterben und die Auferstehung in seinem wahren Leib zu uns kommen, wenn nur das wichtig wäre, was das Innere des Menschen von den Begrenzungen des Leibes und der Materie befreit, wie der Neu-Gnostizismus meint? In Anbetracht dieser Strömungen möchte das vorliegende Schreiben bekräftigen, dass das Heil in unserer Vereinigung mit Christus besteht, der durch seine Menschwerdung, sein Leben und Sterben und seine Auferstehung eine neue Ordnung von Beziehungen mit dem Vater und unter den Menschen gestiftet und uns dank der Gabe seines Geistes in diese Ordnung hineingenommen hat. So können wir uns als Söhne und Töchter im Sohn mit dem Vater vereinen und ein Leib im «Erstgeborenen unter vielen Brüdern» (Röm 8,29) werden.

III. Die menschliche Sehnsucht nach Heil

5. Der Mensch erfährt sich direkt oder indirekt als ein Rätsel: Wer bin ich, der ich lebe, aber das Prinzip meines Daseins nicht in mir habe? Jede Person sucht auf ihre Weise das Glück und strebt danach, es durch den Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu erlangen. Diese allgemeine Sehnsucht kommt aber nicht notwendig zur Sprache oder zum Ausdruck. Sie ist viel geheimer und verborgener, als es scheinen mag, sie zeigt sich vor allem in Situationen der Not. Sehr oft deckt sie sich mit der Hoffnung auf körperliche Gesundheit. Manchmal nimmt sie die Form der Sorge um größeren wirtschaftlichen Wohlstand an. Häufig zeigt sie sich im Wunsch nach innerem Frieden und unbeschwertem Zusammenleben mit dem Nächsten. Das Streben nach Heil zeigt sich als Mühen um ein höheres Gut, trägt aber immer wieder auch das Merkmal des Widerstands und der Überwindung des Schmerzes an sich. Zum Kampf um die Erlangung des Guten kommt das Mühen um Schutz vor dem Bösen: vor Unwissenheit und Irrtum, vor Gebrechlichkeit und Schwäche, vor Krankheit und Tod.

6. Im Blick auf diese Sehnsucht lehrt uns der Glaube an Christus, der jeden Anspruch auf Selbstverwirklichung zurückweist, dass sie ganz nur dann in Erfüllung gehen kann, wenn Gott selbst dies möglich macht und uns an sich zieht. Das wahre Heil des Menschen besteht nicht in Dingen, die er von sich aus erlangen könnte, wie etwa in Besitz oder materiellem Wohlstand, in Wissenschaft oder Technik, Macht oder Einfluss auf andere, gutem Ruf oder Selbstgefälligkeit.[10] Nichts Geschaffenes kann den Menschen ganz erfüllen, weil Gott uns zur Gemeinschaft mit ihm bestimmt hat und unser Herz ruhelos ist bis es ruht in ihm.[11] «In Wahrheit gibt es nur eine letzte Berufung des Menschen, die göttliche».[12] Die Offenbarung beschränkt sich darum nicht darauf, das Heil als Antwort auf unsere jeweiligen Erwartungen zu verkünden. «Wenn die Erlösung nach den existentiellen Bedürfnissen der Menschen beurteilt oder gemessen werden müsste, wie könnte man dann den Verdacht zurückweisen, einfach einen Erlösergott geschaffen zu haben, der nach dem Bild unserer Bedürfnisse gemacht ist?».[13]

7. Darüber hinaus muss bekräftigt werden, dass sich der Ursprung des Bösen nach dem biblischen Glauben nicht in der materiellen, körperlichen Welt findet, die als Begrenzung oder Gefängnis erfahren würde, woraus wir gerettet werden müssten. Der Glaube verkündet im Gegenteil, dass die ganze Welt gut ist, weil sie von Gott erschaffen wurde (vgl. Gen 1,31; Weish 1,13-14; 1Tim 4,4), und dass das Böse, das dem Menschen am meisten schadet, aus seinem Herzen kommt (vgl. Mt 15,18-19; Gen 3,1-19). Durch die Sünde hat der Mensch die Quelle der Liebe verlassen. So verliert er sich in Scheinformen der Liebe, die ihn immer mehr in sich selbst verschließen. Diese Trennung von Gott – von dem, der die Quelle der Gemeinschaft und des Lebens ist – zerstört die Harmonie unter den Menschen sowie zwischen den Menschen und der Welt und führt zur Herrschaft der Zerrissenheit und des Todes (vgl. Röm 5,12). Das Heil, das der Glaube uns verkündet, betrifft deshalb nicht nur unser Inneres, sondern unser ganzes Menschsein. Die ganze Person, Leib und Seele, ist nämlich durch die Liebe Gottes nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen, und sie ist berufen, in Gemeinschaft mit ihm zu leben.

IV. Christus, Heiland und Heil

8. In keinem Augenblick des Weges der Menschheit hat Gott aufgehört, den Kindern Adams sein Heil anzubieten (vgl. Gen 3,15). In Noach richtet er mit allen Menschen einen Bund auf (vgl. Gen 9,9), später mit Abraham und seinen Nachkommen (vgl. Gen 15,18). Das göttliche Heil nimmt so die geschaffene Ordnung auf, die von allen Menschen geteilt wird, und geht seinen konkreten Weg in der Geschichte. Gott erwählt sich ein Volk, dem er die Mittel anbietet, um gegen die Sünde zu kämpfen, und sich ihm zu nähern. So bereitet er den Weg für das Kommen «eines starken Retters im Hause seines Knechtes David» (Lk 1,69). In der Fülle der Zeiten sendet der Vater seinen Sohn in die Welt, der das Reich Gottes verkündet und alle Krankheiten heilt (vgl. Mt 4,23). Die von Jesus gewirkten Heilungen, in denen die Vorsehung Gottes sichtbar wird, sind Zeichen, die auf seine Person verweisen, auf denjenigen, der sich im Osterereignis in Fülle als Herr über Leben und Tod offenbart. Nach dem Evangelium nimmt das Heil für alle Völker seinen Anfang, wenn Jesus aufgenommen wird: «Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden» (Lk 19,9). Die Frohbotschaft vom Heil hat einen Namen und ein Gesicht: Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Retter. «Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt».[14]

9. Der christliche Glaube hat das Heilswerk des Fleisch gewordenen Sohnes Gottes in seiner jahrhundertelangen Tradition durch verschiedene Bilder dargelegt. Er trennte dabei nie die heilende Dimension – Christus hat uns von der Sünde erlöst – von der Dimension der Erhöhung – er hat uns zu Söhnen und Töchtern Gottes gemacht, die seiner göttlichen Natur teilhaftig werden (vgl. 2 Petr 1,4). Wenn wir auf die Gabe des Heils in ihrer absteigenden Perspektive schauen (von Gott her, der kommt, um die Menschen zu erlösen), ist Jesus Lichtbringer und Offenbarer, Erlöser und Befreier, derjenige, der den Menschen vergöttlicht und rechtfertigt. Insofern wir die aufsteigende Perspektive einnehmen (vom Menschen her, der sich Gott zuwendet), ist Jesus derjenige, der als der Hohepriester des Neuen Bundes dem Vater im Namen der Menschheit das vollkommene Opfer darbringt: Er opfert sich selbst, er sühnt für die Sünden, er lebt allezeit, um für uns einzutreten. So wird im Leben Jesu eine wunderbare Synthese zwischen göttlichem und menschlichem Wirken offenbar, welche die Haltlosigkeit der individualistischen Sichtweise zeigt. Einerseits bezeugt nämlich die absteigende Perspektive den absoluten Primat des freien Wirkens Gottes. Die Demut, die Gaben Gottes anzunehmen, bevor wir irgendetwas tun, ist wesentlich, um auf seine Erlöserliebe antworten zu können. Andererseits erinnert uns die aufsteigende Perspektive daran, dass der Vater durch das ganz menschliche Handeln seines Sohnes unser Tun erneuern wollte, damit wir – Christus gleichgestaltet – «die guten Werke» tun können, «die Gott für uns im Voraus bestimmt hat» (Eph 2,10).

10. Es ist zudem klar, dass das Heil, das Jesus in seiner eigenen Person gewirkt hat, nicht nur das Innere des Menschen betrifft. Um nämlich die heilbringende Gemeinschaft mit Gott jedem Menschen bringen zu können, ist der Sohn Fleisch geworden (vgl. Joh 1,14). Eben weil er Fleisch angenommen hat (vgl. Röm 8,3; Hebr 2,14; 1 Joh 4,2) und von einer Frau geboren wurde (vgl. Gal 4,4), ist «der Sohn Gottes zum Menschensohn»[15] und zu unserem Bruder (vgl. Hebr 2,14) geworden. Indem er so ein Glied der Menschheitsfamilie geworden ist, hat er sich «gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt»[16]. Er hat eine neue Ordnung von Beziehungen mit Gott, seinem Vater, und allen Menschen gestiftet, in die wir eingefügt werden können, um an seinem eigenen Leben teilzuhaben. Die Annahme des Fleisches ist folglich weit davon entfernt, das Heilswirken Christi einzugrenzen, sondern macht es ihm konkret möglich, das Heil Gottes allen Kindern Adams zu vermitteln.

11. Als Antwort auf die individualistische Verkürzung des Neu-Pelagianismus sowie auf das Versprechen einer bloß innerlichen Befreiung von Seiten des Neu-Gnostizismus muss schließlich daran erinnert werden, wie Jesus als Retter wirkt. Er hat sich nicht darauf beschränkt, uns den Weg zur Begegnung mit Gott zu zeigen – einen Weg, den wir dann mit eigener Kraft im Gehorsam gegenüber seinen Worten und in Nachahmung seines Beispiels gehen könnten. Um uns die Tür zur Erlösung aufzutun, ist Christus vielmehr selbst der Weg geworden: «Ich bin der Weg» (Joh 14,6).[17] Dieser Weg ist zudem nicht ein bloß innerlicher Weg am Rand unserer Beziehungen zu den anderen und zur geschaffenen Welt. Im Gegenteil, Jesus «hat uns den neuen und lebendigen Weg erschlossen […] durch sein Fleisch» (Hebr 10,20). Christus ist also Retter, weil er unsere ganze menschliche Natur angenommen und ein wirklich menschliches Leben in Gemeinschaft mit dem Vater und den Brüdern und Schwestern geführt hat. Das Heil besteht darin, dass wir uns in dieses Leben Christi einfügen lassen, indem wir seinen Geist empfangen (vgl. 1 Joh 4,13). So ist er «in gewisser Weise das Prinzip jeder Gnade gemäß der menschlichen Natur» geworden.[18] Er ist zugleich Heiland und Heil.

V. Das Heil in der Kirche, dem Leib Christi

12. Der Ort, wo uns das von Christus gebrachte Heil geschenkt wird, ist die Kirche, die Gemeinschaft derer, die in die von Christus gestiftete neue Ordnung der Beziehungen eingegliedert werden und die Fülle des Geistes Christi empfangen können (vgl. Röm 8,9). Das Verständnis für diese Heilsmittlung der Kirche ist eine wesentliche Hilfe, um jedwede Tendenz zu verkürzten Auffassungen zu überwinden. Denn das Heil, das Gott uns anbietet, ist nicht mit eigenen Kräften zu erlangen, wie der Neu-Pelagianismus möchte, sondern mittels der Beziehungen, die dem Fleisch gewordenen Sohn Gottes entspringen und die Gemeinschaft der Kirche formen. Weil die Gnade, die Christus uns schenkt, darüber hinaus nicht ein bloß innerliches Heil bringt, wie die neu-gnostische Sichtweise vorgibt, sondern uns in konkrete Beziehungen hineinnimmt, die er selbst gelebt hat, ist die Kirche eine sichtbare Gemeinschaft: In ihr berühren wir das Fleisch Jesu, in herausragender Weise in den ärmsten und leidenden Brüdern und Schwestern. Die Heilsvermittlung der Kirche, dem «allumfassenden Heilssakrament»,[19] versichert uns, dass das Heil weder in der Selbstverwirklichung des isolierten Individuums noch in seiner inneren Verschmelzung mit dem Göttlichen besteht, sondern in der Eingliederung in eine Gemeinschaft von Personen, die an der Gemeinschaft der Dreifaltigkeit teilhat.

13. Die individualistische Sichtweise sowie die rein innerliche Heilsperspektive widersprechen zudem der sakramentalen Heilsordnung, durch die Gott den Menschen retten will. Die in der Kirche mögliche Teilhabe an der neuen Ordnung der Beziehungen, die von Jesus gestiftet wurden, geschieht durch die Sakramente, unter denen die Taufe die Tür[20] und die Eucharistie die Quelle und der Höhepunkt ist.[21] So wird auf der einen Seite sichtbar, dass die Anmaßung einer Selbsterlösung, die nur auf die eigenen menschlichen Kräfte zählt, haltlos ist. Der Glaube bekennt im Gegenteil, dass wir durch die Taufe gerettet werden, die uns das unauslöschliche Siegel der Zugehörigkeit zu Christus und zur Kirche einprägt. Darin wurzelt die Wandlung unserer konkreten Weise, die Beziehungen mit Gott, mit den Menschen und mit den geschaffenen Dingen zu leben (vgl. Mt 28,19). Gereinigt von der Erbsünde und jeder persönlichen Sünde, sind wir so zu einem neuen Leben gerufen, das Christus entspricht (vgl. Röm 6,4). Die Gläubigen wachsen und erneuern sich beständig durch die Gnade der sieben Sakramente, vor allem wenn der Weg schwerer wird und Rückfälle nicht ausbleiben. Wenn sie durch die Sünde von ihrer Liebe zu Christus ablassen, können sie durch das Sakrament der Buße wieder in die Ordnung der von Jesus gestifteten Beziehungen aufgenommen werden, um einen Lebenswandel zu führen, wie er ihn geführt hat (vgl. 1 Joh 2,6). Auf diese Weise blicken sie voll Hoffnung auf das Letzte Gericht, in dem jeder Mensch nach den konkreten Taten der Liebe (vgl. Röm 13,8-10), besonders zu den Schwächsten (vgl. Mt 25,31-46), gerichtet wird.

14. Der sakramentalen Heilsordnung widersprechen auch die Strömungen, die ein bloß innerliches Heil propagieren. Der Gnostizismus verbindet sich nämlich mit einer negativen Sicht auf die geschaffene Ordnung, die als Begrenzung der absoluten Freiheit des menschlichen Geistes verstanden wird. Folglich wird das Heil als Befreiung vom Leib und von den konkreten Beziehungen, in denen der Mensch lebt, gesehen. Für uns als Erlöste ist das wahre Heil «durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi» (Hebr 10,10; vgl. Kol 1,22) jedoch weit davon entfernt, Befreiung vom Leib zu sein. Es schließt vielmehr auch dessen Heiligung ein (vgl. Röm 12,1). In den menschlichen Leib, der von Gott geformt wurde, ist eine Sprache eingeschrieben, welche den Menschen einlädt, die Gaben des Schöpfers zu erkennen und in Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern zu leben.[22] Durch seine Menschwerdung und sein Ostergeheimnis hat der Retter diese ursprüngliche Sprache wiederhergestellt, erneuert und uns in der leibhaften Ordnung der Sakramente vermittelt. Dank der Sakramente können die Christen in Treue zum Fleisch Christi und folglich in Treue zur konkreten Ordnung der von ihm geschenkten Beziehungen leben. Diese Ordnung von Beziehungen erfordert in besonderer Weise die Sorge um alle Menschen in ihren Leiden, vor allem durch die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit.[23]

VI. Schluss: den Glauben verkünden in der Erwartung des Retters

15. Das Bewusstsein der Lebensfülle, in die uns Jesus, der Retter, hineinnimmt, drängt die Christen zur Mission, um allen Menschen die Freude und das Licht des Evangeliums zu verkünden.[24] In diesem Bemühen sind sie auch bereit, einen aufrichtigen und konstruktiven Dialog mit den Anhängern anderer Religionen aufzubauen im Vertrauen, dass Gott «alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt»[25], zum Heil in Christus führen kann. Während sich die Kirche mit allen ihren Kräften der Evangelisierung widmet, hört sie nicht auf, das endgültige Kommen des Retters zu erflehen, denn «auf Hoffnung hin sind wir gerettet» (Röm 8,24). Das Heil des Menschen wird erst dann vollendet sein, wenn wir nach dem Sieg über den letzten Feind, den Tod (vgl. 1 Kor 15,26), ganz an der Herrlichkeit des auferstandenen Jesus teilhaben, der unsere Beziehung mit Gott, mit den Brüdern und Schwestern sowie mit den geschaffenen Dingen zur Vollendung führen wird. Das umfassende Heil, das Heil der Seele und des Leibes, ist die endgültige Bestimmung, zu der Gott alle Menschen ruft. Gegründet im Glauben, gestützt auf die Hoffnung, tätig in der Liebe nach dem Beispiel Marias, der Mutter des Retters, der Ersterlösten, haben wir die Gewissheit: «Unsere Heimat ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich auch alles unterwerfen kann» (Phil 3,20-21).

Papst Franziskus hat dieses Schreiben, das von der Vollversammlung dieser Kongregation am 24. Januar 2018 beschlossen worden war, am 16. Februar 2018 gutgeheißen und seine Veröffentlichung angeordnet.

Gegeben zu Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 22. Februar 2018, dem Fest Kathedra Petri.

+ Luis F. Ladaria, S.I.

Titularerzbischof von Thibica

Präfekt

+ Giacomo Morandi

Titularerzbischof von Cerveteri

Sekretär

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[1] II. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 2.

[2] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Dominus Iesus (6. August 2000), Nr. 5-8: AAS 92 (2000), 745-749.

[3] Vgl. Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), Nr. 67: AAS 105 (2013), 1048.

[4] Vgl. Ders., Enzyklika Lumen fidei (29. Juni 2013), Nr. 47: AAS 105 (2013), 586-587; Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 93-94: AAS (2013), 1059; Ansprache an die Vertreter des fünften Nationalen Kongresses der Kirche in Italien, Florenz (10. November 2015): AAS 107 (2015), 1287.

[5] Vgl. Ders., Ansprache an die Vertreter des fünften Nationalen Kongresses der Kirche in Italien, Florenz (10. November 2015): AAS 107 (2015), 1288.

[6] Vgl. Ders., Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 94: AAS 105 (2013), 1059: «die Faszination des Gnostizismus, eines im Subjektivismus eingeschlossenen Glaubens, bei dem einzig eine bestimmte Erfahrung oder eine Reihe von Argumentationen und Kenntnissen interessiert, von denen man meint, sie könnten Trost und Licht bringen, wo aber das Subjekt letztlich in der Immanenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Gefühle eingeschlossen bleibt»; Päpstlicher Rat für die Kultur – Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog, Jesus Christ. The Bearer of the Water of Life. A Christian Reflection on the “New Age” (Januar 2003), Vatikanstadt 2003.

[7] Franziskus, Enzyklika Lumen fidei, Nr. 47: AAS 105 (2013), 586-587.

[8] Vgl. Ders., Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt der Diözese Brescia (22. Juni 2013): AAS 95 (2013), 627: «in dieser Welt, […] wo man lieber den Weg des Gnostizismus geht, […] des „kein Fleisch“ – ein Gott, der nicht Fleisch geworden ist […]».

[9] Gemäß der Häresie des Pelagianismus, die sich im fünften Jahrhundert um Pelagius entwickelt hat, braucht der Mensch die Gnade zur Erfüllung der Gebote Gottes und zu seiner Rettung nur im Sinn einer äußerlichen Hilfe für seine Freiheit (etwa wie ein Licht, ein Beispiel, eine Kraft), nicht aber im Sinn einer gänzlich unverdienten Heilung und radikalen Erneuerung seiner Freiheit, die es ihm möglich macht, das Gute zu tun und das ewige Leben zu erlangen.

Komplizierter ist die gnostische Bewegung, die im ersten und zweiten Jahrhundert entstanden ist und viele unterschiedliche Formen kennt. Im Allgemeinen glaubten die Gnostiker, dass man das Heil durch eine esoterische Kenntnis oder “Gnosis” erlangt. Diese Kenntnis macht dem Gnostiker sein wahres Wesen bekannt, nämlich einen Funken des göttlichen Geistes, der in seinem Inneren wohnt, das vom Leib befreit werden muss, weil dieser seinem wahren Menschsein fremd ist. Nur auf diese Weise kehrt der Gnostiker zu seinem ursprünglichen Sein in Gott zurück, von dem er sich durch den Sündenfall entfernt hatte.

[10] Vgl. Thomas von aquin, Summa theologiae, I-II, q. 2.

[11] Vgl. Augustinus, Bekenntnisse, I, 1: Corpus Christianorum, 27,1.

[12] II. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 22.

[13] Internationale Theologische Kommission, Gott der Erlöser. Zu einigen ausgewählten Fragen, 1995, Nr. 2.

[14] Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), Nr. 1: AAS 98 (2006), 217; vgl. Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 3: AAS 105 (2013), 1020.

[15] Irenäus, Adversus haereses, III, 19,1: Sources Chrétiennes, 211, 374.

[16] II. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 22.

[17] Vgl. Augustinus, Tractatus in Ioannem, 13, 4: Corpus Christianorum 36, 132: «Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6). Wenn du die Wahrheit suchst, folge dem Weg, denn der Weg ist auch die Wahrheit. Das Ziel, dem du zustrebst, und der Weg, den zu einschlagen musst, sind dasselbe. Du kannst nicht zum Ziel gelangen, wenn du einem anderen Weg folgst; auf einem anderen Weg kannst du nicht zu Christus gelangen: Zu Christus kannst du nur durch Christus kommen. In welcher Hinsicht gelangst du durch Christus zu Christus? Du kommst zu Christus, der Gott ist, durch Christus, der Mensch ist. Durch das Wort, das Fleisch geworden ist, kommst du zum Wort, das am Anfang Gott bei Gott war».

[18] Thomas von Aquin, Quaestio de veritate, q. 29, a. 5, co.

[19] II. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 48.

[20] Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, III, q. 63, a. 3.

[21] Vgl. II. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 11; Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 10.

[22] Vgl. Franziskus, Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), Nr. 155, AAS 107 (2015), 909-910.

[23] Vgl. Ders., Schreiben Misericordia et misera (20. November 2016), Nr. 20: AAS 108 (2016), 1325-1326.

[24] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 40: AAS 83 (1991), 287-288; Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 9-13: AAS 105 (2013), 1022-1025.

(vatican news)

Vatikan-Dokument: Keiner kann sich selbst erlösen

Keiner kann von sich aus das Heil erlangen: Das ist die Kernthese eines Briefs, den der Vatikan an diesem Donnerstag veröffentlicht hat.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

Zum ersten Mal, seit Erzbischof Luis Ladaria im letzten Sommer die Leitung der Glaubenskongregation übernommen hat, publiziert das vatikanische Spitzenministerium einen längeren Text. „Placuit Deo“ heißt er, „Es hat Gott gefallen“, die Form ist ein Brief, gerichtet an die Bischöfe der Weltkirche. Thema: „Einige Aspekte des christlichen Heils“. „Die Lehre über das Heil in Christus muss immer wieder neu vertieft werden“, begründet die Kongregation ihre Themenwahl.

Vor allem zielt der Brief auf den heute verbreiteten Individualismus: Da werde der Mensch „als ein Wesen“ betrachtet, „dessen Verwirklichung allein von seinen eigenen Kräften abhängt“ und das ganz für sich, ohne andere, das Heil erlangen kann. Eine Tendenz, die an zwei alte Häresien erinnert, nämlich Pelagianismus und Gnostizismus: Das Erstgenannte meint Selbsterlösung, das Zweite einen Aufschwung des Verstands zum göttlichen Mysterium. Leibfeindlichkeit also, wenn man’s in ein Wort pressen will.

Beidem erteilt der Brief eine deutliche Absage. „Der Individualismus des Neu-Pelagianismus sowie die Leibverachtung des Neu-Gnostizismus entstellen das Bekenntnis des Glaubens an Christus, den einzigen und universalen Retter. Wie könnte Christus den Bund mit der ganzen Menschheitsfamilie aufrichten, wenn der Mensch ein isoliertes Individuum wäre, das sich nur mit eigenen Kräften selbstverwirklichen könnte, wie der Neu-Pelagianismus vorgibt? Und wie könnte das Heil durch die Menschwerdung Jesu, sein Leben und Sterben und die Auferstehung in seinem wahren Leib zu uns kommen, wenn nur das wichtig wäre, was das Innere des Menschen von den Begrenzungen des Leibes und der Materie befreit, wie der Neu-Gnostizismus meint?“

Zitate von Augustinus bis Benedikt XVI.

Das Vatikan-Schreiben hält den neuen Irrlehren unter Berufung auf Augustinus, Thomas von Aquin und Papstdokumente von Johannes Paul II. bis Franziskus die christliche Sicht der Erlösung entgegen. Das Heil bestehe „in unserer Vereinigung mit Christus“. Und wir gelangen nur dann zum Heil, „wenn Gott selbst dies möglich macht und uns an sich zieht“. Im Übrigen sei das Heil umfassend, es betreffe „unser ganzes Menschsein“. „Die ganze Person, Leib und Seele, ist nämlich durch die Liebe Gottes nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen, und sie ist berufen, in Gemeinschaft mit ihm zu leben.“ Und der „Ort, wo uns das von Christus gebrachte Heil geschenkt wird“, sei die Kirche.

Das neue Vatikan-Dokument orientiert sich spürbar am Denken von Papst Franziskus; Bezüge zu seiner Ansprache auf einem italienischen Kirchentreffen vom November 2015 in Florenz sind deutlich. Am Schluss steht ein missionarischer Impuls, wie er auch für den jetzigen Papst kennzeichnend ist: „Das Bewusstsein der Lebensfülle, in die uns Jesus, der Retter, hineinnimmt, drängt die Christen zur Mission, um allen Menschen die Freude und das Licht des Evangeliums zu verkünden.“ (vatican news)

Fall Barros: Päpstlicher Gesandter beendet Mission in Chile, würdigt Klima des Vertrauens

SANTIAGO DE CHILE – Vor seiner Rückkehr in den Vatikan am 28. Februar hat Erzbischof Charles Scicluna sich für das Klima „des Zuhörens und des Vertrauens“ bedankt sowie für den „besonnen Dialog“ bei der Zeugenanhörung im Fall des chilenischen Bischofs Juan Barros.

Der Vorsitzende des Gremiums der Glaubenskongregation für die Untersuchung schwerwiegender Delikte war von Papst Franziskus nach Chile entsandt worden. Dort sollte er die Zeugenaussagen hinsichtlich einer angeblich von Bischof Juan Barros von Osorno verübten Vertuschung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch den Priester Fernando Karadima aufnehmen.

Erzbischof Scicluna erneuerte durch den Pressesprecher der Chilenischen Bischofskonferenz (CECH) seine Dankbarkeit gegenüber dem Apostolischen Nuntius, Erzbischof Ivo Scapolo, sowie gegenüber den Mitarbeitern der Nuntiatur und der Belegschaft der Klinik San Carlos de Apoquindo, in der er am 21. Februar an der Gallenblase operiert worden war.

Während Erzbischof Scicluna sich „zufriedenstellend erholte“, wurden die Aufgaben von seinem Sekretär und Mitarbeiter, dem Geistlichen Jordi Bertomeu, übernommen.

Erzbischof Scicluna empfing unter anderem Personen und Gruppen, die mit dem Fall Barros in Verbindung stehen, den Bischof von Osorno selbst, die Kommission zur Prävention sexuellen Missbrauchs und Zeugen, die in Verbindung zu angeblichen Fällen sexuellen Missbrauchs durch Maristen in Chile stehen.

Letzteren gab er Informationen und Ratschläge aus den Normen und Verfahren des Kirchenrechts.

Coiro erklärte, dass Erzbischof Scicluna in Rom einen Bericht erarbeiten wird, den er dann Papst Franziskus überreichen werde. Wer noch Informationen zu Vorfällen vorbringen will, möge dies so schnell wie möglich tun.

Wenn es ihm sachdienlich scheine, werde Scicluna einige Fälle „dem Heiligen Stuhl persönlich vorlegen“, fügte Coiro hinzu.

Erzbischof Scicluna, der auch Oberhirte von Malta ist, kam am 19. Februar in Chile an und kehrt heute, am 1. März, nach Rom zurück.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)