D: Gebetsaufruf für schwerkranken Kardinal Lehmann

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat zum Gebet für Kardinal Karl Lehmann aufgerufen. Der Gesundheitszustand des 81-jährigen Kardinals sei „kritisch“, schreibt Kohlgraf in einem Brief an die Pfarrgemeinden und Mitarbeiter, der am Montag veröffentlicht wurde.

Seit September vergangenen Jahres kämpfe Lehmann mit den Folgen eines Schlaganfalls und einer Hirnblutung. „Nun schwinden seine Kräfte deutlich, so dass wir in nächster Zeit um sein Leben bangen müssen“, so Lehmanns Nachfolger als Bischof von Mainz. Der Kardinal sei ruhig und gelassen und habe „signalisiert, dass er sich nun auf den Weg macht – das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise.“

Lehmann war von 1983 bis Mai 2016 Bischof des Bistums Mainz, dessen Gebiet in Rheinland-Pfalz und Hessen liegt. Von 1987 bis 2008 war er außerdem Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. (Vatican News)

Kardinal Eijk: Die Quelle der Verwirrung ist „Amoris Laetitia „

Der niederländische Kardinal Willem Jacobus Eijk (64) stellt sich offen auf die Seite der „Dubia-Kardinäle“.

Kardinal Eijk ist Arzt und Theologe mit Erfahrungen in der Bioethik. Als Erzbischof von Utrecht (seit 2008) und Präsident der Bischofskonferenz der Niederlande ist er bekannt, für klare Worte. So hat er die Thesen der Gemeinschaft für die Geschiedenen und Wiederverheirateten vor, während und nach den beiden Bischofssynoden über die Familie (2014, 2015) abgelehnt.

Zu Beginn der zweiten Sitzung der Synode war er einer von dreizehn Kardinälen, die Papst Franziskus einen Brief schrieben und ihn aufforderten, die Freiheit und Korrektheit der synodalen Diskussion zu gewährleisten. Franziskus war wütend darüber.

Eijk ist ein entschiedener Kritiker der Verwirrung „Amoris Laetitia“. Das wird deutlich in einem Interview, dass er Lorenzo Berrocchi in der März-Ausgabe des italienischen Magazins „il timone“ gegeben hat.

Der folgende Auszug des Interviews erschien in „L Espresso“ (von Sandro Magister):

„Frage: Eminenz, was denken Sie über die kontroverse Frage des Zugangs zu den Sakramenten für geschiedene und wiederverheiratete Paare?

Antwort: Die Frage, ob die sogenannten Geschiedenen und Wiederverheirateten die sakramentale Absolution empfangen dürfen und damit die Eucharistie, bricht die Kirche auseinander. Auf allen Ebenen, unter Kardinälen, Bischöfen, Priestern und Laien, begegnet man einer manchmal heftigen Debatte. Die Quelle der Verwirrung ist die postsynodale Ermahnung „Amoris Laetitia“, geschrieben von Papst Franziskus am Ende der Synoden der Familie von 2014 und 2105.
Diese Verwirrung betrifft vor allem Nummer 305 der Ermahnung. Man stellt fest, dass einige Bischofskonferenzen pastorale Regeln eingeführt haben, die beinhalten, dass die geschiedenen und wiederverheirateten Personen unter einer Reihe von Bedingungen und nach einer pastoralen Prüfung durch den Priester, der sie begleitet, zur Gemeinschaft zugelassen werden können. Andere bischöfliche Konferenzen schließen dies jedoch aus. Aber was an Ort A wahr ist, kann an Ort B nicht falsch sein. Diese verschiedenen Interpretationen der Ermahnung, die sich auf Fragen der Lehre beziehen, führen bei den Gläubigen zur Verwirrung. Ich würde mich also freuen, wenn der Papst in dieser Hinsicht Klarheit schaffen würde, vorzugsweise in Form eines magistratischen Dokuments.
Ich selbst habe an beiden Synoden über die Familie teilgenommen und argumentiere, dass man Geschiedenen, die standesamtlich wieder geheiratet haben, nicht den Empfang der Kommunion erlauben kann. Ich habe das auch in einem Aufsatz für das Buch getan, das Beiträge von elf Kardinälen enthält und zwischen den beiden Synoden veröffentlicht wurde.

 Frage: Können sie kurz erklären, was ihre Position ist?

Antwort: Jesus selbst sagt, dass die Ehe unauflöslich ist. Im Matthäusevangelium (19,9; vgl. 5,32) scheint er eine Ausnahme zuzulassen, was bedeutet, dass man seine Frau „im Falle der unehelichen Vereinigung“ zurückweisen kann. Nichtsdestoweniger ist die Bedeutung des griechischen Wortes „porneia „Unverhohlene Einheit“, „hier übersetzt als“ uneheliche Vereinigung „, ist ungewiss: Es bedeutet höchstwahrscheinlich eine Vereinigung, die wegen einer Ehe zwischen verbotenen Verwandtschaftsgraden inzestuös ist (vgl. Lev 18: 6-18; Apg 15: 18-28).
Das tiefere Argument ist, dass man den Geschiedenen und Verheirateten die Kommunion nicht auf der Grundlage einer Analogie zwischen der Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau und zwischen Christus und der Kirche erlauben darf (Eph 5: 23-32). Die Beziehung zwischen Christus und der Kirche ist eine totale gegenseitige Selbstspende. Die totale Spende Christi an die Kirche geschieht in der Spende seines Lebens am Kreuz. Diese Gesamtspende wird im Sakrament der Eucharistie präsent sein.

Deshalb muss derjenige, der an der Eucharistie teilnimmt, bereit sein, sich selbst ganz zu schenken, was Teil der totalen Hingabe der Kirche an Christus ist. Wer sich nach einer standesamtlichen Trauung scheiden lässt und wieder heiratet, während die erste Ehe nicht für null erklärt wird, verstößt gegen das gegenseitige Gesamtgeschenk, das diese erste Ehe mit sich bringt. Die Verletzung des Gesamtgeschenks der ersten Ehe, das noch als gültig anzusehen ist, und das Fehlen des Willens, dieses Gesamtgeschenk zu halten, macht die betreffende Person unwürdig, an der Eucharistie teilzunehmen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Geschiedenen und Wiederverheirateten an den liturgischen Feiern einschließlich der Eucharistie teilnehmen können, ohne die Kommunion zu empfangen, und dass die Priester sie pastoral begleiten kann.

In dem Fall, in dem sich die Geschiedenen und Wiederverheirateten nicht trennen können, zum Beispiel wegen ihrer Verpflichtungen gegenüber den Kindern, die beiden angehören, können sie nur unter Erfüllung der genannten Bedingungen zur Kommunion oder zum Bußsakrament zugelassen werden, in Nummer 84 von „Familaris Consortio“ und in Nr. 29 von „Sacramentum Caritatis“. Eine dieser Bedingungen ist, dass beide entschließen müssen, als Bruder und Schwester zu leben, was bedeutet, sexuelle Beziehungen zu beenden.“

Kardinal Eijks Äußerungen klingen wie ein Hilfeschrei an das Welt-Episkopat. Nachdem er Anfang Januar in der niederländischen Presse seine Bedenken gegen „Amoris Laetitia geäußert hatte, meldet er sich nun auch in der italienischen Presse mit der Ermahnung:

„Was an Ort A wahr ist, kann an Ort B nicht falsch sein“!

(vh)

Kardinal Kasper: Freundlicher Dialog mit den Kritikern von „Amoris Laetitia“

Gerade 85 Jahre alt geworden, legt der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper ein Buch über kirchliche Seelsorge an Familien vor. Genauer gesagt: Er verteidigt das Lehrschreiben „Amoris Laetitia“ von Papst Franziskus, das dieser nach zwei Familien-Bischofssynoden im Vatikan erarbeitet hatte. Gudrun Sailer sprach mit Kardinal Kasper.

VATICAN NEWS: Herr Kardinal, Ihr Buch trägt den Titel „Die Botschaft von Amoris laetitia, ein freundlicher Disput“. Nun heißt es ja mancherorts, das Papstschreiben von Franziskus über Ehe und Familie sei sogar das umstrittenste Papstdokument der letzten 50 Jahre, seit Humanae Vita. Wie ordnen Sie diese Debatten, diesen Disput um Amoris laetitia seit seinem Erscheinen ein, was überrascht Sie daran?

KARDINAL KASPER: „Überrascht hat es mich nicht sonderlich, weil der Widerstand schon vorher da und sichtbar war. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Verständnisse von dem, was katholische Tradition ist, und das ist ja nicht einfach ein stehendes Gewässer, das dann fad und faul wird, das ist wie eine Quelle, wie ein Fluss, etwas Lebendiges. Die Kirche ist ein lebendiger Organismus, und klarer weise will der Papst die ursprüngliche apostolische Botschaft bewahren. Was kann er anderes, was will er anderes tun, aber er will sie übersetzen, auch in die Sprache, den Kontext der heutigen Zeit. Ich persönlich bin der Überzeugung, er steht in der großen katholischen Tradition, vor allem der von Thomas von Aquin, während der Blick auf einer neuscholastischen, etwas sehr vereinfachten Form des Thomismus steht und nicht der ganzen Größe des Thomas von Aquin gerecht wird.“

VATICAN NEWS: Sie schreiben auf den ersten Seiten, Amoris Laetitia sei keine neue Doktrin, sondern eine kreative Erneuerung der Tradition, es gebe keinen Platz für den Vorwurf der Häresie. Das waren ja teils sehr harsche Urteile, die über dieses Papstschreiben getroffen wurden. Wo ist aus Ihrer Sicht genau das Problem? Wie kann es sein, dass ausgerechnet ein Papstschreiben zu Ehe und Familie einen solch rauen Disput auslöst? Geht es überhaupt um Familie, um gescheiterte Familien zumal, oder geht es im Grund um etwas Anderes?

KARDINAL KASPER: „Eine Häresie ist ein hartnäckiges Festhalten an einer Position, die direkt einem formulierten Dogma entgegensteht. Ich kenne kein solches Dogma, das besteht in Bezug auf die Kommunion der wiederverheirateten Geschiedenen; das ist eine kirchliche Disziplin, zweifellos, aber kein Dogma. Also von Häresie zu reden, ist völlig abwegig. Der Papst hat hier eine praktische Doktrin sozusagen etwas erneuert, und das hat er durchaus auf der Spur des Papstes Johannes Paul II. getan. Er hatte bereits gesagt, dass man die Situationen genau unterscheiden müsse – und die sind mitunter auch sehr verschieden bei den wiederverheirateten Geschiedenen; nur hatte Papst Johannes Paul II. noch nicht die Konsequenzen daraus gezogen. Auf dieser Spur ist nun Franziskus weiter vorangeschritten. Er hat das Selbstverständnis einer lebendigen Tradition, so wie sie auch das Zweite Vatikanische Konzil gesehen hat. Ich denke, von daher ist der Vorwurf der Häresie völlig unangebracht. Man kann höchstens noch sagen, dass es sich um unterschiedliche Schulmeinungen handelt, und die hat es schon immer in der katholischen Kirche gegeben. Das muss es in der katholischen Kirche geben, wir sind ja kein totalitäres System.“

VATICAN NEWS: Das heißt in anderen Worten: Der Vorwurf der Häresie entzündet sich nicht daran, dass das Thema Ehe und Familie so unter den Nägeln brennt, sondern weil es letzten Endes eine Frage der Reinhaltung der katholischen Lehre ist?

KARDINAL KASPER: „Das ist eine Verhärtung der katholischen Position, so würde ich sagen, die nicht wahrnimmt, dass natürlich auch Ehe und Familie eine geschichtliche Wirklichkeit ist, die sich heute anders darstellt als vor 100 oder 200 Jahren oder gar im Mittelalter. Das muss man alles mit berücksichtigen, wenn man sagen will, was das eheliche Leben, das familiäre Leben heute bedeutet – und das ist ja auch der Grund, weshalb das Volk Gottes in seiner ganz großen Mehrheit dieses Schreiben sehr freudig begrüßt hat und aufgeatmet hat und gar nicht die Probleme hat, die manche hier – meiner Meinung nach – etwas überspitzt vorbringen. Mein Versuch war es, in freundschaftliche Diskussion mit ihnen einzutreten. Mit Polemik ist da gar nichts zu machen, sondern darauf ist freundschaftlich einzugehen und zu erklären: Was meint der Papst, aber was meint er auch nicht.“

VATICAN NEWS: In der berühmten Fußnote 351 schreibt Franziskus, wiederverheiratete Geschiedene könnten unter Umständen auch die „Hilfe der Sakramente“ erhalten. Sie erklären nun in Ihrem neuen Buch, dass diese Fußnote im Licht des Dekrets zur Eucharistie des Konzils von Trient zu lesen ist. Was kommt dann dabei heraus?

KARDINAL KASPER: „Das Konzil von Trient sagt, dass die Eucharistie lässliche Sünden vergibt, und wir sagen das ja, „zur Vergebung der Sünden“, jedes Mal in der Eucharistie. Wenn nun also im Gespräch mit einzelnen Personen herauskommt, das ist ja keine schwere Sünde, sondern das ist eine lässliche Sünde, Unvollkommenheiten wie wir sie alle haben, sonst könnte niemand von uns zur Kommunion gehen, dann kann man natürlich erstens lossprechen im Beichtsakrament und zweitens zur Eucharistie zulassen. Man muss sehen, dass die schwere Sünde ein komplexer Begriff ist, nicht nur ein Gebot, das unbedingt in jeder Situation gilt. Natürlich ist Ehebruch immer objektiv ein schweres Versagen, aber die schwere Sünde setzt die Intention voraus, das schlechte Gewissen. So haben die Opponenten sozusagen ein einseitig objektivistisches Verständnis der Moral, aber zur Moral gehört immer auch das Gewissen und die Intention eines Menschen – und das wird bei ihnen doch sehr übersehen. Der Papst dagegen hält das persönliche Gewissen des Menschen sehr hoch, und das ist auch eine wichtige Position, die ihn dem heutigen Verständnis nahe bringt.“ (vatican news)