Vatikan/DBK: Keine Hinweise über die Gesprächsinhalte

Heute fand im Vatikan das angekündigte Gespräch zwischen Teilnehmern der Deutschen Bischofskonferenz und Vertretern der vatikanischen Kurie statt.

Vaticanhistory – Martin Marker.

Vatican News veröffentlichte um 14.07 Uhr einen Artikel mit der Überschrift: Deutsche Bischöfe zur Klärung im Vatikan. Der Artikel von Pater Bernd Hagenkord liefert über den Verlauf und Inhalt des Gespräches keinerlei Hinweise. Stillschweigen!!

Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte am Donnerstagabend einen kurzen Artikel zum Gespräch der DBK-Delegation mit den Vertretern des Vatikans. Wie auch hier zu erwarten war, wird über konkrete Aussagen zum Gesprächsinhalt eigentlich nichts bekannt gegeben. Einzig der letzte Absatz der Erklärung ist relevant. Hier heißt es:

„Bei dem in deutscher Sprache geführten Gespräch erläuterte Erzbischof Ladaria, dass Papst Franziskus das ökumenische Engagement der deutschen Bischöfe würdigt und sie ersucht, im Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung zu finden. Im Gespräch wurden verschiedene Gesichtspunkte erörtert: etwa die Beziehung der Frage zum Glauben und zur Seelsorge, ihre weltkirchliche Relevanz sowie ihre rechtliche Dimension. Erzbischof Ladaria wird den Heiligen Vater über den Inhalt des Gesprächs informieren. Das Treffen verlief in einer herzlichen und brüderlichen Atmosphäre.“

Wie es zu erwarten war, lässt sich der Papst die Ergebnisse des Gespräches durch den Pro-Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Ladaria vortragen. Was mit der „Handreichung“ der Deutschen Bischofskonferenz geschehen wird, bleibt somit am heutigen Abend noch ungeklärt. (vh – mm)

Deutsche Bischöfe zur Klärung im Vatikan


Mehrere deutsche Bischöfe waren an diesem Donnerstag im Vatikan, um mit hiesigen Stellen über eine Handreichung zu beraten, die den Empfang der Kommunion für nichtkatholische Ehepartner regeln soll.

P. Bernd Hagenkord – Vatikanstadt

Es geht um die beiden Fragen, ob auch nichtkatholische Ehepartner die Kommunion unter bestimmten Bedingungen empfangen dürfen, und ob eine Bischofskonferenz alleine diese Frage entscheiden kann.

An dem Gespräch nahmen die Kardinäle Reinhard Marx (München und Freising) und Rainer Maria Woelki (Köln) teil. Außerdem angereist waren die Bischöfe Felix Genn (Münster), Rudolf Voderholzer (Regensburg, Mitglied der Glaubenskongregation des Vatikan), Karl-Heinz Wiesemann (Speyer, Glaubenskommission der Bischofskonferenz) und Gerhard Feige (Magdeburg, Ökumenekommission der Bischofskonferenz).

Auch der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer SJ, wurde zu dem Treffen in den Räumen der Römischen Glaubenskongregation eingeladen. Die Einladung kommt vom Präfekten der Kongregation, Erzbischof Luis Ladaria. Auf Vatikanseite dabei waren außerdem der für Ökumene zuständige Kardinal Kurt Koch, Pater Markus Graulich, Untersekretär des Rates für Gesetzestexte und Pater Herman Geißler, Leiter der Lehrabteilung an der Glaubenskongregation.

Das Treffen in Rom war vom Vatikan angeregt worden, nachdem sieben deutsche Bischöfe sich brieflich an die für die Ökumene und für die Glaubenskongregation Zuständigen gewandt hatten. Kardinal Woelki, Bischof Voderholzer und weitere fünf Diözesanbischöfe erbaten von Rom eine Klärung darüber, ob eine einzelne Bischofskonferenz eine solche in ihren Augen gesamtkirchliche Frage entscheiden könne.

Verhandelt wird nicht die ganze Grundsatzfrage

Auslöser für den Brief war eine bisher nicht veröffentlichte Handreichung, die in der Bischofskonferenz per Mehrheitsbeschluss verabschiedet wurde und die diese Fragen pastoral regeln soll. Der Brief der sieben wurde danach vor allem deswegen kritisiert, weil er am Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, vorbei nach Rom geschickt wurde.
Thema der Debatte ist die so genannte „eucharistische Gastfreundschaft“, also nicht die Frage, ob grundsätzlich Nichtkatholiken Kommunion empfangen dürfen oder können. Kardinal Kurt Koch hatte beim Papstbesuch 2016 in Lund/Schweden anlässlich des Reformationsgedenktages auf den Unterschied zwischen den beiden Fragen hingewiesen und betont, die Gastfreundschaft sei eine pastorale Frage.

Zur Kommunion sind in der katholischen Kirche grundsätzlich Katholiken sowie Mitglieder der unierten orientalischen Kirchen zugelassen. Protestanten dürfen in Ausnahmefällen – etwa in bestimmten schweren Notlagen – die Eucharistie empfangen. Katholiken ist auch eine Teilnahme an protestantischen Abendmahlsfeiern untersagt.

Franziskus hat Frage aufgegriffen, lässt sie aber offen

Papst Franziskus hatte in seinem Schreiben Amoris Laetitia die Frage aufgegriffen, grundsätzlich aber offengelassen: „Die Probleme bezüglich der konfessionsverschiedenen Ehen erfordern besondere Aufmerksamkeit. (..) Was die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie betrifft, wird in Erinnerung gerufen, dass „die Entscheidung über die Zulassung oder die Nichtzulassung des nichtkatholischen Teils zur eucharistischen Kommunion in Übereinstimmung mit den bestehenden allgemeinen Normen auf diesem Gebiet zu treffen [ist], sei es für die orientalischen Christen, sei es für die anderen Christen. Dabei ist der besonderen Situation Rechnung zu tragen, die dadurch gegeben ist, dass zwei getaufte Christen das christliche Ehesakrament empfangen. Obgleich den Gatten einer bekenntnisverschiedenen Ehe die Sakramente der Taufe und der Ehe gemeinsam sind, kann die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie nur im Ausnahmefall erfolgen, und man muss in jedem einzelnen Fall die oben erwähnten Normen […] beachten“ (AL 247).

2013 hatte der Papst in seinem Schreiben Evangelii Gaudium (Nr. 23), Papst Johannes Paul II. zitierend, den Bischofskonferenzen „eine gewisse authentische Lehrautorität“ zuerkannt, aber auch hier, ohne genaue Festlegungen zu treffen. (vatican news)

Opfer sexuellen Missbrauchs durch Karadima würdigen Vergebungsbitte des Papstes

SANTIAGO DE CHILE – „Der Papst hat uns formell in seinem eigenen Namen und im Namen der gesamten Kirche um Verzeihung gebeten“: Das haben drei Opfer sexuellen Missbrauchs durch den Priester Fernando Karadima nach ihrem Treffen mit Papst Franziskus in Rom gesagt.

„Der Papst hat uns formell in seinem eigenen Namen und im Namen der gesamten Kirche um Verzeihung gebeten“ erklärten die drei Opfer des durch den Priester Fernando Karadima verübten sexuellen Missbrauchs, nach dem Treffen mit Papst Franziskus in Rom am 28. und 29. April.

Juan Carlos Cruz, James Hamilton und José Andrés Murillo, die Opfer und Kläger im Missbrauchsfall des Priesters Fernando Karadima, der im Januar 2011 vom Vatikan für schuldig befunden wurde, nahmen am gestrigen 2. Mai an einer Pressekonferenz in Rom teil.

„Wir anerkennen und schätzen diese Geste und die enorme Gastfreundschaft und Großzügigkeit dieser Tage. Wir danken auch Monsignore Jordi Bertomeu, der uns im Auftrag des Papstes begleitet und es geschafft hat, diesen Aufenthalt zu etwas Konstruktivem zu machen“ sagten sie.

Die Kläger verbrachten circa eine Woche in der Casa Santa Marta und trafen den Heiligen Vater für ein mehrstündiges, privates Gespräch. Der Papst „zeigte sich sehr aufgeschlossen, aufmerksam und empathisch“ sagten Cruz, Hamilton und Murillo.

„Fast zehn Jahren lang wurden wir als Feinde behandelt, weil wir gegen sexuellen Missbrauch und Vertuschung in der Kirche kämpfen. In diesen Tagen haben wir das freundliche Gesicht der Kirche kennengelernt – ein ganz anders als das, das wir vorher kannten“ erklärten sie.

„Wir konnten mit dem Papst auf respektvolle und freimütig Weise reden. Wir sprachen schwierige Themen an, wie sexuellen Missbrauch, Machtmissbrauch und insbesondere die Vertuschung durch die chilenischen Bischöfe. Das sind Tatsachen, auf die wir uns nicht als Sünden, sondern als Verbrechen und Korruption bezogen haben, die in Chile nicht weniger werden, sondern eine Epidemie darstellen.“

„Eine Epidemie, die Tausende Leben von Kindern und Jugendlichen zerstört hat. Menschen, die vertraut haben und die in ihrem Glauben und in ihrem Vertrauen betrogen worden sind. Wir sprechen aus Erfahrung. Aus einer Erfahrung, die andere nicht überlebt haben.“

Sie betonten aber auch, dass „wir in unserem Leben Priestern, Männern und Frauen begegnet sind, die sich für die Würde der Opfer und für Gerechtigkeit eingesetzt haben. Ehrliche und mutige Menschen, die in diesem Kampf Fortschritte erzielt haben. Es gibt viele und sie sind sehr wichtig.“

„Wir hoffen, dass der Papst seine liebevollen Worte um Vergebung in beispielhafte und zur Nachahmung anregende Taten verwandle“ erläuterten sie.

„Denn sonst wird all das nur toter Buchstabe sein. Letztendlich möchten wir wiederholen, dass wir diese Einladung im Namen von Tausenden von Menschen angenommen haben, die Opfer von sexuellem Missbrauch und Vertuschung durch die katholischen Kirche geworden sind. Sie haben unserem Besuch den Sinn verliehen“ endeten sie.

Im Jahr 2015 verklagten Juan Carlos Cruz, José Andrés Murillo und James Hamilton das Erzbistum von Santiago wegen „seelischer Schäden“ und forderten eine Entschädigung in Höhe von 450 Millionen Pesos (circa 640.000 US-Dollar) und eine öffentliche Entschuldigung seitens der Kirche wegen mutmaßlicher Vertuschung von Missbräuchen.

Papst Franziskus empfing die Kläger, nachdem er den Bericht von Monsignore Charles Scicluna gelesen hatte, der nach Chile gereist war, um Informationen über den Bischof von Osorno, Monsignore Juan Barros, zu sammeln, dem die Vertuschung des von Karadima verübten sexuellen Missbrauchs vorgeworfen wird.

In den kommenden Wochen wird Papst Franziskus die chilenischen Bischöfe in Rom empfangen, um mit ihnen über den Bericht von Monsignore Scicluna zu sprechen.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Quo Vadis, Petrus? Der hohe Preis der Politik des Heiligen Stuhls mit China

Auf die verschärfte Religionspolitik der Volksrepublik antwortet der Vatikan mit Kompromissen, die der Kirche und den Gläubigen teuer zu stehen kommen können.

Seit der Boxerrevolution von 1900 sei in der Weltpresse noch nie so viel über Chinas Christen geschrieben worden, staunt der Sinologe Anthony Clarke und gesteht, dass er nach zwanzig Jahren der Beobachtung des Verhältnisses zwischen Rom und Peking jetzt zum ersten Mal die Strategie des Vatikans nicht nachvollziehen könne und ihm nur die Frage bleibe: „Quo vadis?“

Während China-Experten jedes Jahr zur Karwoche auf die traditionellen Bischofsentführungen warten, an denen sich die Temperatur des Verhältnisses zwischen Rom und dem Vatikan ablesen lässt, schienen heuer die Augen der ganzen Welt auf das katholische China gerichtet.

„Al Jazeera“ kündigte an, dass ein historisches Abkommen mit dem Vatikan bevorstehe. Die „New York Times“ erklärte ihren Lesern, dass die Regierung Chinas 1957 die Patriotische Vereinigung Chinesischer Katholiken gründete, um sie statt des Vatikans mit der Auswahl der Bischöfe zu betrauen. So seien zwei Hierarchien entstanden, eine „offizielle“, die von Peking ernannt sei, und eine, die Rom treu blieb: die Untergrundkirche.

Chinakorrespondenten aus aller Welt wussten zu berichten, dass jetzt eine neue Variante ausprobiert werde: Zwei von Rom eingesetzte Bischöfe sollten als Ortsbischöfe zurücktreten, um Wunschkandidaten der Regierung Platz zu machen. Das Ganze sollte in privaten Treffen zwischen Mitgliedern der Chinakommission im Vatikan und den Kandidaten selbst ausgetüftelt werden und in einem „freiwilligen Rücktritt“ der beiden Bischöfe münden.

Es sei auch höchste Zeit, war aus manchen Lagern zu hören. War der Antikommunismus seitens der Kirche in China nicht längst überholt und nur noch ein unnötiges Hindernis für die Aussöhnung? Und hatte Rom das Pochen auf die eigene Autorität nicht wichtiger genommen als die Evangelisierung?

Solche Fragen stellen sich nur, weil die de-facto-Praxis der Kirche nie offiziell bestätigt worden war. Peking schlägt längst Kandidaten vor und Rom sagt zu, solange es keine unüberwindlichen Hindernisse gibt.

Auf diese Weise wurde seit Jahrzehnten eine Personalpolitik der Kompromissbischöfe betrieben. Die Priorität Roms war dabei immer, Weihen zu verhindern, die zwar sakramental gültig, aber kirchlich nicht rechtmäßig sind. Die Teilnahme an solchen Weihen wird von einer großen Zahl der Katholiken Chinas als blasphemisch empfunden. Auch die Konzelebration mit exkommunizierten Bischöfen wird nicht akzeptiert. Die Trennungslinie verläuft dabei nicht entlang der Grenze zwischen registriertem „Untergrund“ und registrierter „offizieller Kirche“. Auch in der offenen Kirche ist für die meisten Gläubigen die sakramentale Einheit mit Rom absolut entscheidend. Von regierungsnahen Hardlinern war zwar immer wieder zu hören, diese „Mentalität“ sei engstirnig und hartherzig.

Doch der Brief Papst Benedikts vom 27. Mai 2007 bestärkte Chinas Katholiken in der Überzeugung, dass ihr Verständnis der Sakramente richtig ist. Sie sollten möglichst versuchen, von legitimen Bischöfen und Priestern die Sakramente zu empfangen. Seitens der Regierung hingegen wurde systematisch eine Strategie der sakramentalen Verwirrung verfolgt.

Päpstliche Anerkennung nach einer illegitimen Weihe erfordert Bitte, Reue, Beichte und Vergebung. Die Aufhebung der Exkommunikation ist immer dem Papst vorbehalten. Gerade nachträglich versöhnte und rechtlich anerkannte Bischöfe aber wurden hier regelmäßig zur Zielscheibe staatlicher Aggression. Das Schema ist immer dasselbe: Sie werden erpresst oder entführt und gezwungen zu konzelebrieren, um so Zweifel aufkommen zu lassen, ob sie nicht selbst erneut exkommuniziert sind. Da Rom vermeidet, sich unmittelbar zu äußern, lange prüft und dann privat regelt, macht sich bei den Gläubigen Unsicherheit breit, obwohl sie ein Recht darauf hätten, Bescheid zu wissen, wie es um ihren Bischof steht.

Auch mehr als ein halbes Jahrhundert dieser Strategie der Verwirrung hat es bisher jedoch nicht erreicht, Chinas Katholiken davon abzubringen, die Sakramente ausgesprochen ernst zu nehmen. Wahrscheinlich hatte der Missionar Alois Macheiner Recht, der darauf hinwies, dass der Konfuzianismus ein Talent zur Ehrfurcht förderte, was den Katholiken Chinas als sakramentale Propädeutik dienen konnte.

Um vor diesem Hintergrund den Aufschrei der chinesischen Katholiken angesichts des von Peking vorgeschlagen Bischofstausches zu verstehen, ist es hilfreich, die Hauptdarsteller des Dramas näher kennenzulernen.

Peter Zhuan Jianjian kam erst mit 76 Jahren, am Tag seiner Bischofsweihe, im Untergrund an. Bis dahin war sein kirchliches Leben in den Bahnen der offiziellen Kirche verlaufen. 1981, das Jahr des Attentates auf Johannes Paul II., war das erste Jahr der Hoffnung für die Katholiken Chinas seit Maos „langem Marsch“ und seiner Machtübernahme und dem fanatischen Religionshass, den die Kulturrevolution entfesselt und aufgepeitscht hatte. Priesterseminare wurden wieder geöffnet, allerdings unter strikter staatlicher Kontrolle.

Der 51-jährige Peter Zhuan trat trotzdem ein. Als Priester der offiziellen Diözese Shantou war Peter Zhuan automatisch bei der Patriotischen Vereinigung registriert. Nach dem Tod des Bischofs 1997 konnten sich Rom und Peking nicht auf einen Kandidaten einigen, und so akzeptierte Peter Zhuan es im Jahr 2006 mit der Genehmigung des Papstes, auch ohne die Zustimmung der Regierung die Bischofsweihe im Geheimen zu empfangen. Dass er sich damit Repressalien aussetzen würde, war klar. Denn nun war auch er Teil der Kirche, die immer noch, und in mancher Hinsicht zu Recht, als „Untergrundkirche“ beschrieben wird.

Auf der Seite Roms machte seine Weihe deutlich, dass es kein politisches Reinheitsgebot gibt, nach dem Kandidaten aus der offenen Kirche nur auf Regierungsdruck akzeptiert werden. Peking wollte ihn trotz seiner Legalität nicht. Unklar war: Sollte die Diözese prinzipiell vakant bleiben, um die Kirche zu schwächen, oder musste ein Idealkandidat der Regierung außer formeller Zugehörigkeit zur offiziellen Kirche noch andere Eigenschaften haben?

Im September letzten Jahres traf beim mittlerweile 88-jährigen Bischof Zhuan nun ein Brief aus Rom ein, der ihm nahelegte, er solle freiwillig zurücktreten, um einem bisher durch die Regierung anerkannten Bischof Platz zu machen. Peter Zhuan konnte es nicht glauben und wartete erst einmal ab. Im Dezember eskortierten ihn dann Sicherheitsbeamte nach Peking. Kein Priester der Diözese durfte ihn begleiten. Bei einem Treffen habe ein „Bischof des Vatikans“ die gleiche Forderung ausgesprochen. Bischof Zhuan schleuste daraufhin über den Hongkonger Kardinal Zen einen Brief an den Papst, was zu einem Treffen zwischen Papst Franziskus und Zen führte.

Nach dem Gespräch war Zen überzeugt, das Ganze beruhe auf einer Intrige hinter dem Rücken des Papstes, während das vatikanische Presseamt verlauten ließ, der Papst und seine Mitarbeiter handelten in vollem Einklang und die Aussagen von Kardinal Zen seien „bedauerlich“. Joseph Huang Binzhang, der 51-jährige Bischof, dem Zhuan Platz machen soll, ist bisher noch exkommuniziert. Priester seit 1991, Abgeordneter des Nationalen Volkskongress seit 1998, zweiter Vorsitzender der Patriotischen Vereinigung. Huang wurde von Papst Benedikt als Bischofskandidat abgelehnt und erhielt die ausdrückliche Anweisung, sich nicht zur Weihe anzubieten. Dass er sich 2011 dennoch ohne päpstliches Mandat weihen ließ, war nicht nur für die Diözese traumatisch.

Vor seiner illegitimen Weihe tauchte wie üblich eine Großzahl der Priester der Diözese ab. Einige wurden von Sicherheitsbeamten aufgegriffen und gezwungen teilzunehmen. Bischöfe aus anderen Bistümern wurden gegen ihren ausdrücklichen Willen mit Polizeieskorten angeliefert. Nur Bischof Paul Pei Junming aus Shenyang konnte sich retten. Nach einer Abstimmung unter dem Klerus seiner Diözese schützte ihn eine menschliche Mauer von Priestern und Gläubigen in der Kathedrale vor dem Zugriff der Sicherheitskräfte. Seine Treue in der Verkündigung der Lehre der Kirche und die ehrfürchtige Feier der Sakramente machten Peter Zhuang zum respektierten Bischof. Nun soll er seine ganze persönliche Autorität dazu einsetzen, der ihm anvertrauten Herde einen fragwürdigen Hirten zu verkaufen. Am unerklärlichsten an der ganzen Sache bleibt indes, warum Joseph Huang, wenn er als würdiger Nachfolger gelten soll, nicht schon längst mit Rom versöhnt ist.

Wie soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass die römische Kommission die politische Situation der sakramentalen als zweitrangig unterordnet? Was ist die eigentliche Absicht: Chinas Katholiken gute Hirten und Zugang zu den Sakramenten zu geben oder sie so umzuerziehen, dass sie das Fehlen nicht mehr als schmerzlich empfinden? Die Situation des zweiten vom Vatikan vorgeschlagenen Bischofstausches ist extremer. Bischof Vincent Zhan Silu gehört ebenfalls zu den letzten exkommunizierten Bischöfen. Seine Weihe diente keinem pastoralen Zweck, sondern fand im Jahr 2000 als ausdrückliche Geste der Herausforderung gegenüber Johannes Paul II. statt. Zhan verwaltete jahrelang lediglich sein von der Regierung bereitgestelltes Büro und zelebrierte gelegentlich Messen, denen außer Verwandten nur Beamte der Patriotischen Vereinigung beiwohnten. 2006 deklarierte er sich in einer Zeremonie der Selbstinstallation zum Diözesanbischof von Funing.

Die Diözese besteht zu neunzig Prozent aus Untergrundkatholiken und hatte bereits einen rechtmäßigen Bischof, der von der Regierung allerdings nicht anerkannt wurde. Um die Nachfolge in der Diözese zu regeln, bestimmte Papst Benedikt 2008 die Weihe von Vincent Guo Xijin zum Koadjutor der Diözese, obwohl die Regierung nicht zustimmte. Guo übernahm nach dem Tod des Ortsbischofs 2016 dann auch die Diözesanleitung, wurde aber jährlich vor der Karwoche von Sicherheitsbeamten abgeholt und für Wochen von der Kathedrale ferngehalten, um zu verhindern, dass er als Ortsbischof in Gemeinschaft mit seinen Priestern die Chrisammesse zelebrieren und die heiligen Öle für Taufe, Firmung und Krankensalbung weihen kann. Das sollte jeweils Zhan die Möglichkeit geben, als Bischof aufzutreten und eine exkommunizierte Hand im sakramentalen Spiel zu behalten, was ohne die Teilnahme von Klerus und Gläubigen aber nie so recht überzeugte.

Rom forderte nun von Vincent Guo Xijin, genau diesem illegitimen, exkommunizierten und bisher erfolglosen Usurpator freiwillig die Leitung der Diözese zu übertragen. Bischof Guo ließ wissen, er werde dem Papst gehorchen, doch wer hier profitieren solle, schien auch er nicht zu verstehen.

Während die Weltöffentlichkeit durch Zens Einspruch auf die Situation aufmerksam geworden war, wurde Guo wieder pünktlich zur Karwoche abtransportiert. Diesmal erfolgte die Entlassung nach einem Anruf aus Rom zwar bereits am nächsten Tag, doch ohne Effekt auf Guos Sakramentenverständnis. Er werde die Chrisammesse nicht mit Zhan konzelebrieren, schließlich sei dieser noch exkommuniziert.

Zwei der am wenigsten akzeptierten Bischöfe Chinas sind also augenblicklich der Preis, aber für was?

Ein Abkommen, das den Katholiken Chinas im Sonderangebot eine endlose Zufuhr kompromittierter Hirten verspricht, hätte bisher jeder Papst haben können. Was wäre passiert, wenn die Sache durch Kardinal Zens Intervention nicht aufgekommen wäre? Wäre deutlich geworden, dass diese Männer im Gehorsam handelten, oder hätten in der Darstellung des vatikanischen Pressebüros zwei Bischöfe einen versöhnlichen Schritt getan, weil sie erkannten, dass es ein pharisäischer Denkfehler ist, nicht zu kollaborieren? So wie es 2016 ganz unerwartet, nach fünf Jahren Hausarrest, der junge Bischof Ma aus Shanghai tat.

Wurde auf ihn etwa auch von Rom aus Druck ausgeübt? Die Priester und Bischöfe der Untergrundkirche als selbstgerecht und rigide darzustellen, weil ihre oberste Priorität nicht der Dienst an ihren Gläubigen sei, war von Anfang an Strategie der Patriotischen Assoziation.

Die Prinzipien einer selbst bestimmten und radikal unabhängigen Kirche Chinas, auf denen die Patriotische Vereinigung aufbaut, wurden von Papst Benedikt hingegen als mit der katholischen Lehre „nicht kompatibel“ bezeichnet. Ein Beitritt bei der Vereinigung besteht allerdings zunächst nur in einer Unterschrift, die nicht garantiert, dass der Beigetretene den mit der katholischen Kirche inkompatiblen Prinzipien entsprechend handeln wird. Was genau eine Mitgliedschaft konkret erfordert, unterscheidet sich zudem von Ort zu Ort.

Illegitime Weihen hingegen ziehen immer und überall die automatische Exkommunikation nach sich und werden auch von Gläubigen der offenen Kirche als blasphemisch empfunden. Im Vatikan konkurrierten ebenfalls zwei Denkrichtungen in Sachen Kollaboration, wie das Debakel um die irreführende offizielle Übersetzung des Briefs von Papst Benedikt an die Katholiken Chinas zeigte. In der chinesischen Version entstand der Eindruck, eine Mitgliedschaft bei der Patriotischen Vereinigung sei nicht nur möglich, sondern auch Anzeichen wahren pastoralen Eifers, während das Original das Gegenteil sagte. Auch damals war es Kardinal Zen, der Alarm schlug. Papst Benedikt berief daraufhin den Hongkonger Theologen Xavier Hon auf die höchste Stelle innerhalb der Kurie, die je von einem Chinesen eingenommen wurde. Er war wie Zen der Überzeugung, dass es durchaus noch gute Gründe für eine Untergrundkirche gibt. Seine jahrelange Erfahrung als Professor in offiziellen Seminaren auf dem Festland Chinas qualifizierte Hon als Kenner, vor allem auch der offenen Kirche Chinas.

Ein Kurswechsel und Rückkehr zur verhandlungsoptimistischen Kompromissbereitschaft des alten China-Teams war spätestens dann zu vermuten, als Papst Franziskus Erzbischof Hon als Nuntius nach Griechenland versetzte. Dass für China neue Zeiten anbrechen, scheint außer Zweifel. Präsident Xi Jinping hat das politische System autoritärer gemacht und bündelt immer mehr Macht in der eigenen Hand. Es fehlte ihm nur noch eine unbegrenzte Amtszeit, um über China als „Kaiser auf Lebenszeit“ zu herrschen.

Jetzt ist auch das eingetreten. Während der Vatikan verhandelte und der argentinische Kurienbischof Sanchez Sorondo China dafür lobte, die Soziallehre der Kirche weltweit „am besten“ umzusetzen, wurden dort bis zu einer Million uighurische Muslime willkürlich zeitweilig verhaftet.

Peking befürchtet die Infiltration von Extremisten aus Afghanistan und Pakistan. Seit April 2017 werden Muslime, die „starker religiöser Überzeugungen“ verdächtig sind, wie damals die Anhänger von Falung Gong, in psychiatrischen Anstalten gefoltert und in Umerziehungslagern festgehalten. Gleichzeitig scheint das Wachstum der katholischen Kirche zum ersten Mal seit der Kulturrevolution bei elf Millionen zu stagnieren oder eher sogar wieder zu fallen, während die Protestanten Zuwachs haben, und das nicht, weil sie besser kollaborieren. Mindestens zwei Drittel der über sechzig Millionen Protestanten sind nicht registriert, im Jahr 2016 allein wurden 1700 Hauskirchenleiter verhaftet. Während Rom im Dezember 2017 noch schnell versuchte, einen „freiwilligen Rücktritt“ der Untergrundbischöfe zu orchestrieren, und ein Abkommen vor Ostern anpeilte, war den chinesischen Verhandlungspartnern längst klar, welche Restriktionen die Katholiken unter den am 1. Februar in Kraft getretenen neuen „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ erwarten würden.

Abkommen gab es im März keines, aber der Mann, der für Tausende von Kreuzentfernungen und den Abriss zahlreicher Kirchen im Jahr 2014 verantwortlich war, wurde in den innersten Zirkel des Präsidenten Xi Jinping befördert. Andere eifern ihm bereits nach.

In drei weiteren sehr katholischen Provinzen werden nun auch Kreuze abmontiert, nicht nur an Untergrundkirchen, sondern auch an offiziell registrierten. Bibeln dürfen chinaweit nicht mehr online verkauft werden und entsprechend den neuen Vorschriften dürfen Minderjährige nicht in Religion unterrichtet werden oder Kirchen betreten. Schilder mit der Direktive „Kein Zutritt für Minderjährige“ wurden bereits an vielen Kirchen angebracht.

In Zhengzhou wurde die Feier des Ostergottesdienstes durch eine Polizeirazzia unterbrochen, in der alle Minderjährigen gezwungen wurden, die Kirche zu verlassen. Dabei scheint es sich nicht um Experimente oder Lokalphänomene zu handeln, denn in allen drei Provinzen wird konsequent und koordiniert vorgegangen. In der Provinz Jiangxi wurden Katholiken informiert, sie hätten in ihren Wohnungen alle Bilder von Jesus durch das Porträt des Präsidenten Xi Jinping zu ersetzten, oder sie würden keine Sozialhilfe mehr erhalten. Auch die vermeintliche Rechtssicherheit einer Registrierung bei der Patriotischen Vereinigung erweist sich nun angesichts willkürlicher und prinzipiell verfassungswidriger Aktionen als nutzlos.

Sollte die Hoffnung auf ein Abkommen mit dem Vatikan sicherstellen, dass der medienwirksamste Papst aller Zeiten zu den Menschenrechtsverletzungen in China weiterhin konsequent schweigen würde?

Außer Zweifel steht, dass die Katholiken Chinas in diese neue Phase der Repression geschwächt eintreten, mit vierzig vakanten Bischofssitzen und zahlreichen Kompromissbischöfen, deren Loyalität sich erst erweisen muss. Mitte April erreichte der Bildersturm einen neuen Gipfel, als ein Bulldozer das Grab des verehrten Untergrundbischofs Peter Li Hongye zerstörte.

Bischof Li hatte nach Gefängnis, Arbeitslagern und Hausarrest bis ins hohe Alter seinen Gläubigen in extremer Armut bis zum letzten Atemzug gedient. Eine bessere Hommage an Bischof Li als ein zerstörtes Grab hätte sich dabei auch kein ins Exil verbannter Aktionskünstler Chinas ausdenken können, denn der beliebte Bischof war 91-jährig während der Feier der Osternacht gestorben, nachdem er über dem Taufwasser die Worte der Weihe gesprochen hatte: „…damit alle, die durch die Taufe mit Christus begraben sind in seinen Tod, mit ihm zum Leben auferstehen“.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung für CNA Deutsch von Vatican Magazin. (CNA Deutsch)