Kardinal zu werden war „ganz außerhalb meines Erwartens und meines Denkens": Das sagte der deutsche Erzbischof Karl-Josef Rauber, ein früherer Vatikandiplomat, am Mittwoch in Rom. Als er erfahren habe, dass Papst Franziskus ihn in das Kardinalskollegium aufnehmen wolle, habe er das zunächst gar nicht glauben wollen. Bis heute fragt sich der 80-Jährige, wie Franziskus überhaupt auf ihn gekommen ist. An diesem Samstag ist er der einzige Deutsche unter den Bischöfen, die der Papst bei einem Konsistorium zu Kardinälen macht. „Das war an sich so nicht geplant in meinem Leben – aber der liebe Gott hat es anders gefügt, und der Heilige Vater hat es aufgegriffen, was der liebe Gott verfügt hat, wahrscheinlich…"
Bischof Rauber ist dem Papst erst einmal begegnet: Im Mai 2014 hat er mit ihm in der Casa Santa Marta konzelebriert, danach wechselten sie ein paar Worte. Der 1934 in Nürnberg geborene Rauber ist seit 1959 Priester des Bistums Mainz; 1962 kam er zum Studium des Kirchenrechts nach Rom, wurde parallel zum Vatikandiplomaten ausgebildet – und erlebte das Zweite Vatikanische Konzil mit. „Eine interessante Zeit", wie er sagt. „Es war ein Moment des Aufbruchs, so wie das ja Johannes XXIII. bei der Konzilseröffnung gesagt hat. Aber schon als Kaplan in Oberhessen, das ja zum großen Teil protestantisch ist, haben die Leute bei der Ankündigung des Konzils gesagt: ‚Jetzt werden wir alle katholisch!’ Das war also wirklich eine ganz eigenartige Stimmung des Aufbruches." Eine Stimmung, die allerdings nach dem Ende des Konzils nicht mehr lange gehalten hat: „Wissen Sie, die Dinge verflüchtigen sich leider. Und es ist auch so, dass man immer von dem Geist des Konzils gesprochen hat, aber nicht von dem Buchstaben des Konzils. Das war es, was die Leute vielleicht in ganz andere Richtungen denken ließ." Diesen ‚Buchstaben des Konzils’ gelte es heute wiederzuentdecken.
Manchmal sind die Kongregationen sehr wehleidig…
1966 kam Rauber in das vatikanische Staatssekretariat – zunächst in die deutsche Abteilung, später zehn Jahre lang als einer der Sekretäre des damaligen Substituten Erzbischof Giovanni Benelli (später als Bischof von Florenz Kardinal). Die Rolle des Staatssekretariats oder Päpstlichen Sekretariats sieht er, darin dem seligen Paul VI. folgend, als die eines „Moderator Curiae", eines Koordinators der einzelnen Vatikanbehörden. Ob die Rolle des Staatssekretariats am Ende des Pontifikats von St. Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. zu dominant geworden ist, wie Kritiker sagen, kann Erzbischof Rauber nach eigenen Angaben nicht beurteilen. „Es kann sein, dass da vielleicht manche Überschreitungen… Manchmal sind die Kongregationen sehr wehleidig; da kann es schon sein, dass man etwas darunter gelitten hat, dass da vielleicht über die Kongregationen (hinweg) verfügt worden ist usw., das kann ich nicht beurteilen, weil ich das aus der Ferne nicht sehen konnte. Aber an sich empfinde ich schon, dass das Staatssekretariat eine wichtige Rolle spielen muss."
Von 1982 bis 1990 vertrat Rauber, der darum 1983 in Rom auch die Bischofsweihe erhielt, den Heiligen Stuhl als Nuntius in Uganda. Es war, wie er heute rückblickend sagt, seine „schönste Zeit". „Die Tätigkeit des Nuntius war auch eine missionarische Tätigkeit. Ich habe häufig die Diözesen besucht und dort die einzelnen Pfarreien, die Seminare, Ordensleute usw. Mir hat es dort sehr gut gefallen!" Dabei hat der Vatikandiplomat dort auch die blutige Gewaltherrschaft von Idi Amin erlebt. Damals habe er sich bemüht, Missionaren beizustehen, sagt Rauber: „Ich habe sie manchmal rausgeholt, weil sie sich vor den Soldaten verbarrikadiert hatten, und ihnen doch Mut gemacht, in der Seelsorge tätig zu sein!"
Man darf nicht nur Bürokrat sein
1990 ernannte ihn der heilige Johannes Paul II. dann zum Präsidenten der Päpstlichen Diplomatenakademie, wo Rauber darauf achtete, dass die ‚Alumni’ auch gute Seelsorger wurden. „Ich habe darauf Wert gelegt, dass nur solche in die Akademie aufgenommen werden, die auch schon seelsorgliche Erfahrung hatten, und dass während der Zeit in der Akademie auch seelsorgliche Anliegen wahrgenommen werden. Ich habe ihnen auch die Möglichkeit gegeben, etwa am Wochenende in einer Pfarrei tätig zu sein – das war mir ein wichtiges Anliegen, denn ich habe in Uganda selbst erlebt, dass man auch selbst Seelsorger sein muss. Man darf da also nicht Bürokrat sein, sonst hat man seine Aufgabe verfehlt."
Von 1993 an bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2009 arbeitete Erzbischof Rauber dann erneut als Nuntius in verschiedenen europäischen Ländern, zunächst (zwischen 1993 und 1997) in der Schweiz. Während des Streits um den damaligen Churer Bischof Wolfgang Haas habe er „von acht Uhr früh bis spätabends, manchmal bis Mitternacht, die kritischen Stimmen angehört und zu einer Vorlage für den Heiligen Vater verarbeitet". Noch heute bedauert Rauber, dass alle Bemühungen um einen Frieden im Bistum damals gescheitert seien. „Der Bischof war doch so, dass er immer nur gespalten hat, nicht zusammengeführt. Einmal habe ich den Bischof mit den Weihbischöfen zusammen eingeladen, und da sind die Weihbischöfe aufgestanden und haben gesagt: ‚Wolfgang, du musst gehen! Sonst gibt es keinen Frieden in der Diözese." Auch im Priesterrat habe er eine ähnliche Szene erlebt. Was ihm damals durch den Kopf gegangen sei? „Heilen. Die Wunden heilen – das denkt man vor allem. Und wenn es nicht geht, dann muss der Bischof halt zurücktreten bzw. versetzt werden."
In Rom wird die Schweizer Kirche nicht immer verstanden…
Seine Zeit als Nuntius in der Schweiz sei „schon herausfordernd" gewesen. Aber der künftige Kardinal meint: „Man muss die Schweizer verstehen! Sie sind demokratisch durch und durch, und dann sehen die das in der Kirche genauso. In Rom wird das nicht immer verstanden, weil es kein Land gibt, das damit vergleichbar wäre – aber man muss die Schweizer verstehen." Die Kirche vor allem in der deutschsprachigen Schweiz habe eine „Struktur, die durchaus möglich ist in der Kirche": „Wieso soll man das alles von den Geistlichen her regeln? Man könnte das auch durchaus von Laien her regeln, zumal die ganzen Vermögensfragen… auf Diözesan- wie auf Pfarrebene."
Heute arbeitet Erzbischof Rauber noch als Seelsorger in einem Schönstatt-Zentrum im Bistum Rottenburg Stuttgart; manchmal führt er auch im Bistum noch Firmungen durch. Rauber glaubt nicht, dass sich sein Leben durch die Kardinalswürde noch groß ändern wird: „Der rote Hut ist halt rot, und früher war er violett – aber die Person ändert sich nicht! Der Kopf darunter ändert sich nicht!" (rv)
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