Es ist der einzige Anlass im ganzen Jahr, bei dem die Petrusstatue im Petersdom rechts an der Vierungssäule eine päpstliche Tiara trägt: ein Konsistorium, bei dem der Papst neue Kardinäle kreiert. Zu diesem Anlass war – wie bereits im vergangenen Jahr – auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. in die Petersbasilika gekommen und hatte sich unter die Kardinäle gesetzt. Er hatte in seinem Pontifikat begonnen, die Zeremonie schlichter zu machen, um ihren Charakter stärker zu betonen: eine Ernennung zu einem Dienst.
Ganz in diesem Sinn sprach auch Papst Franziskus in seiner Predigt über das Amt, dass er zwanzig Männern übertrug: Es nichts „Dekoratives", keine „Auszeichnung". Sie seien nun inkardiniert – wie der Fachbegriff lautet – in die Kirche Roms, sie gehörten nun zum Klerus des Bistums Rom, welches „der Liebesgemeinschaft" der Kirche vorstehe, so zitierte der Papst das Konzilsdokument Lumen Gentium. „In der Kirche hat jeder Vorsitz seinen Ursprung in der Liebe, muss in Liebe ausgeübt werden und hat als Ziel die Liebe."
Und damit war er bei dem Thema angelangt, um das seine meditativen Gedanken kreisten, der Liebe oder, präziser gesagt, dem „Hohelied der Liebe" genannten Teil aus dem Ersten Korintherbrief. Die Worte des Paulus könnten ein Schlüsselwort sein, so der Papst, es täte allen gut, sich von ihnen leiten zu lassen.
„Vor allem sagt der heilige Paulus uns, dass die Liebe langmütig und gütig ist. (..) Langmut ist in einem gewissen Sinn ein Synonym von Katholizität: Sie ist die Fähigkeit, grenzenlos zu lieben, aber zugleich treu und mit konkreten Handlungen auf die jeweiligen Situationen einzugehen. Das Große zu lieben, ohne das Kleine zu vernachlässigen; die kleinen Dinge in der Sichtweite der großen lieben, denn ‚non coerceri a maximo, conteneri tamen a minimo divinum est – nicht eingegrenzt sein vom Größten und dennoch umschlossen sein vom Kleinsten, das ist göttlich‘."
Mit diesem Zitat des Dichters Friedrich Hölderlin, der sich wiederum auf die Grabinschrift des heiligen Ignatius von Loyola bezog, leitete der Papst über zum nächsten Gedanken des Paulus über die Liebe: Sie ist gütig. Damit sei die „feste und ständige Absicht" gemeint, immer das Gute zu wollen, auch für diejenigen, die einem nicht wohl gesonnen seien.
„Der Apostel sagt dann: Die Liebe ist nicht neidisch, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Das ist wirklich ein Wunder der Liebe, denn wir Menschen – alle und in jedem Lebensalter – neigen aufgrund unserer von der Sünde verletzten Natur zu Neid und Hochmut. Und auch die kirchlichen Würdenträger sind gegen diese Versuchung nicht immun."
Die Liebe handle außerdem nichts rücksichtslos, sie suche nicht ihren Vorteil, zitierte Papst Franziskus noch einmal die Worte der Lesung. „Diese beiden Merkmale zeigen, dass derjenige, der in der Liebe lebt, nicht sich selbst als Mittelpunkt betrachtet. Wer sich nur um sich selber dreht, der handelt zwangsläufig rücksichtslos. (..) Wer sich selbst als Mittelpunkt betrachtet, sucht unvermeidlich den eigenen Vorteil, und das scheint ihm normal, fast eine Pflicht."
Die Liebe, sage Paulus weiter, lasst sich nicht zum Zorn reizen und trage das Böse nicht nach. „Dem Hirten, der im Kontakt mit den Leuten lebt, fehlt es nicht an Gelegenheiten, zornig zu werden. Und vielleicht sind wir noch mehr in Gefahr, in den Beziehungen unter uns Mitbrüdern in Zorn zu geraten, denn wir sind in der Tat weniger entschuldbar. Auch darin ist es die Liebe – und sie allein –, die uns befreit. Sie befreit uns von der Gefahr, impulsiv zu reagieren, unangebracht zu reden und zu handeln; und vor allem befreit sie uns von der tödlichen Gefahr des unterdrückten, im Innern genährten Zorns, der dich dazu bringt, das Böse, das du erlitten hast, nachzutragen." Das sei für einen Mann der Kirche unannehmbar, so der Papst. „Gott bewahre uns davor und befreie uns!"
Die Liebe freue sich auch an der Wahrheit, fuhr der Papst mit seiner Meditation fort. Wer in der Kirche in den Dienst des Leitens gerufen sei, brauche einen „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn". „Und zugleich freut sich die Liebe an der Wahrheit – was für eine schöne Aussage! Der Mann Gottes ist einer, der von der Wahrheit fasziniert ist und der sie vollends im Wort Gottes und im Leib Jesu Christi findet."
Abschließend heiße es von der Liebe, dass sie alles verzeihe, alles glaube, alles hoffe und alles ertrage: „Hier haben wir in vier Worten ein geistliches und pastorales Lebensprogramm. Die Liebe Christi, die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen eingegossen ist, ermöglicht uns, so zu leben, so zu sein: Menschen, die fähig sind, immer zu verzeihen; die fähig sind, immer vertrauensvoll zu glauben, weil sie erfüllt sind vom Glauben an Gott; die fähig sind, immer Hoffnung zu verbreiten, weil sie voller Hoffnung auf Gott sind; Menschen, die jede Situation und jeden Bruder oder jede Schwester geduldig ertragen, in der Verbindung mit Jesus, der in Liebe die Last all unserer Sünden ertragen hat."
Das alles komme von Gott, schloss der Papst seine Gedanken, nicht aus dem Einzelnen. Zur Kirche von Rom gehören bedeute auch, lernbereit zu sein, „lernbereiter (..) gegenüber dem Heiligen Geist", damit die Liebe allem, was sie täten, Gestalt und Sinn verleihen könne. „Inkardiniert in der Kirche, die in der Liebe den Vorsitz hat, und lernbereit gegenüber dem Heiligen Geist, der die Liebe Gottes in unsere Herzen gießt." (rv)
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