„Missbrauchsprävention“ – was seit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in unseren Breiten in den vergangenen Jahren zum geflügelten Wort wurde, ist in vielen Staaten Asiens und Afrikas leider immer noch ein Fremdwort. Das will das Zentrum für Kinderschutz der Päpstlichen Universität Gregoriana ändern. Diese Woche Mittwoch stellt die akademische Institution ein weiteres Ausbildungsprojekt zur Vorbeugung von sexuellem Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche vor.
Pater Hans Zollner, Leiter des päpstlichen Kinderschutzzentrums an der Gregoriana, erzählt im Interview mit Radio Vatikan, worum es sich handelt: „Was wir jetzt tun und was ab morgen online sein wird, ist das Programm für einen Diplomkurs, einen einsemestrigen Diplomkurs auf Englisch, den wir ab 2016 hier an der Gregoriana durchführen werden für künftige Präventionsbeauftragte in Diözesen, Ordensgemeinschaften oder katholischen Institutionen weltweit.“
15 bis 18 Ausbildungsplätze sollen pro Sommersemester jeweils vergeben werden, so Zollner. Dabei seien Teilnehmer aus solchen Teilen der Welt vorgesehen, in denen es bisher kaum oder gar keine Maßnahmen zur Missbrauchsprävention im kirchlichen Bereich gebe: „Wir haben jetzt schon die Zusicherung, dass eine bestimmte Anzahl, vielleicht ein Drittel aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aus Afrika kommen werden, weil die auch eine spezielle Förderung erhalten werden.“
„Was ja gerade auch unser Ziel ist: Dass wir in jenen Ländern, in denen solche Worte wie ,Präventionsbeauftragter einer Diözese‘ praktisch unbekannt sind, hineinwirken und nicht nur Bewusstsein schaffen können, sondern auch Leute ausbilden, die dann dort in diesem Bereich Verantwortung übernehmen.“ Nachholbedarf gebe es etwa in mehreren Staaten Westafrikas, berichtet Zollner. So hätten fünf frankophone Bischofskonferenzen dieser Region die vom Heiligen Stuhl angeforderten Leitlinien zur Prävention gegen Kindesmissbrauch immer noch nicht eingereicht.
Pater Zollner ist über den Stand der einzelnen Ortskirchen in der Frage gut informiert. Laut dem Psychologen hat die Aufmerksamkeit von Papst Benedikt XVI. für das Thema und die Einrichtung der internationalen Kinderschutzkommission durch Papst Franziskus die Diskussion über Kindesmissbrauch „weltweit enorm beschleunigt“ und „die Aufmerksamkeit kirchlicher Verantwortungsträger geschärft“. So sehe man heute insgesamt in einigen Ländern, „wo es bisher noch gar nichts gab“, klare Fortschritte im Kampf gegen Missbrauch:
„Zum einen in der Art und Weise, wie innerhalb der Kirche und über die Kirche hinaus über das Thema in der Öffentlichkeit gesprochen wird, andererseits auch wie einige Präventionsmaßnahmen schon durchgeführt werden. Ich denke an Länder wie Polen oder Indien, wo dieses Thema bis vor kurzem praktisch nicht präsent war, weder in der Gesellschaft als Ganzer noch innerhalb der Kirche, und wo mindestens erste Schritte geschehen sind. Schritte, die auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können von Leuten, die sich mit dem Thema eigentlich nicht auseinandersetzen wollen.“
Insgesamt sei klar geworden, dass „bei den höheren Kirchenoberen in großer Mehrzahl eine Sensibilität für das Thema gewachsen“ sei und der Wille bestehe, entsprechend zu handeln, resümiert Pater Zollner, der auch der Päpstlichen Kinderschutzkommission angehört und innerhalb dieses Gremiums die Arbeitsgruppe Ausbildung leitet.
Weiteres Projekt des Kinderschutzzentrums ist eine internetbasierte Lernplattform, die kirchlichen Mitarbeitern weltweit Wissen zur Prävention vermitteln und sie für den Umgang mit Fällen sexuellen Kindermissbrauchs qualifizieren soll. Nach einer Testphase soll die Plattform mehrsprachig online verfügbar sein. Auf der Blog http://ccpblog.unigre.it hingegen können alle Infos rund um die Projekte des Kinderschutzzentrums eingesehen werden.
Vertuschung von Missbrauchsfällen: Kinderschutzkommission fordert Sanktionen
Pater Zollner gehört auch der Päpstlichen Kinderschutzkommission an, in der er die Arbeitsgruppe Ausbildung leitet. Die Statuten der vor gut einem Jahr eingerichteten Kommission hatte der Heilige Stuhl in der vergangenen Woche veröffentlicht. Einer der aktuellen Vorschläge des Beratergremiums sei die Verschärfung der kirchlichen Normen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht kirchlicher Verantwortungsträger, berichtet Zollner im Interview mit Radio Vatikan.
Die Rechtsnormen der katholischen Kirche sehen vor, dass ein Bischof Rom informiert, wenn sich in seinem Zuständigkeitsbereich ein Missbrauchsverdacht erhärtet. Wenn er seiner Pflicht nicht nachkommt, sind bisher – abgesehen von einem möglichen Durchgreifen des Papstes – keine Sanktionen vorgesehen. In Zollners Augen ist das ein großes Manko: „Es kann nicht angehen, dass ein Bischof vertuscht, verschweigt oder zum Beispiel auch den Priester von einer Diözese in die andere schickt oder von einer Pfarrei in die andere, um das Verbrechen nicht zu ahnden. (…) Wir wollen konkrete Sanktionen haben, so dass ein Bischof auch weiß, was ihm droht, wenn er sich nicht an das Kirchenrecht hält!“ Hier müssten Verfehlungen klarer benannt, Strafmöglichkeiten ermöglicht und der Rechtsweg definiert werden, so P. Zollner.
Die Frage der „bishops accountability“, der bischöflichen Mitverantwortung, hatte der Präsident der Kinderschutzkommission, Kardinal Sean Patrick O’Malley , zuletzt in die Diskussion der Kardinäle über die Kurienreform eingebracht. Eine Prognose, ob und wann es dazu konkrete Entscheidungen geben wird, kann Zollner im Gespräch mit Radio Vatikan nicht machen. Er ortet unter den Kardinälen jedoch „Offenheit“ gegenüber dem Thema.
Nach der Zusammenarbeit der Kinderschutzkommission mit der römischen Kurie befragt, unterstreicht der Jesuit, dass die Kommission zwar mit der Glaubenskongregation zusammenarbeiten, aber keine Kompetenzen der Kongregation übernehmen werde. Die Glaubenskongregation ist im Vatikan mit der juristische Aufarbeitung von Missbrauchsfällen entsprechend dem Kirchenrecht betraut. „Wir arbeiten im gewissen Sinne nicht enger mit der Glaubenskongregation als mit den anderen Dikasterien oder dem Staatssekretariat zusammen. Unsere Aufgabe ist es ja, dass wir dem Papst selbst direkt Vorschläge unterbreiten und ihm selber Ratschläge geben – ihn sozusagen auch auffordern, dass er aktiv wird über die verschiedenen Dikasterien des Heiligen Stuhls.“
Darunter seien neben der Glaubenskongregation auch die Bischofskongregation, die Kleruskongregation und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker: „Weil dort darauf geachtet werden muss: Wie wird geschaut, welche Kandidaten fürs Bischofsamt ausgewählt werden? Und zweitens: Wie werden die Kandidaten für Priester- und Ordensberufe ausgebildet, sowohl in der anfänglichen Ausbildung als auch in der Fortbildung nach der Priesterweihe oder den letzten Gelübden.“
Zollner berichtet im Interview weiter, dass der Papst in der Glaubenskongregation eine eigene „Appellkommission“ eingerichtet habe. Sie behandelt die Fälle von Priestern, die in einer ersten Instanz aus dem Priesterstand entlassen wurden, den Entscheid aber anzweifeln und sich mit einem Appell an die Kongregation wenden können: „Und um diese Verfahren zu beschleunigen, hat der Papst eine Kommission eingerichtet, die diese Fälle schneller behandeln soll und so zu mehr Rechtssicherheit führen kann“, so Zollner. (rv)
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