Die Kirche der deutschsprachigen Katholiken Roms hat als erste nicht-maronitische Kirche eine Reliquie des libanesischen Heiligen Charbel Markhlouf erhalten. Bei einer Feier am Freitagabend hat in der Kirche Santa Maria dell´Anima überreichte das Oberhaupt der Maroniten Kardinal Bechara Boutros Rai – er ist auch Patriarch von Antiochien – anlässlich einer Liturgiefeier im maronitischen Ritus die Reliquien. Es war ein einmaliges Ereignis. Am Samstag traf Patriarch Rai zudem Papst Franziskus, um über die politische Situation im Libanon zu sprechen. Radio Vatikan hat das Oberhaupt der Maroniten im Vorfeld interviewt. Dabei sprach der Patriarch auch von falsch verstandener Solidarität für Flüchtlinge in Europa.
„Wir sind den Christen im Westen sehr dankbar für ihre Menschlichkeit und Solidarität. Aber uns hilft es nicht, den Christen im Orient zu sagen: Kommt her, ihr seid herzlich Willkommen. Wir können den Nahen Osten nicht von der Kirche entleeren. Christen sind nicht einfach Individuen zum Herumverteilen. Es ist die Kirche Christi, die Wiege der Christenheit im Orient. Wir können nicht die Wurzeln des Christentums ausreißen.“ Patriarch Rai fügte an, dass der Westen und die Christen allgemein jeden Tag einen lautstarken Appell machen müssten: „Schluss mit Krieg in Syrien, Irak, Jemen und in Palästina! Und Friedenslösungen finden. Wie Papst Franziskus gesagt hat: Schluss mit dem Waffenhandel! Schluss mit wirtschaftlichen, geostrategischen, politischen Interessen auf dem Rücken von Millionen von Menschen, die aus ihren Ländern vertrieben werden. Also muss der christliche Westen den Christen helfen, in ihren Ländern zu bleiben, anstatt ihnen zu sagen: Kommt her. Ich weiß, das ist hart. Aber das ist wahre Solidarität. Ihnen vor Ort zu helfen, würdevoll zu leben, Arbeit zu bekommen, und auszuharren, bis dieser Sturm vorüber ist. Das wünsche ich diesen Menschen. Und so werde ich das auch dem Papst sagen.“
Patriarch Rai ging am Samstagvormittag beim Papst in Audienz, um mit ihm über die Entwicklungen bei der Besetzung des Staatspräsidentenamtes in seiner Heimat zu besprechen. Und über die Friedensbemühungen im Nahen Osten.
Zur Feier am Freitagabend in der Anima: Der Heilige Charbel Makhlouf war ein maronitischer Mönch des 19. Jahrhunderts, den Papst Paul VI. erst selig- und schließlich 1977 heiligsprach. Charbel führte in einer Einsiedelei des Klosters Annaya ein asketisch strenges Büßerleben und wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. Die Knochenreliquie von ihm ist ein Geschenk des Kollegs Mar Abda des Maronitenordens der Heiligen Jungfrau Maria im Libanon. Sie erhielt ihren Platz in einem der Altare der Kirche, an dem zugleich ein permanentes „Friedenslicht für den Libanon und den Nahen Osten“ entzündet wurde. Kardinal Bechara Rai erklärte, wie die Anima in Rom zu dieser Ehre gekommen ist:
„Einige unserer Patres in Rom lernen deutsch und haben auch schon in der deutschsprachigen Gemeinde mitgeholfen. Daraus wurde eine Freundschaft und die Idee entstand, die Reliquien vom Heiligen Charbel auf einem Altar der Kirche aufzubewahren. Der Rektor des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell’Anima, Franz-Xaver Brandmayr, bat mich dann darum, dort zu diesem Anlass eine Messe zu feiern.“
Die Messe wurde in syrisch-aramäisch, der Sprache Jesu gehalten. Ebenso die Gesänge der maronitischen Geistlichen, deren orientalischer Klang zusammen mit dem Weihrauch eine mystische Stimmung erzeugte. Es ist eine große Ehre für die Gemeinde, denn der Heilige Charbel wird auf der ganzen Welt verehrt, wie Kardinal Bechara Rai erklärt:
„Der heilige Charbel ist ein Eremiten-Mönch, ein großer Mensch der Stille, des Gebets, des großen Heldentums. Er wurde von der Welt und seinen Lieben ganz getrennt. Selbst als seine Mutter einmal zum Kloster kam, wollte er sich ihr nicht zeigen und sagte: ‚Mutter, wir sehen uns im Himmel‘. Er ist ein Mann des großen Opfers, der sich so sehr Gott hingegeben hat. Wir wissen nicht, warum Gott ihn auf der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Egal wo auf der Welt Sie hingehen, gibt es eine Verehrung für den Heiligen Charbel – sei es in Afrika, Lateinamerika, Europa oder Ozeanien – überall. Wir fragen uns: warum bewirkt er überall Wunder, ist überall präsent? Menschen, die nicht einmal den Libanon kennen, kennen dafür den Heiligen Charbel.“
Die Wunder waren stets ziemlich ausgefallen, wie der Kardinal betont. An eines erinnern die Maroniten immer am 22. jedes Monats. Es geschah vor 23 Jahren. Eine Frau war komplett gelähmt und träumte eines Nachts von Charbel, der zu ihr sagte: Ich werde dich operieren. Sie antwortete: Aber nein, Pater, der Arzt hat gesagt, das sei nicht möglich. Als sie erwachte, merkte sie, dass sie blutete und eine Narbe hatte – sie war geheilt worden. Auf ein Wunder in der libanesischen Politik dürfte man auch hoffen – seit Mai 2014 gibt es keinen Präsidenten mehr, weil eine Patt-Situation zwischen zwei Kandidaten Wahlen blockierte. Einer der Kandidaten, der Samir Geagea von der sunnitisch geprägten Allianz des 14. März verzichtete am Montag vor einer Woche auf seine Kandidatur, zugunsten seines Gegenkandidaten und Erzfeinds, wie Bechara Rai sagt: Michel Aoun. Doch wer glaubt, dadurch sei die Ausganglage für eine baldige Präsidentenwahl besser, täuscht sich, so der Patriarch:
„Der Verzicht von Samir Geagea auf die Präsidentschaftskandidatur zugunsten seines Feindes Michel Aoun war eine Überraschung, die zugleich die Dinge komplizierter macht. Denn mit Michel Aoun und dem Kandidaten der maronitischen Marada-Partei, Suleiman Frangieh, sind beide Kandidaten Alliierte der Hisbollah. Die Versöhnung von Samir Gaegea und Michel Aoun hat der libanesischen Gesellschaft sehr geholfen, weil es eine sehr angespannte Situation war. Es stimmt, auch Michel Aoun hat eine starke Persönlichkeit, aber er kann nicht auf viele Stimmen hoffen. Jetzt kommt es auf die Hisbollah an, die einen Schritt vorangehen und sehen muss, wen der beiden sie aufstellt. Das wird nicht einfach. Jetzt müssen wir hören, was die einzelnen Fraktionen und Parteien sagen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Situation ist kritisch. Damit die Wahlen vorangehen, müssen wir jetzt Druck auf die Hisbollah und den Iran machen, der Verbündeter der Hisbollah ist.”
Da könnte es auch hilfreich sein, wenn der iranische Präsident Hassan Rohani am kommenden Dienstag Papst Franziskus besucht. (rv)
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