Unsere Kollegin Gudrun Sailer ist in Mexiko und beobachtet Papst Franziskus auf Schritt und Tritt. Wir wollten von ihr wissen: Wie schlägt sich der Papst?
„Franziskus ist in seinem Element, und das Land ist es auch im Moment des Papstbesuchs. Dabei spart der Papst nicht an klaren Worten, wie er es auch angekündigt hatte. Das ist keine Kuschelkirche, die sich mit den Gegebenheiten arrangiert, die der Papst da mit seinen Worten und Gesten fördern würde. Die Rede an den mexikanischen Episkopat war sehr deutlich: Setzt nicht auf die ‚Pferde und Streitwagen‘ der heutigen Pharaonen, sagte er den Bischöfen, das heißt: haltet euch nicht an die Machthaber, sondern an die Armen; er bat sie auch, transparent zu sein, die Missstände im Land wie Drogenkriminalität und Gewalt mutig, offen und konkret zu benennen und den Migranten zu helfen, denn Mexiko ist ein gewaltiges Durchzugsland der inneramerikanischen Migration, und nicht immer haben Priester, Bischöfe, Laien, Ordensleute für diese Ärmsten der Armen alles getan, was sie tun könnten. Manche Bischöfe haben diese Ansprache denn auch nicht sehr goutiert, war zu erfahren, was wohl zugleich heißt, der Papst hat ins Schwarze getroffen.“
Wie lief es für den Papst bei der Jungfrau von Guadalupe?
„Die „Morenita“ ist das religiöse Wahrzeichen nicht nur Mexikos, sondern ganz Lateinamerikas. Deshalb hat diese Papstreise mit dem Besuch an diesem größten katholischen Wallfahrtsort der Welt eigentlich erst richtig begonnen. Franziskus wirkte recht müde dort, aber es war ihm auch anzusehen, dass es für ihn persönlich ein großer Moment seines Pontifikates ist, allein für fast eine halbe Stunde vor diesem Gnadenbild beten und Kraft schöpfen zu können. Mit der Marienerscheinung von Guadalupe hat ja gewissermaßen das Christentum in Lateinamerika begonnen, dem Kontinent, der heute mit Abstand die meisten Christen aufweist. Und die Muttergottes von Guadalupe steht für das Zugehen auf die Indigenen und die Armen und Bedrängten. Seine Botschaft an die Gläubigen Mexikos von diesem nationalen Heiligtum aus hat der Papst genau kalibriert. Das war sehr schön: Wie klein und ungenügend und ungebildet auch immer ihr euch fühlen mögt, ihr seid gerufen, heute ein neues Heiligtum zu bauen, ein Heiligtum des Lebens, von dem niemand ausgeschlossen ist.“
Warum sollte der Papst unbedingt eine Messe im unbekannten Ecatepec feiern?
„Das ist einer der ärmsten Stadtteile im Riesen-Ballungsraum von Mexiko-Stadt und eine der größten Gemeinden in ganz Mexiko. Als der Papst da durchfuhr auf den frisch nachgezeichneten Straßen, im Papamobil, konnte man das nicht sehen, aber dort herrscht wirkliche Armut, einige Gegenden in Ecatepec haben nicht einmal Fließwasser. Wer immer kann, geht weg von da. Es ist kein Zufall, dass der Papst gerade dort die Mexikaner dazu aufgerufen hat, ein Mexiko zu errichten, aus dem keiner mehr aus Not und Verzweiflung weggehen muss. Wo keiner mehr ausgebeutet wird, wo keiner mehr Kinder beweinen muss, die im Drogenkrieg gestorben sind.“
Der Papst kann in Mexiko seine Muttersprache Spanisch sprechen. Merkt man das?
„Erstaunlicherweise ist er bisher – bis einschließlich dem Besuch im Kinderkrankenhaus – so gut wie gar nicht von den vorbereiteten Texten abgewichen. Das überrascht uns hier alle ein wenig. Vielleicht hängt es mit der Müdigkeit zusammen, die dem Papst momenteweise anzusehen ist. Aber man sieht dennoch, dass er in seinem Element ist. Jede Müdigkeit ist wie weggewischt, wenn er normale Leute sieht. Vor der Nuntiatur sind jedesmal Dutzende, wenn nicht hunderte Menschen, die auf ihn warten, das hat sich herumgesprochen, es kommen jedesmal mehr. Menschen mit Behinderung sind immer in der ersten Reihe, und die herzt und umarmt er mit Inbrunst und spricht mit ihnen. Da merkt man: Ja, das ist Spanisch zu Spanisch, Herz zu Herz.“ (rv)
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