Die größtmögliche Reichweite ist für Radio Vatikan nicht der oberste Maßstab. Das sagte der scheidende Generaldirektor des päpstlichen Senders, Pater Federico Lombardi. In einem langen Interview mit „seinem“ Sender äußerte sich der 73-jährige Jesuit über die derzeit laufende Reform der vatikanischen Medien. „Im Erbgut von Radio Vatikan und seiner Mission steckte – besonders in Zeiten der Totalitarismen, speziell im Kommunismus – und steckt bis heute der Dienst an den verfolgten Christen, an den Armen, den Minderheiten, mehr als der absolute Gehorsam gegenüber dem Befehl, die Hörerschaft zu maximieren.“ Die Größe der Hörerschaft müsse angemessen berücksichtigt werden, sei aber „nicht alles“. Er hoffe, so Lombardi, „dass das auch in Zukunft nicht vergessen wird im Nachdenken über die Entwicklung der vatikanischen Kommunikation“. Wie man die Armen wirklich berücksichtigt und die „Kultur der Aussonderung“ in der neuen Welt der Kommunikation bekämpft, sei „eine schöne Herausforderung“ für den Vatikan.
Die Reform der vatikanischen Medien setzte unter Papst Franziskus Schritt für Schritt ein. Damit beauftragt ist das vom Papst 2015 geschaffene Sekretariat für Kommunikation, das der italienische Priester Dario Edoardo Viganò leitet. Lombardi stellte sich hinter die Reform, die „mit Mut“ angegangen werden müsse sowie mit Wertschätzung für die neue Kultur und die neuen Technologien. Die vatikanischen Medien seien historisch betrachtet eines nach dem anderen und als getrennte Einheiten entstanden, jetzt sei die Zeit der „digitalen Zusammenführung“ gekommen, so Lombardi. Richtig sei auch, dass jüngere Kräfte diese Reform betrieben, Kräfte, die „offener und überzeugter von den Möglichkeiten des Neuen“ seien.
Der 1931 gegründete Radiosender sei bereits Mitte der 1990er Jahre in die digitale Kommunikation und die Multimedialität eingestiegen und habe sich über das reine Audio-Angebot hinaus ständig erweitert, besonders mit dem reichhaltigen Webauftritt in Dutzenden Sprachen und fünfzehn verschiedenen Alphabeten.
Der Name „Radio Vatikan“ steht auf der Kippe
Lombardi sagte, die Marke „Radio Vatikan“ werde bald der Vergangenheit angehören. „Ich mochte den Namen Radio Vatikan, der eine große Geschichte aufzeigt, aber in letzter Zeit habe ich diesen Namen gewissermaßen als Falle empfunden, als Quelle von Missverständnissen: er lässt nämlich denken, dass wir nur Audio-Programme herstellen zur traditionellen Verbreitung via Radio.“ Das führte laut Lombardi zu dem Einwand, das Radio gebe viel Geld aus für einen begrenzten Wirkungsraum in einem einzigen, noch dazu traditionellen Medium. Die Webseite von Radio Vatikan beweise das Gegenteil. „Aber jedenfalls glaube ich dass es gut ist, jetzt über den Namen Radio Vatikan hinauszugehen, um uns vom Gewicht dieses Missverständnisses zu befreien. Bei der laufenden Reform wird das geschehen.“
Radio Vatikan als eine der größten Einheiten im Vatikan ist Jahr für Jahr ein beträchtlicher Budgetposten im Haushalt und steht traditionell auch deshalb unter interner Kritik. Lombardi relativierte diese Kritik, indem er darauf hinwies, dass „Kommunikation kostet und weiterhin kosten wird“. Das Radio übernehme seit jeher auch Dienste, die dem Vatikan in seiner gesamten Kommunikation zugute kämen: Die Aufzeichnung und Archivierung vatikanischer Zeremonien etwa oder die Übersetzung von Texten für das Staatssekretariat. „Alle diese Dienste kann man bei der Reform neu organisieren und umverteilen, aber wenn man sie nicht streichen will, brauchen sie Personal und Mittel wie zuvor, in einigen Fällen auch mehr als zuvor. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, viel mehr zu tun und es besser zu tun und zugleich weniger Ressourcen einzusetzen.“
Lombardi hatte in der vatikanischen Medienlandschaft unter drei Päpsten verschiedene hochrangige Dienste inne. 1991 bis 2005 wirkte er als Programmdirektor bei Radio Vatikan, danach als Generaldirektor. Zusätzlich wurde ihm 2001 (bis 2012) die Leitung des Vatikan-Fernsehens CTV anvertraut, 2006 als drittes Amt die Leitung des vatikanischen Pressesaals und mithin die Funktion des Pressesprechers. Über die geplante Bündelung des Vatikan-Fernsehens mit Radio Vatikan zeigte sich Lombardi zufrieden. CTV ist mit rund 25 Bediensteten vergleichsweise klein und wendig, „die hierarchische Leiter war ganz kurz“, wie Lombardi es ausdrückte. „Ich glaube, eine der Herausforderungen der Reform ist, die verschiedenen Medieneinheiten zusammenzuführen und zu koordinieren, ohne sie zu verkomplizieren.“ (rv)
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