Ulrich Nersinger: Attentat auf den Glauben – das Martyrium des Óscar A. Romero. Ein Gespräch mit dem Autor.
Über einen prominenten neuen Seligen der Kirche hat der Historiker und Journalist Ulrich Nersinger ein Buch vorgelegt: Erzbischof Oscar Arnulfo Romero von San Salvador ist ein Märtyrer der katholischen Kirche. Er starb am 24. März 1980 am Altar beim Feiern der Messe durch den Schuss eines Auftragsmörders. Romero stand der Theologie der Befreiung nahe. Er hatte sich im Sinn des Evangeliums für Gerechtigkeit eingesetzt und war daher mit der salvadorianischen Militärdiktatur in Konflikt geraten. Papst Franziskus sprach Erzbischof Romero ihn am 23. Mai 2015 in San Salvador selig.
RV: Warum gab es so viel Polemik um diese Seligsprechung?
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es im Grund bei fast allen Selig- und Heiligsprechungen der letzten Zeit zu Polemiken kam. Natürlich bei Romero besonders. Es hängt damit zusammen, dass man sich mit dem eigentlichen Geschehen bei einer Heiligsprechung nicht beschäftigt und bestimmte Personen von bestimmten Seiten für sich vereinnahmen will. Da versucht die Kirche einen Riegel vorzuschieben, denn sie will die künftigen Seligen und Heiligen im Kontext des Glaubens sehen und nicht in irgendeiner Richtung oder einer Politik vereinnahmt wissen.“
RV: Kurz ein Blick auf die Biografie: Warum gilt Romero er auf gewisse Weise als politischer Seliger?
„Weil es auch mit der Politik sehr eng verbunden ist. Was wichtig ist, um Romero wirklich zu erkennen, ist ihn sich anzuschauen: Was hat er geschrieben, was hat er gesagt, wie hat er gehandelt. Das ist viel zu wenig gemacht worden. Wir haben einige Begriffe, die – ich sage es salopp – hingeknallt werde, aber man hat sich nicht mit der Person selber im klassischen Sin beschäftigt. Wenn man sich mit ihm beschäftigt, merkt man, dass alle die Kategorien rechts links eigentlich lächerlich sind, sondern dass man alles aus dem Glauben heraus beachten muss.“
RV: Warum hakte das Seligsprechungsverfahren, bis Franziskus wieder Schwung hineinbrachte?
„Es war eigentlich schon Papst Benedikt XVI., der das gelöst hat, im Zusammenspiel mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller von der Glaubenskongregation. Beide sind Theologen und haben gesehen, wie die theologische Dimension beim Martyrium und speziell bei Romero ist. Sie waren überzeugt davon, dass es eine wichtige Causa ist, die vorangetrieben werden muss.“
RV: Was lehrt uns Romero, ist es ein klassischer Märtyrer?
„Ich würde sagen ja. Denn es zeigt sich, dass er alle Entscheidungen, die er getroffen hat, nicht aus einer politischen Haltung heraus, sondern aus dem Glauben heraus gemacht hat. Solche Entscheidungen sind sehr wichtig, gerade in unserer Zeit: Sie zeigen, dass, wenn ich als Christ etwas mache, ich das aus meiner Überzeugung heraus vollziehe, und das konsequent vollziehe. Das macht Romero als Vorbild ideal für uns.“
RV: Warum gilt das Martyrium in der katholischen Kirche als Hochform und Grundgestalt der christlichen Heiligkeit?
„Wenn wir in die Zeit der Evangelium zurückgehen, sehen wir, dass eigentlich Christus das Urbild der Märtyrer ist, der für die Überzeugung Gottes Bekenntnis bis zum Tode ablegt. Man kann das Martyrium nur begreifen von Christus selber her und dann von den Christen her, die in aller Konsequenz, bis zum Vergießen des eigenen Blutes, nachgefolgt sind.“
RV: Vergießen des eigenen Blutes: Wie zeitgemäß ist das Martyrium heute?
„Wenn wir einen Blick werfen auf die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten, sehen wir, wir wichtig die Beschäftigung mit dem Martyrium ist. Wir erfahren dauernd hautnah, wie gefährlich es geworden ist, für den Glauben einzustehen – dass das aber eben auch eine Hoffnung und eine Stärkung für uns alle ist.“
Ulrich Nersinger: Attentat auf den Glauben – das Martyrium des Óscar A. Romero. Bernardus-Verlag 2015. Rund 15 Euro.
Der Autor spricht am 22. März 2016 um 19.30 Uhr im Domforum in Köln über das Martyrium des seligen Erzbischofs Óscar A. Romero. (rv)
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