Die Gespräche mit der Türkei waren ein „wirklicher Erfolg“: Nein, das sagt nicht Angela Merkel oder einer ihrer EU-Kollegen, sondern der Archivar der Heiligen Römischen Kirche. Es geht auch nicht um Flüchtlinge, sondern um Bücher und Manuskripte. Erzbischof Jean-Louis Bruguès war in der Türkei, um die Arbeit der Apostolischen Bibliothek und des Vatikanischen Geheimarchivs vorzustellen – und ist bei seinen türkischen Gesprächspartnern auf viel Interesse gestoßen.
„Für die (Apostolische) Bibliothek gibt es eine praktische Verfahrensweise: Ein neuer Botschafter stellt sich als erstes dem Papst vor, dann dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, und dann kommt er in die Bibliothek. Wir sind also die dritte Adresse der diplomatischen Besucher! Als der neue Botschafter der Türkei (beim Heiligen Stuhl) ernannt wurde, kam er also zu mir, schenkte mir Bücher für die Bibliothek und schlug mir eine Reise in die Türkei vor. Das Ziel sollte darin bestehen, Bibliothek und Geheimarchiv vorzustellen.“
Dazu müsse man wissen, so der Erzbischof, „dass die öffentliche Meinung der Türkei ein eher negatives Bild vom Heiligen Stuhl und auch vom Archiv hat, weil es das Geheime im Namen trägt“. Das betreffe übrigens nicht nur Türken, sondern auch vielen Menschen in unseren Breiten. Sie hören „Geheimarchiv“ und denken: Aha, der Vatikan will seine Geheimnisse für sich behalten.
„Ich wurde nach Istanbul eingeladen, wo es eine großartige Universität gibt – die Universität der schönen Künste –, um dort vor 400 Studierenden zu sprechen. Die Aufmerksamkeit war wirklich groß! Und ich habe ja 25 Jahre lang unterrichtet…, dass die Bibliothek und das Archiv für alle Studierenden offen sind, auch für die aus der Türkei, und dass wir zur Zusammenarbeit bereit sind. Die Antwort darauf war enthusiastisch!“
Zweite Station für Bruguès: Smyrna. Der neue katholische Erzbischof, ein Dominikaner, ist ein alter Bekannter von Bruguès, der ebenfalls Dominikaner ist, und lud ihn zu einem Vortrag ein. Eine weitere Etappe in Bruguès „Bücher-Diplomatie“. Der Erzbischof erklärt das so:
„Es gibt in der Bibliothek zunächst eine wissenschaftliche Dimension: 15.000 Menschen, die jedes Jahr zu uns zum Forschen und Studieren kommen. Aber dann gibt es auch noch eine zweite Dimension, die ich zunächst nicht verstanden hatte: die Kultur. Sie ist in einigen, schwierigen Fällen die einzige Art und Weise, Brücken zu bauen, wo es ansonsten nur Grenzen und Gegensätze gibt. Auch in der Türkei konnte ich trotz einer eher negativen öffentlichen Meinung die Öffnung der Kirche durch den Kanal der Kultur demonstrieren.“
Seit fast drei Jahren treibt der rührige Franzose seine „Bücher-Diplomatie“ voran. Den Anfang machten, wie er erzählt, Politiker und auch orthodoxe Metropoliten aus Belgrad, Sofia, Bukarest: „Sie baten mich, den orthodoxen Ortskirchen und den Ländern zu helfen, ihr vom Krieg beschädigtes historisches Gedächtnis wiederherzustellen; die nationalen Bibliotheken waren verbrannt oder zerstört. Ich fand es sehr interessant, dass orthodoxe Kirchen die katholische Weltkirche um Hilfe baten. Mittlerweile ist die Vatikan-Bibliothek eine Art Mutterbibliothek für diese nationalen und kirchlichen Bibliotheken geworden.“
Wichtig geworden ist auch die Zusammenarbeit mit China: Immerhin unterhält das kommunistische Land keine diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Für Bruguès „Bücher-Diplomatie“ war das kein Hindernis. „Wir bereiten eine Wanderausstellung für China vor, für den Sommer 2017. Das chinesische Publikum soll die antiken (chinesischen) Manuskripte kennenlernen, die wir heute in unserer Bibliothek haben. Um sie dem großen Publikum vorzustellen, werden sie komplett digitalisiert.“ (rv)
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