Er lebt zurückgezogen im Schatten des Petersdoms, wie er es versprochen hatte: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. zeigt nicht nur durch den Rücktritt vor drei Jahren, sondern auch durch das Leben, das er nun führt, dass auf diese Weise ein Amtsverzicht funktionieren kann. Aber je weniger sichtbar der emeritierte Papst wird, desto interessanter wird er für die Historiker, die sich ein Bild von seiner Zeit als Bischof von Rom machen wollen.
„Was das Pontifikat von Papst Benedikt hinterlässt, kann man heute noch nicht sagen.“ Klare Worte von Erzbischof Georg Gänswein, und er muss es wissen, stand er doch jahrelang an der Seite von erst Kardinal Josef Ratzinger und dann Benedikt XVI., bis heute ist er Sekretär des emeritierten Papstes und lebt mit ihm gemeinsam in dessen Ruhestandswohnung.
Über drei Jahre liegt der Amtsverzicht von Benedikt XVI. nun zurück, Zeit sich mit etwas zeitlicher Distanz neu dem Pontifikat zu nähern, weg von den tagesaktuellen und journalistischen Bewertungen, hin zu mehr historischen und reflektierenden. Einer, der das unternimmt, ist der italienische Kirchenhistoriker Roberto Regoli, dessen Buch „Oltre la crisi della Chiesa“, also „Jenseits der Kirchenkrise“ an diesem Freitagabend in der Päpstlichen Universität Gregoriana vorgestellt wurde. Dort sprach auch Erzbischof Gänswein, und gegenüber Radio Vatikan machte er danach den Vergleich, dass es mit dem Verstehen dieses Pontifikates sei wie bei einem Mosaik: „Zusammengesetzt gibt es ein Bild. Man hat jetzt schon einige Stücke, die auch erkennen lassen, was dann das Bild sein wird. Man wird sehen, dass dieses Pontifikat, das viele Herausforderungen hatte und das in dieser Zeit auch viele Kritiker hatte, einen wirklich großen Nachhall haben wird. Vor allem deswegen, weil mit Benedikt ein Mann an der Spitze der Kirche war, der überzeugend war, der geglaubt hat und aus dem Glauben heraus Theologie getrieben hat und aus diesem Glauben heraus auch die Kirche geführt hat.“
Als einige der großen Herausforderungen nennt Gänswein die Pädophilie, die Frage nach der Integration der Pius-Bruderschaft oder die Kirche in China. Auch die Befreiungstheologie sei ein Element gewesen, das noch ins Pontifikat hinein gegangen ist. Der Autor des Buches habe die Quellen gut ausgewertet, so Gänswein, „und er kommt zu einigen guten Überlegungen. Die Tageswertung damals stimmt mit der Wertung heute, drei Jahre nach dem Pontifikat, nicht überein. Viele Kritiker sehen heute das Pontifikat auf andere Weise.“ Damals mussten die Herausforderungen aber direkt angegangen werden.
Heute, in der Rückschau, sieht Gänswein einige Linien, oder in seinem eigenen Bild einige Mosaiksteine zum Verstehen. „Er ist in erster Linie ein Theologe. Seine große Begabung, die Gott ihm gegeben hat, ist sicherlich das Lehren und das Schreiben. Er war ein Leben lang Professor an verschiedenen Universitäten und er hat viele Bücher geschrieben, man kann sehen, dass er sehr produktiv war, und zwar auf eine Weise, die auch anderen Menschen im Glauben geholfen hat. Das heißt, ein großer Denker, der mit der Kirche denkt und der versucht, das Gedachte anderen Menschen schriftlich und mündlich weiter zu geben.“
Daneben sind da aber auch Dimensionen, die der Papst seinem Pontifikat selber gegeben hat. „Frieden und christliche Tradition, das sind zwei wichtige Elemente, zwei Steine auf denen das Pontifikat von Papst Benedikt aufgebaut war.“ Bereits die Namensgebung macht deutlich, wie Benedikt XVI. selber Schwerpunkte gesetzt haben wollte, erklärt der langjährige Sekretär. „Er wollte zurückgehen auf den großen Friedenspapst Benedikt XV., der leider im Ersten Weltkrieg gescheitert ist, und natürlich auch auf den großen Patron Europas, auf den Mönchsvater Benedikt.“
Einen dritten Mosaikstein nennt Gänswein dann auch noch, aber bei dem wird er dann sehr persönlich: „Der Aspekt seiner Menschlichkeit ist für mich etwas, was mich Tag für Tag immer wieder neu in Bann zieht und was mir auch hilft, im Glauben zu wachsen.“ (rv)
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