Ausgerechnet Corleone! Da müht sich die sizilianische Kleinstadt seit Jahren, ihr Image als Mafia-Nest loszuwerden. Und jetzt das: Eine Heiligenprozession zieht letzte Woche feierlich durch eine Straße der Stadt – und bleibt vor dem Haus von Totò Riina stehen. Riina war von 1982 bis zu seiner Verhaftung 1993 Boss der „Cosa Nostra“, der berühmteste und gefürchtetste Mafiaboss Italiens. Seine Frau, Ninetta Bagarella, steht zur Prozession auf dem Balkon des Hauses, wartend. Von einem „Inchino“, einer Verbeugung der feierlich herumgeführten Heiligenstatue, vor der Frau des Mafiabosses spricht die Tageszeitung „La Repubblica“.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft in Palermo. Und auch der Bischof von Monreale, Michele Pennisi, hat eine eigene Untersuchungskommission eingerichtet. „Ich bin am Sonntag gegen 22 Uhr informiert worden, dass es – nein, keinen „Inchino“, sondern einen unplanmäßigen Halt der Prozession in der Straße gegeben hat, wo die Frau von Totò Riina wohnt. Um 23 Uhr habe ich mit dem Pfarrer gesprochen und ihn um einen detaillierten Bericht geben, den er mir am nächsten Tag geschickt hat. Er beteuert, der Prozessionsweg sei derselbe wie immer und sei auch ordnungsgemäß mit der Polizei und den Carabinieri abgesprochen worden. Es gab einen Halt, der eigentlich nicht vorgesehen war, aber es gab keinerlei Verbeugung des Heiligenbildes (von Johannes dem Täufer). Das haben mir auch die Carabinieri bestätigt.“
Allerdings waren die Carabinieri aufgebracht über den Stopp vor dem Mafia-Haus. Wer sich diesen Stopp ausgedacht hat, wird im Moment untersucht. Im Verdacht steht ein Mitglied der Bruderschaft, die die Prozession alljährlich organisiert; er ist ein Cousin von Totò Riinas Frau.
Bischof Pennisi will, dass künftig keine Prozession mehr durch die betreffende Straße führt. Ansonsten wartet er die Ergebnisse seiner Untersuchungskommission ab. „Dann werde ich entscheiden. Wenn die Bruderschaft die Verantwortung trägt, dann wird sie entweder unter Aufsicht gestellt, oder die Mitglieder, die sich regelwidrig verhalten haben, werden bestraft. Ich habe schon vor zwei Jahren ein Dekret veröffentlicht, das festlegt: Wer Mitglied in einer Mafia ist, kann nicht gleichzeitig zu einer katholischen Bruderschaft gehören, denn Christus und gleichzeitig der Mafia zu dienen, ist unvereinbar. Mir wäre am liebsten, man würde es im ganzen Bistum machen wie hier in Monreale: Wir sprechen mit den Ordnungskräften nicht nur ab, welchen Weg unsere Kreuzprozession nimmt, sondern auch, wo Pausen eingelegt werden. Auf diese Weise kommt es zu keinerlei Missverständnissen.“
Firmpaten und Mafia-Paten
Bruderschaften – auf Italienisch „Confraternità“ – spielen eine große Rolle im sizilianischen Brauchtum. Umso strenger will die Kirche darüber wachen, dass ihre Mitglieder nichts mit der Mafia zu tun haben. Die Bürgermeisterin von Corleone, Leoluchina Savona, ist aufgebracht über die neuen Negativ-Schlagzeilen: Da werde der alte üble Ruf der Stadt wieder einmal von den Medien instrumentalisiert, und das beschädige alles bisher Erreichte im Einsatz für die „legalità“. Bischof Pennisi: „Sie ist auch deshalb verärgert, weil das Innenministerium gerade über eine mögliche Auflösung des Stadtrates (wegen mafiöser Unterwanderung) nachdenkt. Und sie hat das Gefühl, dass da jemand die Politiker in dieser Richtung beeinflussen will. Was jedenfalls die Kirche betrifft, kann ich nur sagen: Die Bruderschaften müssen Orte der „legalità“ sein, und es ist absolut nicht hinnehmbar, dass eine Prozession vor Personen, die mit der Mafia verbunden sind, einen Halt einlegt!“
In Pfarreien und Schulen sei in den letzten Jahren viel getan worden, um Kinder und Jugendliche gegen die Mafia zu sensibilisieren. „Jedesmal, wenn ich Firmungen spende – nicht nur in Corleone –, sage ich: Wir sollen die Freiheit der Kinder Gottes haben und uns keiner Mafia-Macht unterwerfen. Und ich sage immer: Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem christlichen Paten, der den Firmling auf seinem Glaubensweg begleitet, und dem Mafia-Paten, der seinem Schützling dabei hilft, eine mehr oder weniger kriminelle Karriere zu machen. Diese Unterscheidung muss klar sein!“ (rv)
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