Papst Franziskus legt einen pragmatischen Geist an den Tag, wenn es um die vatikanische Wirtschaftsreform geht. Diese Einschätzung äußert der deutsche Politikwissenschaftler und Volkswirt Ralph Rotte, der seit Jahren die Änderungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik des Heiligen Stuhles untersucht. Mit einem neuen Erlass hat Franziskus jüngst die Verwaltung des Vermögens des Heiligen Stuhles und die Kontrolle dieser Verwaltung klarer voneinander getrennt. Betroffen sind die Güterverwaltung APSA, die nun nach zwei Jahren die Oberhoheit über die Verwaltung des beträchtlichen Immobilienvermögens des Heiligen Stuhles zurückerhält [Papst Franziskus hatte mit Motu Proprio vom 8.7.2014 verfügt, dass das Wirtschaftssekretariat die Immobilienverwaltung von der APSA übernimmt, Anm. d. R.], und das relativ junge Wirtschaftssekretariat.
Warum Verwaltung und Kontrolle bisher nicht sauber getrennt waren, erklärt sich Rotte damit, „dass es in diesen ganzen Finanzwesen des Heiligen Stuhles eine große Komplexität gibt, und dass bisher auch möglicherweise die Idee vorherrschte, eine Art Superministerium einzurichten mit dem neuen Wirtschaftssekretariat, das im Sinn eines klassischen Finanzministeriums alle anderen kontrolliert und gleichzeitig – analog zum Staat – Vermögenswerte verwaltet; und dass sich das letztlich nicht hat realisieren lassen. Man hoffte offenbar, hier eine klare Hierarchie aufzubauen, sodass quasi der Papst durchregieren kann im Sinn einer seelsorgerischen oder karitativen Ausrichtung der Kirche. Das hat aber offensichtlich im Rahmen der bestehenden Interessen in Zuständigkeiten in der Kurie so nicht funktioniert, sodass er jetzt einen Schwenk macht und zurückgeht zu einem stärker gleichgewichtigen System, in dem sich die verschiedenen Einheiten gegenseitig kontrollieren.“
RV: Was sind die wirklich neuen Punkte am neuen Erlass?
„Der zentrale neue Punkt ist, dass die Immobilienverwaltung wieder zurückgeht an die APSA, wo sie ursprünglich ja war. Und zweitens, das ist nichts Neues, wird aber betont, dass das Wirtschaftssekretariat über alle Ämter und Dikasterien des Heiligen Stuhles die Aufsicht hat, einschließlich der APSA. Gleichzeitig wird unterstrichen, dass die APSA quasi die zentrale Zahlstelle ist, Zentralbank, Sparkasse, Girozentrale, für alle anderen Institutionen des Heiligen Stuhles. Aus der Tatsache, dass sämtliche Rechnungen über den Tisch der APSA gehen werden, kann man lesen, dass auch die anderen Dikasterien stärker kontrolliert werden sollen, im Tandem sozusagen zwischen Wirtschaftssekretariat und APSA.“
RV: Das bedeutet, dass die vatikanische Güterverwaltung APSA jetzt mit dem neuen Motu Proprio wieder mehr Zuständigkeiten erhält als in den letzten zwei Jahren, zu Lasten des Wirtschaftssekretariates?
„Ja, das sieht so aus. Die APSA geht zurück zu ihrem Zustand vor zwei Jahren, bleibt natürlich weiterhin besonders kontrolliert und unter Aufsicht des Wirtschaftssekretariats, aber das Wirtschaftssekretariat insgesamt wird eigentlich in seinen Kompetenzen, was die Verfügung über tatsächliche Vermögenswerte und das Management angeht, etwas zurückgestutzt.“
RV: Was sind die beweglichen und unbeweglichen Güter des Heiligen Stuhles, also Geld und Immobilien – von welchen Vermögenswerten sprechen wir, und wie sind sie aufgeteilt?
Da gibt es keine öffentlichen Zahlen, nur Schätzungen. Man muss unterscheiden zwischen dem, was die APSA zukünftig wieder verwaltet, das ist zum einen das Stiftungskapital aus den Lateranverträgen (von 1929) und das, was daraus geworden ist an Anlagevermögen. Davon muss man unterscheiden zum Beispiel laufende Mittel, das Vermögen des Vatikanstaates mit den Museen und den Immobilien in Rom etc.. Konservative Quellen sagen, dass die APSA gegenwärtig ein Gesamtvermögen von einer Milliarde Euro verwaltet, ungefähr 50 zu 50 aufgeteilt in Wertpapieren und Immobilien. Wobei sich da das Problem ergibt, dass die Immobilienbewertung bei solchen Bilanzen immer sehr schwierig ist, und man davon ausgehen kann, dass der Marktwert von diesen Immobilien wesentlich höher ist, also es gibt auch andere Schätzungen, die gehen bis zu zehn Milliarden Vermögenswerten, die die APSA verwaltet.
RV: Davon abtrennen muss man alles, was vom Vatikanstaat, also dem Governatorat verwaltet wird.
„Richtig. Der Vatikanstaat mit den Museen hat schwer schätzbare Vermögenswerte, die man marktwertmäßig nicht wirklich beziffern kann. Dazu kommt noch, dass verschiedene Kongregationen auch noch zum Beispiel Immobilienbesitz haben wie etwa die Propaganda Fide (die Missionskongregation), und es gibt noch ein paar größere Töpfe an laufenden Mitteln, über die der Papst auch verfügen kann, die aber weder in den Bilanzen des Heiligen Stuhles, also der Kurie, aufscheinen, noch im Vatikanstaat. Das sind die Töpfe für die karitativen und pastoralen Aktivitäten des Papstes. Insgesamt gibt es die Schätzung, dass er über 900 Millionen Euro an laufenden Mitteln im Jahr verfügen kann. Dazu kommt das Vermögen, das schwerpunktmäßig bei der APSA, im Vatikanstaat und in einigen Kongregationen liegt.
RV: Wenn man das allmähliche Voranschreiten dieser vatikanischen Wirtschaftsreformen betrachtet, scheint sie nach dem Prinzip zu funktionieren: Versuch, Irrtum, neues Motu Proprio. Täuscht das?
„Natürlich kann man sagen, es ist ein so komplexes System an Organismen, die alle noch nicht ganz klar voneinander abgegrenzt sind oder noch keine klare Hierarchie haben, deswegen glaube ich, dass der Papst da einen pragmatischen Weg wählt und schaut, was funktioniert denn von dem, was ich mir oder meine Berater sich ausgedacht haben – und wenn es nicht funktioniert, kann man es ja wieder ändern.“ (rv)
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