Die Kirche Brasiliens will abwarten, wie sich die frisch eingesetzte Regierung im Land verhält. Politische Überzeugungen seien zweitrangig, sagt der brasilianische Kardinal Claudio Hummes. Wichtig seien Taten. „Ich habe oft gesagt, dass die Ideologien nicht so entscheidend sind, denn Regierungen müssen pragmatisch sein. Es ist egal, welche Überzeugung, wichtig sind die Entscheidungen, Projekte, die notwendigen Reformen, die gemacht werden müssen.“
Ende August hatte Michel Temer das Präsidentenamt übernommen – er war zuvor Dilma Rousseffs Vizepräsident, seine Partei hatte aber die Koalition gebrochen und so die Mehrheiten zur umstrittenen Absetzung Rousseffs wegen angeblicher Haushaltstricksereien zustande gebracht.
Es gelte nun, die eingeknickte Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln, damit Jobs für die Menschen geschaffen werden, so der Kardinal im Gespräch mit Radio Vatikan. Aber auch die Korruption sei ein Problem im Land, das bekämpft werden müsse. Mit vorschnellen Bewertungen der Politiker jedenfalls wolle sich die Kirche Brasiliens zurückhalten, sagt Kardinal Hummes:
„Es ist noch schwer zu sagen, weil wir noch am Anfang sind. Der Regierungswechsel ist erst vor Kurzem geschehen. Die neue Regierung beginnt nun, Entscheidungen zu treffen. Es muss alles noch angegangen werden, wir wissen noch nicht, mit welcher Entschiedenheit Reformen durchgeführt werden, die wirklich wichtig wären für die Menschen. So oder so – wir als Kirche müssen da sein. Das jetzige Brasilien geht aus der Krise heraus. Der Veränderungsprozess war etwas undurchsichtig, viel diskutiert, aber schlussendlich sind wir eben hier. Es gibt eine neue Regierung.“
Die Kirche begleite den ganzen Prozess und müsse vor allem an der Versöhnung der unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Lager arbeiten. „Im Moment haben wir nämlich sehr viel Aggressivität zwischen den beiden Lagern, etwas, was es vorher im brasilianischen Volk nicht gab. Heute sind wir wirklich besorgt angesichts dieser aggressiven Haltung zwischen den Gegnern.“
Aber auch die Gewalt gegen die indigenen Völker im Land ist ein Problem. In einem jüngst von der brasilianischen Bischofskonferenz herausgegebenen Bericht wird eine Zunahme der Angriffe gegen indigenen Gemeinschaften insbesondere bei den Guarani- und Kaiowá-Indianern festgestellt. Zudem habe es 2015 landesweit 137 Morde an Indigenen gegeben, 87 Selbstmorde, die meisten davon unter den Guarani- und Kaiowá-Indianern. Zwischen 2000 und 2015 verzeichnet der Bericht insgesamt 752 Selbstmorde unter Indigenen. Ein großes Problem sei nach wie vor die Landverteilung, über die Hälfte der indigenen Grundstücke und Ländereien Brasiliens warteten noch auf eine geregelte Verwaltung des Staates.
Die Versöhnung in der Gesellschaft müsse vorangebracht werden, so Kardinal Hummes und man müsse sich im Sozialen, Politischen engagieren, vor allem aber in der Frage der Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Arbeit, denn die Arbeitslosigkeit hat stark zugenommen. „Auch die Inflation ist wieder bedrohlich hoch. Es gibt ganze Arbeit zu leisten im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte und vor allem bei den Rechten der Arbeiter damit sie für ihren Einsatz einen würdigen Lohn bekommen. Wir müssen Wiederaufbauarbeit leisten, denn mit Brasilien ging es bergab, jetzt muss es wieder hinauf gehen.“
Brasilien, das „B” bei den sogenannten BRICS-Staaten war als Schwellenland im wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung begriffen, auch die Armut ging stark zurück. Dann aber kam die politische und wirtschaftliche Krise.
„Wir hoffen einfach, dass all die notwendigen Reformen getroffen werden und Sozialprogramme auf den Weg kommen, die bereits die Vorgängerregierung entwickelt hatte. Dafür sind aber Einkünfte wichtig, Produktivität, denn Brasilien hat zurzeit ja auch wirtschaftlich große Schwierigkeiten, Schulden, denn hinter dieser Krise verbirgt sich ein weiteres großes Problem: Eine unglaubliche Korruption. Das brasilianische Volk war wirklich geschockt von der astronomischen Höhe der Summen, die in der Korruption verschwanden. Dieser ganze große Prozess gegen die Korruption ist sehr wichtig für Brasilien, um wieder eine Basis zu schaffen für eine Wirtschaft, die wieder den Bedürfnissen der Leute und des Landes dient. Brasilien ist ein Land, dem es richtig gut ging, jetzt ist die Lage aber sehr sehr kompliziert.“ (rv)
Du musst angemeldet sein, um kommentieren zu können.