Einen besonders einnehmenden kleinen Band zur Stadtgeschichte Roms legt das Verlagshaus Herder neu auf. Das Besondere: es handelt sich um ein bereits 100 Jahre altes Buch, das versucht, in Wort und Bild das Rom der Reformation einzufangen. Eine doppelte historische Brechung also. Die aber ist umso reizvoller, als das Werk aus der Feder des betont katholischen Kirchenhistorikers Ludwig von Pastor (1854 – 1928) stammt, der sein wissenschaftliches Lebenswerk der Verteidigung der „una sancta“ in bester Tradition des ausgehenden 19. Jahrhunderts widmete.
Von Pastor unternahm vor 100 Jahren ausgedehnte Stadtspaziergänge durch ein rasant sich wandelndes Rom. Denn mit dem Ende des Kirchenstaates 1870 hörte Rom auf, bloß das Rom der Päpste zu sein, das es rund eineinhalb Jahrtausende gewesen war, und wurde Hauptstadt Italiens. In wenigen Jahrzehnten veränderte ein gewaltiger Bauboom das urbane Gewebe Roms unwiderruflich. Zugleich prägte eine protestantisch dominierte Kirchengeschichtsschreibung namentlich aus Deutschland dem Papst und seiner Stadt einen Stempel des Anachronismus auf. Der aus Aachen gebürtige Ludwig von Pastor, gewiss kein Vorkämpfer der Ökumene, versuchte dem in all seinem Schreiben und Tun gegenzusteuern. Sei es mit seiner 16-bändigen „Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters“, sei es mit seinem Büchlein „Die Stadt Rom zur Zeit der Reformation“, in dem er die untergehende Größe der ewigen Stadt, die so ewig gar nicht ist, in Wort und Bild für die Nachwelt dokumentieren wollte.
Von Pastor verarbeitete Stiche, Zeichnungen, Grund- und Aufriss-Skizzen, Gemälde, Fotografien zur Garnierung seiner nach Stadtvierteln geordneten Spaziergänge. Der Herausgeber der Neuauflage Martin Wallraff fügt mit Bedacht neue Aufnahmen dort hinzu, wo in 100 Jahren alles anders geworden ist, wo also etwa ein malerischer Innenhof Pastors zur Garage mutierte.
Rom anno 1916 konnte überhaupt nicht „papstfrei“ gedacht werden – anders als heute. Die Neuauflage dieses Büchleins erhebt nicht den Anspruch, eine Art religiöser Stadtführer zu sein, aber kirchenhistorisch aufgeladen ist jede Zeile und jede Abbildung dieses höchst ansprechenden Buchs. (rv)
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