Als eine Art Lebensschutzmaßnahme sieht der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, die neue Anweisung des Papstes zur Lossprechung von der Sünde der Abtreibung. Franziskus hatte in seinem Apostolischen Schreiben „Misericordia et Misera“ u.a. festgelegt, dass alle Priester in der Beichte fortan, also auch nach Ende des Heiligen Jahres, von der schweren Sünde der Abtreibung lossprechen dürfen. Während des Gnadenjahres war dies bereits weltweit möglich gewesen.
Mit mehr „Laxheit“ im Umgang mit Abtreibungsfällen habe die päpstliche Anweisung nichts zu tun, stellt Paglia, der auch Großkanzler des Päpstlichen Institutes Johannes Paul II. ist, im Interview mit Radio Vatikan klar: „Das Gegenteil ist wahr, denn Vergebung zu gewähren bedeutet einen Dialog, ein Bewusstsein, eine Entscheidung, das, was man tat, nicht nochmals zu tun. In diesem Sinn bedeutet die Maßnahme, das Lossprechen auf die Priester auszudehnen: denjenigen, die diese schreckliche Tat begingen, mehr Möglichkeiten zum Verständnis der Schwere ihrer Tat zu geben, also die Möglichkeit, ihr Leben zu verändern und es so nicht noch einmal zu tun.“ Womit nicht allein die Frauen gemeint sind, die abgetrieben haben, sondern auch etwa beteiligte Ärzte, die sich aus katholischer Sicht mit schuldig machen.
Abtreibung bleibe freilich weiter eine schwere Sünde – daran werde nicht gerüttelt, stellt Erzbischof Paglia weiter klar. Laut katholischem Kirchenrecht zieht eine Abtreibung und die Mitwirkung daran eine Exkommunikation nach sich, und zwar „latae sententiae“, das heißt automatisch. Dazu Paglia: „Die automatische Exkommunikation, latae sententiae, bleibt im Kirchenrecht unverändert. In diesem Sinne gibt es keine Veränderung des Verständnisses der Schwere der Sünde, keine Milderung: Abtreibung bleibt die schuldhafte Beseitigung eines Unschuldigen, und dies ist äußerst schwerwiegend. Der Sinn des päpstlichen Textes liegt in dem Willen, verständlich zu machen, dass demjenigen, der bereut, auch im Fall dieser schweren Sünde, vergeben wird. In diesem Fall ist es wie als wenn Gott die mit dem dramatischen Akt verbundene Exkommunikation vergisst. Sicherlich berücksichtigt der Papst mit seiner Geste auch die menschliche Schwäche und die vielen leidvollen Erfahrungen, die viele Frauen erleben und aus denen sie, wenn sie damit allein gelassen werden, nur schwer einen Ausgang finden.“ Der Erzbischof deutet hier wohl auf das direkte soziale Umfeld der Frauen, die die Entscheidung getroffen haben, abzutreiben – ein Aspekt, der in der Debatte oft zu kurz kommt: bis es zu einer Abtreibung kommt, ist ein Leidensweg durchschritten, Angehörige und Bekannte haben möglicherweise weggesehen und der Betroffenen keine Hilfe geleistet, Alternativen zur geplanten Tat zu sehen.
Lebensschutz also durch Barmherzigkeit und Bekehrung – aus Sicht von Erzbischof Paglia eine wirkungsvolle Prävention: „Gerade weil Abtreibung eine äußert schlimme Handlung ist, ist ein außergewöhnliches Gewähren von Barmherzigkeit notwendig.“ (rv)
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