Zwölf Kriterien der Kurienreform: Papst Franziskus hat an diesem Donnerstag in seiner Weihnachtsansprache an seine höheren Mitarbeiter die Reform der Kurie zum Thema gemacht. Er sprach über Widerstände und deren Notwendigkeit und über bereits gemachte Schritte der Reform.
Der Papst begann dem Anlass gemäß mit der Betrachtung des Weihnachtsgeheimnisses. Es stelle die menschlichen Werte auf den Kopf, zitierte er den Theologen Romano Guardini. Dass die Allmacht klein werde, sei mit menschlicher Logik nicht nachzuvollziehen. Die „liebende Demut Gottes“ zeige sich als göttliche Logik, er habe klein geboren werden wollen, weil er Liebe wollte. „Und so ist die Logik des Weihnachtsfestes die Umkehrung der Logik der Welt, der Logik der Macht, der Logik des Kommandierens, der Logik der Pharisäer.”
Aus diesem Grund, so der Papst, habe er wieder die Reform der römischen Kurie zum Thema der Ansprache gewählt. Er gliederte seine Überlegungen in drei Abschnitte: Worum geht es bei der Reform, welche Kritieren braucht sie, um zu gelingen, und welche Schritte sind bereits getan. „Mir ist an dieser Stelle die antike Weisheit eingefallen … das De-formierte re-formieren, das Re-formierte kon-formieren, das Kon-formierte bestätigen und das Bestätigte trans-formieren“ (deformata reformare, reformata conformare, conformata confirmare e confirmata transformare).
Der zweifache Sinn der Re-Form
Reform und konform: mit diesen zwei Worten umriss der Papst die beiden Dimensionen der Kurienreform. „Konform“ der Frohen Botschaft, die freudig und mutig allen, vor allem den Armen, verkündet werden müsse. „Konform“ aber auch den Zeichen der Zeit, „um besser den Bedürfnissen der Frauen und Männer begegnen zu können, denen zu dienen wir gesandt sind.”
Konform aber auch zum Zweck der Kurie, nämlich zur Mitarbeit am Dienst des Nachfolgers Petri „in der Ausübung seiner einen, höchsten, vollen, unmittelbaren und universalen ordentlichen Autorität.“
Weil auch die Kurie kein unbeweglicher Apparat sei, sei auch die Reform Zeichen der Lebendigkeit der pilgernden Kirche. „Wir müssen klar bekräftigen, dass die Reform nicht um ihrer selbst willen geschieht, sondern ein Prozess des Wachsens und vor allem der Bekehrung ist. Die Reform hat keinen ästhetischen Sinn, als ob sie die Kurie schöner machen wolle. Man kann sie nicht als eine Art ‚Lifting’ sehen, als ‚Make-up’ oder als Schminke, um den alten Körper der Kurie zu verschönern. Sie ist auch keine Schönheitsoperation, um Falten zu entfernen. Liebe Brüder, nicht die Falten der Kirche müssen wir fürchten, sondern den Schmutz.“ Deswegen könne eine Reform nur dann gelingen, wenn sie mit erneuerten, nicht mit neuen Menschen geschehe.
„Es reicht nicht, sich mit dem Auswechseln von Personal zufrieden zu geben, sondern es ist nötig, dass sich die Mitglieder der Kurie geistlich, menschlich und professionell erneuern. Die Reform der Kurie erschöpft sich überhaupt nicht darin, Menschen auszuwechseln – auch wenn dieses geschehen ist und geschehen wird – sondern nur in der Bekehrung der Menschen. Es braucht nicht nur eine stetige Weiterbildung, sondern auch und vor allem eine stetige Bekehrung und Reinigung. Ohne eine Verwandlung der Mentalität bleibt jede praktische Anstrengung hohl.“
Offener, verdeckter und böswilliger Widerstand
An dieser Stelle griff der Papst seine beiden letzten Weihnachtsansprachen an die Kurie auf: 2014 hatte er, was für anhaltende Debatten sorgte, 15 Kurienkrankheiten aufgezählt, im Jahr darauf einen Katalog der notwendigen Tugenden präsentiert.
„Es war notwendig, von Krankheiten und Heilung zu sprechen, weil jeder Operation, damit sie erfolgreich sein kann, eine Diagnose vorangeht, eine akkurate Analyse, und sie muss von präzisen Vorschriften begleitet und gefolgt werden.“
Dass es Widerstände gegen die Reform gibt, sei etwas Gutes, ein Zeichen der Lebendigkeit, fuhr der Papst fort. Widerstand müsse angehört und ermutigt werden, sich auszudrücken. So gebe es offenen Widerstand, der oft gutem Willen und dem Wunsch nach Dialog entspringe. Franziskus sprach aber auch von verdecktem Widerstand an der Kurie; der rühre von verängstigten oder versteinerten Herzen her und nähre sich „von den leeren Worten der Einstellung ‚es muss sich alles ändern, damit alles bleibt wie es ist’“ [Gattopardismo nennt es der Papst, nach einem italienischen Roman].
Drittens, so der Papst in gewohnter Offenheit, gebe es auch böswilligen Widerstand an der Kurie. „Dieser letzte Typus Widerstand versteckt sich hinter Worten der Rechtfertigung und in vielen Fällen der Anklage, er flieht in die Tradition, in den Schein, die Formalität, das Altbekannte, oder will alles auf die persönliche Ebene bringen, ohne zwischen Akt, Akteur und Aktion zu unterscheiden.“
Das alles besage, dass die Reform der Kurie ein „empfindlicher Prozess“ sei, „der gelebt werden muss mit Treue zum Wesentlichen, in andauernder Unterscheidung, mit dem Mut des Evangeliums, mit kirchlicher Weisheit, mit aufmerksamen Hören, mit hartnäckigem Handeln, mit positiver Stille, mit festen Entscheidungen, mit viel Gebet, mit tiefer Demut, mit klarem Weitblick, mit konkreten Schritten voran und wenn es sein muss auch zurück, mit festem Wille, mit aufgeweckter Lebendigkeit, mit verantwortlicher Autorität, mit unbedingtem Gehorsam, aber vor allem mit dem sich selber der Führung durch den Heiligen Geist anvertrauen.“
Zweiter Teil: Konkrete Kriterien
Wie diese gelebte Reform konkret aussehen müsse, dem wandte sich der Papst im zweiten Teil seiner Ansprache zu. Er nannte zwölf Kriterien, das erste davon: die persönliche Bekehrung. Ohne diese seien alle Änderungen in der Struktur unnütz, so der Papst.
An zweiter Stelle nannte er die „pastorale Bekehrung“, „die Aufgaben aller Mitarbeiter der Kurie muss von einer pastoralen Ausrichtung und einer Spiritualität des Dienstes und der Gemeinschaft getragen sein, denn das ist das Gegenmittel zu allem Gift von leerem Ehrgeiz oder trügerischer Rivalität.“
Die Kurie dürfe keine Bürokratie sein, rein „kanonistisch und ritualistisch, kein Fitnessraum für verborgenen Ehrgeiz“, zitierte er Papst Paul VI.
Drittens nannte der Papst die missionarische Ausrichtung. Ohne Treue zur Sendung der Kirche verderbe jede neue Struktur innerhalb kürzester Zeit.
Zwei Kriterien befassen sich mit den einzelnen Abteilungen der Kurie und deren Verhältnis zueinander. So nannte der Papst an vierter Stelle das Kriterium der Rationalität. Hierbei ging es Franziskus um die jeweiligen Kompetenzen der einzelnen Abteilungen der Kurie: keine dürfe die Kompetenz einer anderen an sich ziehen.
Fünftens sprach er unter der Überschrift der Funktionalität über das Zusammenlegen von einzelnen Abteilungen, er nannte auch eine „stetige Revision“ der Rollen, der Kompetenzen und der Verantwortung der Mitarbeiter.
An sechster Stelle führte der Papst das „Aggiornamento“ (Verheutigung, Anm.) an sowie die „Zeichen der Zeit“, beides Begriffe aus den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils. „sorgen wir schleunigst dafür, dass die Dikasterien der römischen Kurie den Situationen unserer Zeit angeglichen sind und sich an die Notwendigkeiten der universalen Kirche anpassen.“
Einfachheit, Subsidiarität, Synodalität
Das Kriterium der Einfachheit stand an siebter Stelle, noch einmal konkret auf die Abteilungen eingehend sagte der Papst: „In dieser Hinsicht ist eine Vereinfachung und Verschlankung der Kurie notwendig.“ Er nannte unter den möglichen Konsequenzen Zusammenlegungen oder auch Verkleinerungen der Zahl der Kommissionen, Akademien, Räten etc.
An achter Stelle stand das Kriterium der Subsidiarität, Entscheidungen sollen immer auf möglichst tiefer Ebene getroffen werden, nur wenn allgemeinere Angelegenheiten oder weitere Konsequenzen der Entscheidung anstehen, soll die nächst höhere Ebene befasst werden. Das gelte auch für das Staatssekretariat, das im Vatikan für die Koordination der verschiedenen Abteilungen zuständig sei.
Neuntens nannte der Papst das Kriterium der Synodalität, das ihm auch während der Versammlungen der Bischofssynoden wichtig war. „Die Arbeit der Kurie muss synodal sein: gewohnheitsmäßige Versammlungen der Leiter der Dikasterien, denen der Papst vorsteht, regelmäßige Audienzen für die Leiter und Dikasterien-übergreifende Versammlungen. Die Synodalität muss auch im Inneren jedes Dikasteriums gelebt werden.“
Katholizität stand an zehnter Stelle, die Kurie müsse die Globalität der Kirche widerspiegeln. Nicht nur die Verschiedenheit der Kulturen und Sprachen gehöre dazu, sondern auch das Miteinander von Klerus und Gottesvolk. „Es ist angebracht, eine größere Zahl von Laien vor allem in den Dikasterien anzustellen, wo sie kompetenter sind als Kleriker oder Ordensleute. Von großer Bedeutung ist darüber hinaus die Wertschätzung der Rolle der Frau und der Laien im Leben der Kirche und ihre Einbeziehung in Leitungspositionen in Dikasterien.“
Das elfte Kriterium war die Professionalität, dazu brauche es eine ständige Weiterbildung des Personals, „um zu vermeiden, dass man ‚rostet’ und in die Routine des Funktionalismus fällt.“
Letztes Kriterium auf der Liste des Papstes war die Gradualität. Damit griff er den Begriff der „geistlichen Unterscheidung“ auf, „der einen Prozess bedeutet, ein ‚Abtasten’ der Zeitpunkte und Schritte, ein Überprüfen, eine Korrektur, ein Ausprobieren, ein Einrichten ad experimentum [zur Probe]. In diesen Fällen ist das keine Unentschiedenheit, sondern eine notwendige Flexibilität, um zu einer wirklichen Reform zu kommen.“
Was schon umgesetzt wurde
Im letzten Teil seiner Ansprache zählte der Papst die Schritte der Kurienreform auf, die schon getan wurden. Die Einrichtung des Kardinalsrates „K9“ war darunter, die Reform der so genannten Vatikanbank IOR und der Finanzaufsicht im Vatikan, die Kommission zum Kinderschutz und nicht zuletzt die Einrichtung von vier neuen Dikasterien: die Sekretariate für Wirtschaft und für Kommunikation sowie zwei Behörden, die durch Zusammenlegung entstanden: das Dikasterium für Laien, Familie und Leben und das Dikasterium für die Nachhaltige Entwicklung des Menschen.
Begonnen habe er seine Ansprache mit dem Gedanken, dass das Weihnachtsfest die menschlichen Kriterien auf den Kopf gestellt habe, „um klarzustellen, dass das Herz der Reform Christus ist.“ Er wolle zum Abschluss noch einmal sagen, dass Weihnachten das Fest der „liebenden Demut Gottes“ sei. „Danke, ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr 2017!“ (rv)
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