Vom diesjährigen World Economic Forum – kurz WEF – in Davos erwartet Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sich konkrete Maßnahmen für eine gerechtere Wirtschaft. Denn nur wenn Gerechtigkeit herrsche, dann könne es auch Frieden in der Welt geben. Das sagte er an diesem Donnerstag im öffentlichen Gespräch mit dem ehemaligen deutschen Wirtschaftsminister und FDP-Politiker Philipp Rösler, Geschäftsführer der Stiftung Weltwirtschaftsforum. Die Nummer Zwei im Vatikan ist einer der 3.000 Besucher beim Gesprächsforum, an dem Wirtschaftsleute, Politiker, Staatschefs und Kulturschaffende aus über 100 Ländern teilnehmen. Unter Berufung auf den Wahlspruch von Papst Pius XII. betont Parolin:
„Opus iustitiae pax – das Werk der Gerechtigkeit ist der Frieden. Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, dann gibt es keinen Frieden. Das ist genau das, was dieses Forum zu erreichen versuchen sollte, nämlich Gerechtigkeit im wirtschaftlichen Bereich und beim Handel, andernfalls wird es keinen Frieden geben.“
Mit Blick auf das atomare Wettrüsten der vergangenen Jahre unterstreicht er die Position des Heiligen Stuhls, der seit jeher auf die atomare Abrüstung drängt: „Ein Frieden, der auf Angst aufbaut, ist kein Frieden. Und atomare Waffen sind nur eine Art, den anderen Angst einzuflößen, um sie vom Handeln abzuhalten.“
Die Päpste hätten sich über die Jahre immer wieder entschlossen für Frieden auf der Welt eingesetzt, erinnert er insbesondere an Benedikt XV. und Pius XII., die die beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts erlebten. Der Dritte Weltkrieg, so betont Papst Franziskus es immer wieder, sei unterdessen just dieser Tage und unbemerkt von den meisten in vollem Gange.
Frieden sei hingegen auch für die Wirtschaft ein enorm wichtiger Faktor, erläutert Rösler in seiner Moderation: Im jüngsten Risk-Report für die Wirtschaft beispielsweise stand die Frage des Friedens unter allen genannten Risikofaktoren auf Platz 1.
Frieden sei auch der Grund, aus dem die vatikanische Diplomatie überhaupt bestehe, so der ranghöchste Vatikandiplomat, der in dem halbstündigen Gespräch auch auf die Rolle der Vatikandiplomatie, ihre Ziele und die Krise der Europäischen Union einging.
„Wir müssen anerkennen, dass die Europäische Union derzeit in einer Krise ist. Zunächst möchte ich hervorheben, dass die Europäische Union dem Europäischen Kontinent große Vorteile verschafft hat. Das dürfen wir nicht vergessen! Vielleicht ist es eines unserer heutigen Probleme, dass die junge Generation diese Vorteile nicht mehr erkennt. Denken wir beispielsweise an den Frieden: unser Kontinent hat 60 Jahre lang in Frieden gelebt, nach den zerstörerischen Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges.“
Auch die Freizügigkeit im Waren- und Personenverkehr nannte Kardinalsstaatssekretär Parolin in seinem Plädoyer für die Europäische Union. Gerade diese Freizügigkeit war jedoch mit ein entscheidender Grund für den Brexit, und wird auch von anderen Ländern als Gefahr für die eigene Identität gesehen:
„Da gibt es einen Konflikt, das müssen wir anerkennen. Beispielsweise die Tatsache, dass einige Länder entschieden haben, ihre Türen zu schließen, weil sie sich auf ihre spezifische Identität berufen. Sie haben Angst, dass diese Identität verloren gehen könnte durch die Einreise von Menschen anderer Kulturen und Religionen.“ Doch dazu gebe es zweierlei zu sagen, betont Parolin: Einerseits sei dies insgesamt kein neues Phänomen, sondern ziehe sich durch die Geschichte des Menschen, die eine Geschichte des fruchtbaren Austauschs von Kulturen sei. Neu sei höchstens die die Dimension dieses Phänomens insbesondere für Europa, auch wenn es dabei zu bedenken gebe, dass die meisten Migranten weltweit gar nicht erst dort einträfen.
„Und zweitens, und das ist genau das, was der Heilige Vater oft gesagt hat, ist das die Herausforderung, die vor uns liegt, nämlich wie man Verschiedenheiten nicht zu einer Ursache von Konflikt, Zusammenstößen und Trennungen werden lässt, sondern zu einer Quelle gegenseitiger Bereicherung und Fortschritt. Und heute, in unserer multipolaren Welt, in der es so viele Machtzentren und Interessensgruppen gibt, wird das immer wichtiger.“
Philipp Rösler ist seit 2014 Geschäftsführer der Stiftung, die das Weltwirtschaftsforum organisiert. Er ist bekennender Katholik und auch im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken vertreten. (rv)
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