Lesen Sie hier die Begrüßungsrede im vollem Wortlautf auf Deutsch des Papstes bei seiner Ankunft in Lissabon.
Herr Präsident der Republik,
sehr geehrte Vertreter des Landes,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
meine Damen und Herren!
Erst jetzt war es mir möglich, die freundlichen Einladungen des Herrn Präsidenten und meiner bischöflichen Mitbrüder anzunehmen und diese geschätzte und geschichtsträchtige Nation zu besuchen, die heuer die Hundertjahrfeier der Ausrufung der Republik begeht. Während ich den Boden dieses Landes zum ersten Mal betrete, seit die Göttliche Vorsehung mich auf den Stuhl Petri gerufen hat, fühle ich mich durch Ihrer aller freundliche Anwesenheit und Gastfreundschaft sehr geehrt und bekunde Ihnen meine Dankbarkeit. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre herzlichen Worte der Begrüßung, mit denen Sie die Empfindungen und die Hoffnungen des portugiesischen Volkes zum Ausdruck gebracht haben. Allen, unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Religion, gilt mein freundschaftlicher Gruß und besonders jenen, die zu dieser Begegnung mit mir nicht kommen konnten. Als Pilger komme ich zur Muttergottes von Fatima, der ich vom Höchsten den Auftrag erhalten habe, meine Brüder zu stärken, die auf ihrer Pilgerschaft zum Himmel voranschreiten.
Seit den Anfängen seiner nationalen Existenz hat sich das portugiesische Volk an den Nachfolger Petri gewandt, um als eigenständige Nation anerkannt zu werden. In der Folge hat einer meiner Vorgänger Portugal – in der Person seines Königs – für die großen und langjährigen Dienste für die Sache des Evangeliums mit dem Titel „Fidelissimus" geehrt (vgl. Papst Pius II., Breve Dum tuam, 25.1.1461). Das Geschehen vor 93 Jahren, als sich der Himmel gerade über Portugal auftat – wie ein Fenster der Hoffnung, das Gott öffnet, wenn der Mensch ihm die Türe verschließt –, um im Schoß der Menschheitsfamilie die Bande brüderlicher Solidarität wieder herzustellen, die auf der gegenseitigen Anerkennung ein und desselben Vaters ruhen, ist ein Werk der liebenden Vorsehung Gottes. Es hängt nicht vom Papst ab, noch von irgendeiner kirchlichen Autorität: „Es war nicht die Kirche, die Fatima durchgesetzt hat", – hätte Kardinal Manuel Cerejeira seligen Angedenkens gesagt – „sondern es war Fatima, das sich in der Kirche behauptet hat".
Die Jungfrau Maria ist vom Himmel gekommen, um uns an Wahrheiten des Evangeliums zu erinnern, die für eine lieblose und heilsvergessene Menschheit die Quelle der Hoffnung bilden. Diese Hoffnung besitzt als erste und grundlegende Dimension natürlich nicht die horizontale, sondern die vertikale und transzendente Beziehung. Die Beziehung mit Gott ist für den Menschen wesentlich: er ist auf Gott hin geschaffen und ausgerichtet; er sucht die Wahrheit in der eigenen Erkenntnisstruktur; er strebt in der Willenssphäre nach dem Guten, und er ist in seiner ästhetischen Dimension von der Schönheit angezogen. Das Gewissen ist in dem Maße christlich, wie es sich der Fülle des Lebens und der Weisheit öffnet, die wir in Jesus Christus haben. Der Besuch, der jetzt unter dem Zeichen der Hoffnung beginnt, will ein Angebot der Weisheit und der Sendung sein.
Aus einer weisen Sicht des Lebens und der Welt leitet sich die rechte Ordnung der Gesellschaft her. Die Kirche hat ihren Platz in der Geschichte, und sie ist bereit, mit denen zusammenzuarbeiten, welche die menschliche Auffassung vom Leben grundsätzlich achten und nicht an den Rand drängen oder auf den Privatbereich reduzieren. Es geht hier nicht um eine ethische Auseinandersetzung zwischen einem laizistischen und einem religiösen System, sondern vielmehr um eine Sinnfrage, der sich die eigene Freiheit überläßt. Der Unterschied besteht darin, welcher Wert der Sinnesproblematik und seinen möglichen Folgen im öffentlichen Leben beigemessen wird. Die republikanische Wende, die vor hundert Jahren in Portugal stattgefunden hat, hat – in der Trennung von Kirche und Staat – einen neuen Raum der Freiheit für die Kirche eröffnet, dem die beiden Konkordate von 1940 und 2004 in kulturellen Bereichen und kirchlichen Vorhaben, die stark von raschen Änderungen geprägt sind, Gestalt gegeben haben. Die durch die Veränderungen hervorgerufenen Schwierigkeiten sind im allgemeinen mutig angegangen worden. Das Leben in einer Pluralität von Wertsystemen und ethischen Vorgaben macht es erforderlich, sich zur Mitte des eigenen Ichs und zum Kern des christlichen Glaubens aufzumachen, um die Qualität des Zeugnisses auf die Heiligkeit hin zu stärken und Wege der Sendung zu finden, die bis zur Radikalität des Martyriums gehen.
Liebe Brüder, liebe portugiesische Freunde, ich danke euch nochmals für den herzlichen Empfang. Der Herr segne alle Anwesenden und alle Bewohner dieser edlen und geliebten Nation, die ich der Muttergottes von Fatima anempfehle, dem zarten Bild der Liebe Gottes, die alle als Kinder in ihre Arme schließt. (rv)
Seit den Anfängen seiner nationalen Existenz hat sich das portugiesische Volk an den Nachfolger Petri gewandt, um als eigenständige Nation anerkannt zu werden. In der Folge hat einer meiner Vorgänger Portugal – in der Person seines Königs – für die großen und langjährigen Dienste für die Sache des Evangeliums mit dem Titel „Fidelissimus" geehrt (vgl. Papst Pius II., Breve Dum tuam, 25.1.1461). Das Geschehen vor 93 Jahren, als sich der Himmel gerade über Portugal auftat – wie ein Fenster der Hoffnung, das Gott öffnet, wenn der Mensch ihm die Türe verschließt –, um im Schoß der Menschheitsfamilie die Bande brüderlicher Solidarität wieder herzustellen, die auf der gegenseitigen Anerkennung ein und desselben Vaters ruhen, ist ein Werk der liebenden Vorsehung Gottes. Es hängt nicht vom Papst ab, noch von irgendeiner kirchlichen Autorität: „Es war nicht die Kirche, die Fatima durchgesetzt hat", – hätte Kardinal Manuel Cerejeira seligen Angedenkens gesagt – „sondern es war Fatima, das sich in der Kirche behauptet hat".
Die Jungfrau Maria ist vom Himmel gekommen, um uns an Wahrheiten des Evangeliums zu erinnern, die für eine lieblose und heilsvergessene Menschheit die Quelle der Hoffnung bilden. Diese Hoffnung besitzt als erste und grundlegende Dimension natürlich nicht die horizontale, sondern die vertikale und transzendente Beziehung. Die Beziehung mit Gott ist für den Menschen wesentlich: er ist auf Gott hin geschaffen und ausgerichtet; er sucht die Wahrheit in der eigenen Erkenntnisstruktur; er strebt in der Willenssphäre nach dem Guten, und er ist in seiner ästhetischen Dimension von der Schönheit angezogen. Das Gewissen ist in dem Maße christlich, wie es sich der Fülle des Lebens und der Weisheit öffnet, die wir in Jesus Christus haben. Der Besuch, der jetzt unter dem Zeichen der Hoffnung beginnt, will ein Angebot der Weisheit und der Sendung sein.
Aus einer weisen Sicht des Lebens und der Welt leitet sich die rechte Ordnung der Gesellschaft her. Die Kirche hat ihren Platz in der Geschichte, und sie ist bereit, mit denen zusammenzuarbeiten, welche die menschliche Auffassung vom Leben grundsätzlich achten und nicht an den Rand drängen oder auf den Privatbereich reduzieren. Es geht hier nicht um eine ethische Auseinandersetzung zwischen einem laizistischen und einem religiösen System, sondern vielmehr um eine Sinnfrage, der sich die eigene Freiheit überläßt. Der Unterschied besteht darin, welcher Wert der Sinnesproblematik und seinen möglichen Folgen im öffentlichen Leben beigemessen wird. Die republikanische Wende, die vor hundert Jahren in Portugal stattgefunden hat, hat – in der Trennung von Kirche und Staat – einen neuen Raum der Freiheit für die Kirche eröffnet, dem die beiden Konkordate von 1940 und 2004 in kulturellen Bereichen und kirchlichen Vorhaben, die stark von raschen Änderungen geprägt sind, Gestalt gegeben haben. Die durch die Veränderungen hervorgerufenen Schwierigkeiten sind im allgemeinen mutig angegangen worden. Das Leben in einer Pluralität von Wertsystemen und ethischen Vorgaben macht es erforderlich, sich zur Mitte des eigenen Ichs und zum Kern des christlichen Glaubens aufzumachen, um die Qualität des Zeugnisses auf die Heiligkeit hin zu stärken und Wege der Sendung zu finden, die bis zur Radikalität des Martyriums gehen.
Liebe Brüder, liebe portugiesische Freunde, ich danke euch nochmals für den herzlichen Empfang. Der Herr segne alle Anwesenden und alle Bewohner dieser edlen und geliebten Nation, die ich der Muttergottes von Fatima anempfehle, dem zarten Bild der Liebe Gottes, die alle als Kinder in ihre Arme schließt. (rv)
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