Seit genau 15 Jahren gibt der Vatikan Euromünzen heraus, am 1. März 2002 kamen die ersten auf den Markt. Doch 2017 gibt es eine Neuigkeit: Die vatikanischen Euromünzen tragen nicht mehr das Bild des Papstes. Franziskus wollte es so. Gudrun Sailer hat den Anlass zu einem Besuch im vatikanischen Büro für Numismatik und Filatelie – also für Münzen und Briefmarken – genutzt und festgestellt: Wenigstens auf den Briefmarken darf man sich hier noch mit dem Konterfei des Kirchenoberhauptes austoben.
Malerisch in den vatikanischen Gärten, genau hinter dem Petersdom und leicht erhöht, liegt das Governatorat, die Stadtverwaltung des Vatikanstaats, und darin das Büro für Numismatik und Filatelie. Direktor Mauro Olivieri empfängt uns in seinem geschmackvollen Büro im Parterre, gelber Damast spannt sich über die Wände, Münzkataloge liegen auf dem Schreibtisch, an die Tür hat Olivieri einen Zettel geklebt, „Interview, bitte nicht stören“. Die Abteilung, man erfasst es sofort, ist sehr gut organisiert. Rund 40 Angestellte arbeiten hier, nehmen Bestellungen aus aller Welt entgegen, sortieren Vatikaneuros in passende Kartons, richten die Päckchen zum Versand her. Das Geschäft läuft gut. Woher, Dottor Olivieri, das große Interesse an vatikanischen Münzen und Marken?
„Da gibt es viele Gründen: Der Vatikan, der Heilige Stuhl hat ein zusätzliches Element, das die anderen Länder nicht haben, nämlich den Heiligen Vater. Auch die Schönheit und Bekanntheit der Kunstwerke der Vatikanischen Museen hilft. Das ist eine unerschöpfliche Schatzkammer, nicht nur die Sixtinische Kapelle und Michelangelos Pieta, sondern auch die unzähligen künstlerischen Geheimnisse im Vatikan.“
13 bis 14 Ausgaben von Briefmarken pro Jahr realisiert das Büro, meist mit mehreren Marken im Set, darüber hinaus ein rundes Dutzend Münzen pro Jahr. Die Themen für die Abbildungen, die auf die Münzen und Marken kommen, stimmt Olivieri mit seinen Oberen im Governatorat ab, die wiederum über das Staatssekretariat das Einverständnis des Papstes einholen. Religiöse Themen sind naheliegenderweise die Norm: das Jubeljahr der Barmherzigkeit, der Weltkrankentag, 1950 Jahre Martyrium Petrus und Paulus, 100 Jahre Marienerscheinungen von Fatima, aber auch Weltliches kommt vor, „sogar eine Briefmarke vor einigen Jahren für Charlie Chaplin“, verdeutlicht Olivieri. Dieses Jahr schafft es ein für Vatikan-Verhältnisse wahrhaft ungewöhnliches Thema auf einen Satz päpstlicher Briefmarken: 500 Jahre Reformation.
Vatikan-Briefmarken zur Reformation: „Nur positive Kommentare“
„Kommentare gab es schon…! Aber alle positiv“, erklärt Olivieri. „Wir wissen, die Reformation hat im Lauf der Jahrhunderte für Spannungen gesorgt, aber im Moment sucht man diese Differenzen zu überwinden und ist auf gutem Weg. So haben wir dieses Thema vorgeschlagen, und es wurde genehmigt. Die protestantische Welt, besonders die deutsche, erwartet diese Briefmarkenausgabe mit Neugier und Interesse.“
Kein Wunder, denn Deutschland ist – nach Italien – der wichtigste Absatzmarkt für vatikanische Marken und Münzen. Was letztere anlangt, verzeichnete man im Papststaat vor genau 15 Jahren eine sehr erfreuliche Entwicklung, referiert Dottor Olivieri.
„Da gab es eine Explosion mit dem Eintritt des Vatikans in die Eurozone 2002, und der Markt, der vorher national war, also sehr italienisch, hat sich europäisiert und sogar globalisiert.“
Die Vatikan-Euros mit dem Papstbild – Johannes Paul II. war es damals – gingen weg wie die warmen Semmeln. In langen Schlangen standen die Leute, um einen Satz zu ergattern. Das hat sich inzwischen geändert, sagt der vatikanische Münz-Verantwortliche.
„In 15 Jahren ist das Interesse zurückgegangen, das Phänomen des Spekulierens war vor allem bis 2005 exzessiv, und jetzt ist das normal. Die Münzen des Vatikans laufen immer noch sehr, sehr gut und haben auch Rendite auf den Sekundär-Märkten, aber in einem Klima der Normalität, ohne Exzesse, die wir uns ohnehin nicht wünschen.“
Papstmünzen ohne Papst: Wie ging das zu?
Eine überraschende Neuigkeit bieten die vatikanischen Euros ab 2017: Papst Franziskus erscheint nicht mehr mit seinem Bild auf den Münzen, sondern nur noch mit seinem Wappen. Wie ging das zu, Dottor Olivieri?
„Nun, wir haben schon länger Signale erhalten, dass der Heilige Vater wünschte, nicht mehr mit seinem Bild auf den vatikanischen Münzen und Medaillen aufzutauchen. Vor zwei Jahren begann dieser Prozess, dass er nicht mehr auf den Medaillen abgebildet ist, etwa auf den Gedenkmedaillen, die zu seinen Auslandsreisen geprägt werden. Er wollte, dass sein Profil von da verschwindet. Und nun trifft es auch die Umlaufmünzen. Schon im April 2016 wurde uns dieser Wunsch des Papstes mitgeteilt, für 2016 ließ sich das aber nicht mehr stoppen, einige Münzen waren schon im fortgeschrittenen Stadium der Realisierung, und es hätte Geld und Aufwand gekostet, sie zu ändern. Die letzte vatikanische Euro-Münze mit dem Papst war also die goldene 200-Euro-Münze 2016, sie ist letzten Dezember erschienen.“
Die Münzen ab 2017 ziert also nicht mehr das Gesicht, sondern das Wappen des Papstes. Ist das nicht eine Enttäuschung für viele, gerade für treue Sammler? Ja und nein, erklärt der vatikanische Münz-Chef.
„Zwei Dinge: Zunächst gibt es sicherlich Interesse, denn eine neue Münzenausgabe ruft immer Interesse hervor. Der Vatikan hat ja schon andere auch gemacht in 15 Jahren: die erste mit Johannes Paul II., danach gab es eine mit dem Thema Sedisvakanz, dann Papst Benedikt, dann Papst Franziskus mit seinem Bild – und jetzt Papst Franziskus mit seinem Wappen. Fünf vatikanische Münzausgaben, das ist viel im Vergleich mit allen anderen Euro-Ländern, die höchstens eine oder gar keine neue Kursmünzenausgabe gemacht haben, wie beispielsweise Italien. Da gibt es also viel Interesse derzeit. Klarerweise, mit Blick auf die nachfolgenden Münzen, und bei allem Respekt für die Entscheidung des Heiligen Vaters, die für uns bindend ist und die wir ganz mittragen: die Leute haben lieber Münzen mit dem Bild des Papstes.“
Dennoch ist der Vatikan-Euro 2017 nicht die erste Münze aus dem Papststaat, die ohne Papstbild auskommt. Schon Paul VI. ließ im Heiligen Jahr 1975 eine Vatikan-Münze in Umlauf bringen, die nicht sein Porträt, sondern sein Wappen zierte, erinnert sich Olivieri, der das so einordnet:
„Das Wappen steht mindestens genauso sehr wie das Porträt für ein Pontifikat. Jeder Papst hat sein persönliches Wappen, das seine Person und sein Lehramt identifiziert, vielleicht sogar besser als ein Porträt es könnte. Ein Porträt kann dem Papst ähnlich sehen oder nicht, aber das Wappen ist das Wappen.“
In den Münzen wühlen
Für Radio Vatikan öffnet Mauro Olivieri auch die geheimen Kellerräume des Governatorats. Hier liegt das Magazin des Münz- und Markenamts. In einem hellen kleinen Raum mit vielen Schachteln verrichten drei Frauen in freier Mitarbeit mehrmals pro Jahr eine echte Vertrauensarbeit. Sie stellen die vatikanischen Münz-Sets zusammen, so, wie sie dann in den Handel kommen.
Gerade sind neuen Vatikan-Euros in Arbeit, erklärt Carla Battistoni. Acht verschiedene Münzen müssen einzeln in jedes Set gedrückt werden, „und alles muss schnell gehen“. Akkordarbeit: Rund 200 Sets schafft jede Arbeiterin pro Tag. Nein, Hornhaut hat sie trotzdem keine auf den Fingerkuppen, erklärt Carla Battistoni lachend, aber eine besondere Arbeit ist es natürlich schon – eine Vertrauensarbeit. „Das ist der sechste Papst, den ich mache…!“
Dreimal im Jahr: ein eskortierter Münztransport in den Vatikan
In den Schachteln, die mit rosa, grünen oder blauen Aufklebern geliefert werden, lagern die Münzen so, wie sie angeliefert werden, zu 100 Stück im durchsichtigen Plastiksäckchen. Dreimal im Jahr erfolgt eine Münzlieferung in den Vatikan, diskret und zugleich gut bewacht, wie uns Olivieri erklärt. Der Geldtransport kommt mit einer Eskorte der italienischen Finanzaufsicht, die den Lastwagen von der römischen Münzprägeanstalt an der Via Appia bis an die Vatikan-Mauern absichert, ab da übernimmt die Vatikan-Gendarmerie die Begleitung bis zum Magazin. „Der Transport von Bargeld ist normiert“, so Olivieri, „das sind sehr strenge europäische Regeln, und der Vatikan hält sich strikt daran.“
In der Grafikabteilung wird indessen am Design der nächsten vatikanischen Briefmarken gefeilt. Auch die Postwertzeichen haben eine lange Tradition hier. Die ersten päpstlichen Briefmarken kamen noch zur Zeit des alten Kirchenstaates heraus: 1852, vier Jahre nach der Erfindung der Briefmarke in England 1848. Gedruckt werden die Marken, ähnlich wie die Münzen, außerhalb des Vatikans, denn dazu braucht es spezielle Druckereien; Frankreich, Deutschland, Kanada oder Schweden, das sind die Herkunftsländer der päpstlichen Briefmarken heute. Das Design aber entsteht meist hier im Vatikan. Der Grafiker Roberto Cortesini:
„Bei der Gestaltung der Marken versuchen wir institutionelle Standards zu nutzen. Je nach Möglichkeit und Motiv versuchen wir dann aber auch, etwas Kreativeres und Modernes einzuführen. Die ersten Marken von Papst Franziskus zum Beispiel, die sind ein wenig frischer, weniger klassisch, aber trotzdem attraktiv.“
Nebenan werden aus aller Welt die Bestellungen und Bezahlungen – per Scheck oder Kreditkarte – entgegengenommen, in der Versandabteilung tüten vier Ordensfrauen aus Indien mit etlichen Kollegen, darunter eine junge Frau mit Down-Syndrom, die Münzen und Marken ein und etikettieren sie. Eine gutgeölte und funktionstüchtige Maschinerie, das vatikanische Münz- und Markenamt. Und eine wichtige. Der Verkauf vatikanischer Münzen und Marken ist ein bedeutender Haushaltsposten im Papststaat. Mauro Olivieri:
„Unsere Bilanzen sind öffentlich und einsehbar. In einem Jahr machen wir einen Umsatz von rund 20 Millionen Euro, davon ist gut die Hälfte reiner Erlös. Fast alles fließt ins Funktionieren des Vatikanstaates, des physischen Ortes also, an dem der Heilige Vater sein Amt ausüben kann.“ (rv)
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