Über Rechtspopulismus, Fake-News, soziale Sorge und schwindendes Vertrauen in Institutionen haben die deutschen Bischöfe am Dienstag bei ihrer Vollversammlung gesprochen. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sagte vor Journalisten, die beiden Punkte Gerechtigkeit und Sicherheit seien grundlegend für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Das zeige gerade der Erfolg populistischer Bewegungen und Parteien, Overbeck nannte Pegida und die AfD.
„Wer den Populisten das Wasser abgraben will, muss diese Themen ernst nehmen: Gerechtigkeit mit Blick auf soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit, und Sicherheit. Wir wissen, wenn Bürger das Gefühl haben, dass es insgesamt gerecht und sicher zugeht, dann können sie dem Gemeinwesen mehr Vertrauen entgegenbringen, aber auch den Institutionen.“
Die Frage, ob Christen eine Partei wie die AfD wählen können, wollte Overbeck nicht mit ja oder nein beantworten. Allgemein sei jede in Deutschland offiziell anerkannte Partei „für den Christen anhand gewisser Kriterien wählbar“. Dazu gehöre, dass die Partei die Würde eines jeden Menschen anerkennen müsse, auch wenn er aus guten Gründen flieht; sie müsse auch dialogfähig sein und die Prinzipien von Gerechtigkeit, Solidarität und Subsidiarität anerkennen. Klarer äußerte sich der deutsche Caritaspräsident Peter Neher: „Es ist wenig hilfreich, Wähler der AFD mit dem Stigma des Nichtchristen zu versehen.“
Auf die Frage nach Allianzen zwischen konservativen Christen und populistischen Bewegungen sagte Overbeck, „Frömmigkeit hat immer zwei Seiten, die Gott zugewandte und die dem Nächsten Zugewandte, das sind zwei Seiten einer Medaille, die man nicht trennen darf, weil man sonst nicht Jesus entsprechend agiert. Das ist umgesetztes christliches Leben im Alltag.“
Neher arbeitete drei Punkte heraus, die aus seiner Sicht das Vertrauen in den Sozialstaat bestärken: soziale Ungleichheit mindern, Grundsicherung erhöhen und Zugang zu Bildung sichern. Neher: „Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist dann gefährdet, wenn Menschen sich ausgegrenzt fühlen, wenn sie keine Chancen mehr für sich und ihre Kinder sehen. Oder unter Abstiegsängsten leiden, wie wir das zunehmend in der unteren und unteren Mittelschicht wahrnehmen. Diese Abstiegsängste können dazu führen, dass sich die Mittelschicht nach unten abschottet und die Bereitschaft zur Solidarität mit den Schwächeren sinkt.“
Zudem gebe es weitere diffuse Ängste, die sich bevorzugt an jenen festmachen, die noch weniger haben als die sozial schwächsten Schichten in Deutschland: „Flüchtlinge sind die neuen Hexen“; formulierte Neher in Anlehnung an den Psychologen Stephan Grünewald.
Der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip führte die grassierende Verunsicherung in der Gesellschaft auch auf die Entwicklung des Mediensystems zurück. Viele zögen sich zurück in die „Echoräume ihrer Selbstbestätigung“. „Fakenews haben da leichtes Spiel, während gleichzeitig viele Menschen jene Medien, die ihnen Fakten bringen, die sie infrage stellen, als Lügenpresse diffamieren“. Zugleich seien auch traditionelle Medien dazu gezwungen, sich auf Konflikte und Skandale zu konzentrieren. „Offenbar sind sich viele Menschen über diese Mechanismus nicht im Klaren und nehmen di Verzerrung der Wirklichkeit nicht war. Wir sind eine Gesellschaft geworden, die sich selbst gegenüber massive Vorurteile hat.“ Christen sollten in einer solchen Lage, so der katholische Sozialethiker, immer auch von ihrer Hoffnung sprechen. Kruip zitierte die Würzburger Synode: Die Welt braucht keine Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeit durch Religion.
Die deutschen Bischöfe hatten am Montag ihre Frühjahrsvollversammlung begonnen. Im Mittelpunkt ihrer Beratungen stehen auch der Umgang mit Flüchtlingen, die Priesterausbildung und die ökumenischen Feiern zum 500. Reformationsjubiläum. Das Treffen dauert bis Donnerstag, Sitzungsort ist Bergisch Gladbach-Bensberg. (rv)
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