Einmal die Päpste erleben, die vor Jahrhunderten die Kirchengeschicke gelenkt, aber auch die Weltpolitik beeinflusst haben und heute oftmals in Vergessenheit geraten sind: Ab dem 21. Mai bekommen die Besucher einer Ausstellung in Mannheim die Chance, hinter die Kulissen des jahrhundertelangen Papsttums zu blicken. Stefan Weinfurter, Professor an der Universität und Leiter des Forschungsstelle Geschichte und kulturelles Erbe, spricht im Interview mit dem Erzbistum Freiburg über die Ausstellung „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“, die er mit verantwortet.
Derzeit steht Europa in der öffentlichen Diskussion oftmals im Fokus. Ein paar Stichworte: Wahlen in Frankreich, der Brexit, die Euro-Krise und Pulse of Europe. Doch wie geht es weiter mit Europa? Die einen fürchten Verlust der Nationalstaaten, die anderen fordern die Vereinigten Staaten von Europa. Aber schon in der lange zurück liegenden Vergangenheit haben sich Kirchenoberhäupter um die Einheit Europas verdient gemacht. Das sagt der Heidelberger Professor Stefan Weinfurter. Es sei wichtig, die Rolle der Kirche im Einigungsprozess Europas zu beleuchten und neu in Erinnerung zu rufen:
Der Einfluss der Päpste
„Die Päpste haben über Jahrhunderte hin die Kultur, die Wertevorstellungen auch die politische Ordnung in Europa in ganz hohem Maße beeinflusst, man kann sogar sagen, bestimmt. Das Papsttum und Europa gehören eng zusammen. Und wenn wir in der heutigen Zeit an Europa in dem Sinn arbeiten müssen, dass wir uns als Europäische Gemeinschaft verstehen, dann sollten wir schon auch den Blick darauf richten, wo jedenfalls große Teile unseres Europäischen Fundaments gelegt worden sind.“
Genau deshalb ist für ihn die Ausstellung „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ in Mannheim, die er mit verantwortet hat, so wichtig. Denn das Papsttum war von Anfang an als eine grenzüberschreitende Institution gedacht, erklärt der Historiker. Vor hunderten Jahren gab es in Europa unzählige Kleinstaaten und Nationalismus wurde großgeschrieben. Aber schon damals hätten die Päpste eine Rolle gehabt, die ein bisschen mit der heutigen Europäischen Gemeinschaft vergleichbar sei, sagt Professor Weinfurter:
Frieden und Gerechtigkeit
„Eine Institution, die von Anfang an europäische Dimensionen hat, die von Anfang an versucht, in Europa Frieden und Gerechtigkeit herzustellen. Man muss sich immer klar machen, dass das päpstliche Gericht über Jahrhunderte das Entscheidungsgericht für europäische Fälle war, nicht nur für die hohe Politik, sondern auch für die einfachen Menschen, die sich mit ihren Sorgen oder Streitigkeiten, Familienstreitigkeiten ein Urteil geholt haben und das hat gegolten. Das ist so etwas wie ein Vorgänger des Europäischen Gerichtshofes.“
Das gesamte heutige Rechtssystem, aber auch das Verständnis von Rechtsprechung in Europa basiere auf dem der Antike, ergänzt Weinfurter. Das sei den Päpsten zu verdanken. Denn die hätten das kanonische Recht, also das Kirchenrecht, auf dem römischen Gesetz aufgebaut – und so diese „Grundsätze in das europäische Denken transferiert“.
Das alles herauszuarbeiten und so viele Informationen über die Päpste zusammenzustellen sei alles andere als einfach gewesen, sagt Weinfurter: „Das Thema Papsttum ist zeitlich und räumlich sehr groß, das muss man sich immer klar machen. Wir wollen einen Zeitraum von 1500 Jahren darstellen und weite Teile Europas in den Blick nehmen. Das macht das Unternehmen von Anfang an nicht einfach.“
Auf den Spuren des frühen Papsttums
Damit Weinfurter und sein Team die Ausstellungsstücke zusammentragen konnten, waren sie auf die Zusammenarbeit mit dem Vatikan angewiesen. Vor Ort in Rom und im Kirchenstaat waren Professor Weinfurter und seine Kollegen mit den Vatikanmitarbeitern auf den Spuren des frühen Papsttums unterwegs:
„Wir sind in die Katakomben geführt worden. Wir haben die Kirchen kennen gelernt, die frühesten Kirchen. Wir haben mit hervorragenden Leuten zusammen gearbeitet, die auf den jüngsten, modernsten, neuesten archäologischen Befunden basierend zum ersten Mal die Peterskirche, also Alt-St. Peter, rekonstruieren konnten. Wir wissen jetzt, und in der Ausstellung wird das gezeigt werden, wie Alt-St. Peter ausgesehen hat, wie die Säulen ausgesehen haben, die Wandgestaltung. Das ist alles sensationell neu.“
In diesem Jahr wird weltweit an 500 Jahre Reformation erinnert. Die Päpste haben bei der Spaltung von katholischer und protestantischer Kirche natürlich eine zentrale Rolle gespielt, sagt Professor Weinfurter. Doch es darauf herunter zu brechen, auch das zeigt die Ausstellung, sei zu einfach. „Denn Papsttum, katholische, evangelische und andere Kirchen beruhen auf gemeinsamen Wuzeln, auf dem Evangelium“, erklärt Weinfurter und ergänzt: „Wir gehören alle zusammen.“
Die Sonderausstellung „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum startet am Sonntag und läuft noch bis zum 31. Oktober 2017. (rv)
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