BAMBERG – Für viele ist es der Stoff, in den Jesus Christus im Grab umhüllt war – andere sind sich alles andere als sicher: Das Turiner Grabtuch gehört sicherlich zu den meistdiskutierten Andachtsgegenständen der Welt.
Der Malteserorden hat sich fast wie im Krimi zusammen mit Experten auf Spurensuche gemacht, um zusammenzutragen, welche Indizien die moderne Wissenschaft beitragen kann: Was sagt das Tuch sozusagen über sich selbst aus?
Herausgekommen ist eine Wanderausstellung, die den Betrachter auf den neuesten Stand der Sindonologie, der Grabtuchkunde, bringt. Dabei möchte man Gläubige ebenso ansprechen wie wissenschaftlich Interessierte.
Für Markus Nietert, den Diözesanpressereferenten des Malteserordens in der Erzdiözese Bamberg, ist das Ganze „spannender als jeder Franken-Tatort“.
Beim Rundgang durch die 20 Stelen, vorbei unter anderem an originalgetreuen Nachbildungen des 4,40 mal 1,13 Meter großen Tuches, der Geißeln, und der Dornenhaube, sprudeln die Fakten: Zur Praxis der Geißelung etwa, warum die 1969 von Monsignore Giulio Ricci gezählten 117 kleineren Wunden darauf schließen lassen, dass der Mann auf dem Tuch nach römischer Art, aber in Judäa gegeißelt wurde. Oder zur Frage nach dem fehlenden Finger an der linken Hand; zur „Aussage“ der Brandlöcher.
Erkenntnisse aus neuen Analysen
Viele kennen aus den Medien die Entdeckung des „positiven Negativs“ des Körperabdrucks, durch den Rechtsanwalt Secondo Pia 1898, der das Tuch als erster fotografierte. Sie war der Anfang einer Reihe spektakulärer Untersuchungen, die versuchen, sich mit immer aufwändigeren Methoden dem Geheimnis des Tuches zu nähern. Mittlerweile kann mithilfe eines speziellen Bildanalyse-Computers der NASA (die damit die Marsoberfläche plastisch darstellt) und einem Foto des Tuchs ein perfektes, dreidimensionales Bild eines liegenden Mannes erstellt werden.
Zur Datierung des Tuches werden heute neben der bei verschmutzten Stoffen nur bedingt aussagekräftigen Radiokarbon-Methode gleich drei alternative Verfahren (FT-Infrarotspektroskopie, Raman-Spektroskopie und die sogenannte multiparametrische Methode) eingesetzt. Ergebnis: Der Durchschnittswert aller drei Ergebnisse liegt bei 33 vor Christus, mit einer möglichen Abweichung von maximal 200 Jahren.
Professor Ray Rogers, Chemiker der Los Alamos Nationallaboratorien in den USA, konnte das 2003 durch die Bestimmung des Vanillingehalts des Tuches bestätigen, der sich durch den gleichmäßigen Zerfall des im Leinen enthaltenen Lignins ergibt.
Straßenschmutz aus Jerusalem
Auch Krimifan Nietert begeistern die Funde im Mikrokosmos des Tuchs. Pollen der Distel Gundelia tournefortii und des äußerst seltenen buschigen Jochblatts habe man gefunden, das nur auf dem Sinai und in der Wüste um das Tote Meer wachse. Beide zusammen könne man nur in einem schmalen Streifen zwischen Jerusalem und Hebron finden. Auch der gefundene Straßenschmutz sei eindeutig aus der Gegend um Jerusalem. „Immer wieder schließt sich der Kreis“, findet er und zieht Vergleiche mit Aussagen der Bibel, die durch die Funde eindeutig bestätigt werden.
Die Bamberger Malteser hatten die Ausstellung anlässlich ihres 60-jährigen Jubiläums in ihre Heimatstadt geholt, um sich bei der Erzdiözese zu bedanken. „Sie haben bei mir offene Türen eingerannt“, erklärt Dr. Holger Kempkens, Leiter des Diözesanmuseums.
Selbst vom Tuch fasziniert, freut er sich über das breite Besucherspektrum, das durchaus über den „normalen“ Museumsbesucher hinausgehe. Bamberg sei als Ausstellungsort besonders geeignet:
„Die Malteser – Ausstellung fügt sich nahtlos in die hier bereits vorhandenen Passionsreliquien ein – wobei das Tuch offiziell ja nicht als Reliquie bezeichnet werden soll, sondern als Ikone – aber wenn sie schon hier sind, können die Leute auch auf die anderen Schätze unserer Sammlung aufmerksam werden.“
Die offizielle Haltung der Kirche zum Grabtuch will der Orden auf keinen Fall in Frage stellen. Überhaupt wolle man nicht missionieren, sondern Fakten zeigen, betont Markus Nietert und räumt ein: „Schön wäre es aber schon, wenn sich der eine oder andere Besucher am Ende der Ausstellung fragen würde, welche Konsequenzen es für sein Leben hätte, wenn die Berichte der Bibel tatsächlich wahr wären.“
Papst Franziskus, aus Anlass der Ausstellung des Turiner Grabtuchs am Karsamstag 2013, sagte in einer Video-Botschaft: „Lassen wir uns also von diesem Blick berühren, der nicht unser Auge sucht, sondern unser Herz.“
Die Ausstellung ist noch bis zum 22.10.2017 im Bamberger Diözesanmuseum zu sehen. Informationen unter domtouristik-info@erzbistum-bamberg.de (CNA Deutsch)
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