Mit einem Aufruf zur Einheit hat sich der Papst an diesem Dienstagmorgen (Ortszeit) an 17 religiöse Führer Myanmars gewandt. Die Begegnung am Sitz des Erzbischofs von Rangun war nachträglich und auf Anregung von Kardinal Bo in das päpstliche Reiseprogramm aufgenommen worden.
Bei dem circa 40-minütigen Treffen wandte sich der Papst in freier Rede an die buddhistischen, islamischen, hinduistischen und jüdischen Religionsvertreter. Von christlicher Seite war unter anderem ein Vertreter der anglikanischen Kirche anwesend.
Eine Ansprache des Papstes war eigentlich gar nicht vorgesehen gewesen. Franziskus sprach auf Spanisch; er erinnerte an einen Vers aus den Psalmen. „Wie gut und wie schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). In Eintracht – auf Spanisch „unidos“.
„In Eintracht heißt nicht gleich. Eintracht ist nicht Gleichförmigkeit, noch nicht einmal innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft. Jeder hat seine Werte, seine Reichtümer, auch seine Defizite. Wir sind alle verschieden, und jede Glaubensgemeinschaft hat ihre Traditionen, ihre Reichtümer, um sie mit anderen zu teilen. Das allerdings ist nur möglich, wenn man in Frieden lebt. Frieden baut man im Chor der Unterschiede auf: Eintracht geht immer mit den Verschiedenheiten einher.“
Das erinnert an die Formel „Einheit in der Vielfalt“, die vor allem im ökumenischen Bereich eine wichtige Rolle spielt – Franziskus deklinierte sie nun im Interreligiösen durch.
Dann ging er auf einen Begriff ein, der in Asien eine große Rolle spielt und der auch im Gespräch der Religionsführer mehrfach gefallen war: Harmonie.
„Das ist der Frieden: die Harmonie. Die Harmonie. In diesen Zeiten, in denen wir leben, erleben wir weltweit eine Tendenz zum Uniformen hin, zur Gleichmacherei. Das bedeutet, das Menschliche zu töten – das ist eine kulturelle Kolonisierung! Wir müssen vielmehr den Reichtum unserer Unterschiede verstehen (der ethnischen, religiösen Unterschiede), und von diesen Unterschieden ausgehend in einen Dialog eintreten. Von diesen Unterschieden aus lernt einer vom anderen, als Geschwister.“
Er wünsche den Religionen in Myanmar, dass sie „sich als Geschwister gegenseitig helfen, dieses Land aufzubauen“. Das Land verfüge schon geografisch und in seiner Natur „über so viele Reichtümer und Unterschiede“, formulierte Franziskus; dabei umschiffte er den heiklen Punkt, dass das 54-Millionen-Volk auch an Ethnien reich ist; es sind weit über hundert, und die Konflikte unter ihnen reißen das Land fast auseinander.“
„Wir sollten keine Angst vor den Unterschieden haben! Einer ist unser Vater – wir sind Geschwister. Lieben wir uns also als Geschwister! Und wenn wir untereinander streiten, dann sei das ein Streit unter Geschwistern, die sich dann wieder untereinander versöhnen. Sie bleiben doch immer Geschwister! Ich denke, dass man nur so den Frieden aufbauen kann.“
Noch einmal wiederholte der Papst beschwörend, die Religionen Myanmars sollten „sich nicht gleichförmig machen lassen durch die Kolonisierung der Kulturen“. „Echte, göttliche Harmonie entsteht gerade durch die Unterschiede“, insistierte er; Unterschiede seien keine Hindernisse, sondern vielmehr „ein Reichtum für den Frieden“.
Als „einer der Geschwister“ ließ es sich der Papst nicht nehmen, die Anwesenden zu segnen; er sprach den Aaronssegen, die ältesten Segensworte der Bibel (Num 6,24-26). (rv)
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