MELBOURNE ,- Auch wenn der Fall in Berufung gehen soll: Der öffentliche Druck auf Papst Franziskus wächst, den wegen der Vertuschung von Kindesmissbrauch zu einer Haftstrafe verurteilten Erzbischof von Adelaide (Südaustralien) zum Rücktritt zu zwingen. Der Nationale Priesterrat des Landes hat nun öffentlich darum gebeten, „dass der Heilige Vater Erzbischof Philip Wilson aus seinem Amt entfernt“.
Der 1970 gegründeten National Council of Priests (NCP), einer von zwei großen Kleriker-Verbänden in Australien, gehören rund 1.700 Geistliche an. In einer auf den 20. Juli datierten Mitteilung des NCP-Vorsitzenden, Pater James Clarke, heißt es, der Erzbischof habe zwar das Recht, seine Verurteilung anzufechten. Sein Amt sei dadurch jedoch kompromittiert.
„Das Wohlergehen des Gottesvolkes der Erzdiözese Adelaide muss Vorrang haben vor dem Wunsch des Einzelnen, im Amt zu bleiben“.
Wenn ein Pfarrer beschuldigt oder verklagt werde, dann werde er bis zur Klärung der Vorwürfe automatisch vom Amt suspendiert, so Clarke weiter. Wilson dagegen habe sein Amt erst nach dem Urteil ruhen lassen: „Ein Affront gegen Priester und Laien“ sei diese Ungerechtigkeit, moniert der Priesterrats-Vorsitzende im Statement.
Deutlich wurde bereits am 13. Juli der angehende Erzbischof von Australiens größter Diözese, Peter Comensoli. Der 54-jährige, bislang Bischof von Broken Bay (Neusüdwales) betonte, er sage öffentlich, wozu er und andere Bischöfe Wilson privat ebenfalls bereits geraten hätten: „Philip Wilson hat sich entschieden, nicht seinen Rücktritt anzubieten, und hat zurecht darauf hingewiesen, dass er ein Recht darauf habe, Berufung einzulegen, was er auch getan hat. Aber bei alledem gibt es auch die Frage, was gut für das Volk Gottes ist unter diesen Umständen, und ganz besonders, was gut wäre für die Menschen in der Erzdiözese Adelaide.“
Im Erzbistum Adelaide lebten im Jahr 2006 rund 275.000 Katholiken – ein gutes Fünftel der 1,3 Millionen Einwohner großen Hauptstadt des Bundestaates Südaustralien.
Wenige Tage später, am 16. Juli, forderte dann der katholische Premierminister Australiens, Malcolm Turnbull, vor einem Treffen mit Bischöfen, der Papst solle Wilson „entlassen“. Oppositionsführer Bill Shorten von der Labor-Partei stimmte Turnbull zu.
Ein Gericht in Neusüdwales hatte, wie CNA Deutsch berichtete, den Oberhirten von Adelaide am 22. Mai 2018 der Vertuschung sexuellen Missbrauchs für schuldig befunden, den ein – mittlerweile verstorbener – Priester in den 1970er Jahren begangen hatte. Zu dieser Zeit war Wilson selber noch ein junger Priester. Doch selbst als der pädophile Täter 2004 angeklagt wurde, schwieg Wilson weiter – und machte sich somit der Vertuschung schuldig, so das Urteil.
Nun haben Wilsons Anwälte, die unter anderem zur Verteidigung erklärt hatten, ihr Mandant könne sich nicht erinnern, angekündigt, man werde in Berufung zu gehen. Ob der 67-jährige Wilson, der unter anderem an Alzheimer leiden soll, eine Haftstrafe hinter Gittern verbüßen oder einen Hausarrest mit elektronischer Fessel: Das entscheidet die Justiz am 14. August. Bis dahin soll unter anderem die Unterkunft des auf Kaution freien Würdenträgers untersucht und entschieden werden, ob diese für einen Arrest geeignet ist.
Erzbischof Wilson ist der weltweit ranghöchste Kirchenvertreter, der bislang wegen des Vergehens der Vertuschung gerichtlich verurteilt worden ist – und der Fall ist der erste nach Veröffentlichung der „Empfehlungen“ der Royal Commission.
Dieser richterliche Untersuchungsauschuss hatte, wie CNA Deutsch berichtete, jahrelang Fälle sexuellen Missbrauchs in allen gesellschaftlichen Institutionen Australiens, darunter katholischen, untersucht und dokumentiert, mit dem Ergebnis einer ganzen Reihe von Empfehlungen an Staat und Einrichtungen, um Missbrauch in Zukunft zu verhindern. Für weltweite Aufmerksamkeit sorgte die von manchen Bundesstaaten aufgegriffene Empfehlung, Priester zu zwingen, in Fällen von gebeichtetem Missbrauch das Beichtgeheimnis zu brechen und die Behörden einzuschalten.
Der Fall Wilson wird vor diesem Hintergrund von Beobachtern vor Ort als besonderer Präzedenzfall bewertet, und Opferverbände haben bereits gefordert, dass diesem weitere folgen müssen. Peter Gogarty, selber eines der Opfer des lange vertuschten Missbrauchs im Fall Wilson, sagte gegenüber dem staatlchen Rundfunksender ABC:
„Wenn Wilson der Einzige ist, der strafrechtlich verfolgt wird, dann kann er sich als sehr schlecht behandelt fühlen, denn – wie die Royal Commission deutlich gezeigt hat, war er keineswegs der einzige Vertreter einer Institution, die es versäumt hat, Missbrauchsvorwürfe aufzuklären.“
Das Verhalten des Papstes in diesem Fall indessen könnte eine Signalwirkung für die ganze Weltkirche haben, auch und gerade angesichts der aktuellen Welle von Skandalen, die unter anderem Bischöfe und Kardinäle in Honduras, Chile und den USA betrifft.
Das Tagesgeschäft im Erzbistum Adelaide indessen leitet bereits seit dem 3. Juni ein anderer: Franziskus hat Bischof Greg O’Kelly zum Apostolischen Administrator ernannt. Der Jesuit ist Bischof der Diözese Port Pirie (Südaustralien). (CNA Deutsch)
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