VATIKANSTADT – Der Vatikan hat am heutigen Samstag angekündigt, die vorliegenden Akten im Fall McCarrick zu prüfen. Dabei handelt es sich um Unterlagen rund um die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs Minderjähriger sowie junger Männer gegen Erzbischof Theodore McCarrick. Im Raum stehen auch Vorwürfe gegen Papst Franziskus, die der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA erhoben hat, Erzbischof Carlo Maria Viganò.
Die Erzdiözese New York hat bereits eine offizielle Untersuchung der Vorwürfe abgeschlossen, McCarrick habe einen Teenager in New York sexuell missbraucht.
Das Erzbistum hält die Beweise für „glaubwürdig“, so das im Juni vorgestellte Ergebnis der Ermittlungen, wie CNA Deutsch berichtete.
In seiner am heutigen 6. Oktober veröffentlichten Erklärung teilt der Vatikan mit, Papst Franziskus habe beschlossen, die Ergebnisse dieser Untersuchung
„mit einem weiteren gründlichen Studium der gesamten Dokumentation, die im Archiv der Dikasterien und Ämter des Heiligen Stuhls über den ehemaligen Kardinal McCarrick vorliegt, zu kombinieren, um alle relevanten Fakten zu ermitteln, sie in ihren historischen Kontext zu stellen und objektiv zu bewerten“.
„Der Heilige Stuhl ist sich bewusst, dass sich aus der Untersuchung der Fakten und Umstände ergeben kann, dass Entscheidungen getroffen wurden, die nicht mit einer zeitgemäßen Herangehensweise an solche Themen übereinstimmen würden“, fügt die Erklärung hinzu.
Man werde jedoch „dem Weg der Wahrheit folgen, wohin dieser auch führt“, so die Mitteilung weiter.
Kardinal Daniel DiNardo, Vorsitzender der US-Bischofskonferenz, hat den Papst wiederholt um eine gründliche vatikanische Untersuchung – eine Apostolische Visitation – des Falls McCarrick und seiner kirchlichen Laufbahn in den USA gebeten.
Obwohl DiNardo diese Bitte während eines Treffens zwischen dem Papst und den Leitern der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten am 13. September wiederholte, hat der Vatikan es bisher abgelehnt, diese Visitation anzuordnen.
Auch die heute angekündigte Untersuchung ist keine apostolische Visitation. Vielmehr werden Dokumente geprüft, die sich bereits „im Archiv der Dikasterien und Ämter des Heiligen Stuhls“ befinden.
Quellen haben der CNA gegenüber bestätigt, dass Papst Franziskus am 8. Oktober privat mit DiNardo und Erzbischof Jose Gomez, dem stellvertretenden Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz, zusammentreffen soll.
Eine mit der Untersuchung vertraute Quelle sagte gegenüber CNA, dass die Erzdiözese Washington zusätzliche Informationen über McCarrick gesammelt hat, die in die vatikanische Ermittlung einbezogen werden könnten.
Fest steht: Zumindest einige Bischöfe sind mit McCarricks mutmaßlichem Fehlverhalten seit 2005 vertraut. Zwei Diözesen in New Jersey erzielten damals mit einigen mutmaßlichen Opfern des Erzbischofs einen Rechtsvergleich. Im Jahr 2007 wurde ein weiterer Vergleich erzielt.
Der Skandal löste auch Fragen aus darüber, ob diese Bischöfe richtig auf die Kenntnis von Anschuldigungen gegen McCarrick reagiert haben. Unklar ist zudem bis heute, ob und wann weitere Bischöfe, darunter Kardinal Donald Wuerl von Washington, Kenntnis vom Verhalten des Erzbischofs hatten.
Der Leiter des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben, Kardinal Kevin Farrell, lebte jahrelang mit McCarrick zusammen. In einem Video-Statement erklärte er, nichts gewußt zu haben.
Ein weiterer amerikanischer Bischof, Kardinal Joseph Tobin von Newark, sagte einem Journalisten im August, dass er 2017 Gerüchte über sexuelles Fehlverhalten von McCarrick gehört habe. Er habe es aber abgelehnt, diese zu untersuchen, weil sie ihm unglaubwürdig schienen.
Am 25. August veröffentlichte Erzbischof Carlo Maria Vigano einen Offenen Brief, in dem er behauptet, dass er ab 2006 Berichte über McCarricks Fehlverhalten erstellt habe. Zudem gebe es sei seit dem Jahr 2000 Berichte über dessen Taten. Diese Berichte sind jedoch laut Viganò weitgehend ignoriert worden, bis Papst Benedikt XVI. im Jahr 2009 oder 2010 mehrere Sanktionen gegen McCarrick verhängte.
Vigano behauptet weiter, dass Papst Franziskus diese Beschränkungen McCarricks jedoch kurz nach seiner Wahl zum Papst aufgehoben hat – und dass McCarrick ein enger Berater von Franziskus gewesen sei.
Zu diesen Vorwürfen macht Papst Franziskus bislang keine direkten Aussagen.
In einem zweiten Brief, der am 29. September veröffentlicht wurde, behauptet Vigano, dass Kardinal Marc Ouellet, Präfekt der Kongregation für die Bischöfe, über den Fall McCarrick informiert sei, und forderte ihn auf, „die Wahrheit zu bezeugen“.
Während einige Behauptungen aus dem Vigano-Brief bestätigt wurden, wurde die Wahrhaftigkeit anderer Behauptungen in Frage gestellt, was zu erheblichen Kontroversen über deren Gehalt führte.
Erzbischof Vigano hat behauptet, dass Akten im Archiv des Vatikans und seiner Nuntiatur-Botschaft in den USA seine Anschuldigungen bestätigen werden.
In der Erklärung des Vatikans vom 6. Oktober ist von einer geänderten Kultur und Klerikalismus die Rede. Wörtlich heißt es: „Sowohl Missbrauch als auch seine Vertuschung können nicht mehr toleriert werden, und eine andere Behandlung von Bischöfen, die Missbrauch begangen oder vertuscht haben, stellt in der Tat eine Form von Klerikalismus dar, die nicht mehr akzeptabel ist“.
Auf dem Rückflug seiner Baltikum-Visite hatte Papst Franziskus gegenüber Journalisten gesagt, es sei unfair, heutige moralische Maßstäbe an frühere Vertuschungen anzulegen: Früher seien solche Verbrechen stets verschleiert worden. „Man hat sie auch zu Hause vertuscht: als der Onkel die Nichte vergewaltigte, als der Vater seine Kinder vergewaltigte. Es wurde vertuscht, weil es so beschämend war“, so Franziskus am 25. September 2018.
In der Mitteilung von heute heißt es: „Der Heilige Vater Papst Franziskus erneuert seine dringende Aufforderung, die Kräfte zu vereinen, um gegen die schwere Geißel des Missbrauchs innerhalb und außerhalb der Kirche zu kämpfen und zu verhindern, dass solche Verbrechen in Zukunft zum Schaden der unschuldigsten und verletzlichsten Menschen in der Gesellschaft begangen werden“. (CNA Deutsch)
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