Die Interview-Äußerungen Papst Benedikts XVI. zum Kondom-Gebrauch haben am Wochenende und auch an diesem Montag große Resonanz gefunden. Die katholische Kirche ändere seine Lehre nicht, stellte Vatikansprecher Federico Lombardi am Sonntag klar. Trotzdem sorgten die im „L´Osservatore Romano" veröffentlichten Passagen für Diskussionsstoff.
Deutsche Stimmen
Der Chef des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor, Josef Sayer, begrüßt die Erläuterung Benedikts gegenüber der Nutzung von Kondomen. Der „Frankfurter Rundschau" (Montag) sagte er: „Wir machen uns ein Stück weit ehrlicher. In der Praxis freilich waren wir längst dort angekommen. Unsere Partner haben Kondome nicht ausgeschlossen, weil sie in ihnen ein Mittel im Kampf gegen den Tod durch Ansteckung sahen." Wenn Papst Benedikt XVI. jetzt auf medizinische Aspekte der Verringerung der Ansteckungsgefahr abhebe, dann liege das eben auf der Linie der pastoralen Praxis vor Ort, erläuterte Sayer. „Ich finde es hervorragend, dass Papst Benedikt XVI. zur Kenntnis nimmt und unterstreicht, was die Kirche alles leistet in der HIV-Prävention und der Betreuung Aidskranker. Das ist schon heute enorm. Und wenn der Papst noch größeren Einsatz fordert, gebe ich ihm auch da Recht." Gleichzeitig mahnte Sayer, dass eine Aufhebung des Kondomverbots in der katholischen Kirche keine Lösung des Aids-Problems bedeute. Aids sei nur in den Griff zu bekommen, wenn „wir eine Kultur verantwortlicher Sexualität aufbauen. Darum geht es Benedikt. Dazu braucht es eine umfassende Sexualerziehung, beginnend in den Familien".
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) stellt sich ebenfalls hinter die Äußerungen von Benedikt XVI. Die Papstworte seien ein wichtiger Schritt im Kampf gegen HIV und Aids, erklärte DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn am Montag in Berlin.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte am Sonntag in Rom: „Wenn es eine Öffnung ist zum Kondomgebrauch, kann ich das nur begrüßen." Allerdings kenne er den Text noch nicht. Den Gebrauch von Kondomen zu verbieten, habe er noch nie für richtig gehalten, schon allein wegen der Aids-Problematik, betonte Schneider.
Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Friedrich, sagte, er wäre „froh", wenn sich jetzt die Meinung durchgesetzt hätte, dass die Verwendung von Kondomen zur Vorbeugung von Aids in bestimmten Fällen angebracht ist. „Weil das Menschen das Leben retten könnte", argumentierte Friedrich.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte, die Verlautbarung des Papstes sei von vielen Menschen freudig aufgenommen worden. Sie hoffe auf weitere Verlautbarungen dieser Art, „das ist positiv für alle Menschen dieser Welt".
Internationale Stimmen
Weiter wurden die Äußerungen des Papstes auch auf den mehrheitlich katholischen Philippinen begrüßt. Ein Vertreter der Katholischen Bischofskonferenz meinte, man sehe nun einen aufgeklärten Papst, der seiner Sorge um das menschliche Leben Priorität einräume.
Französische Kirchenführer dagegen reagierten zurückhaltend. Sie stellten keine Meinungsänderung dar, erklärte Kardinal Philippe Barbarin von Lyon in der Tageszeitung „Le Parisien" (Montag). Sexualität müsse Ausdruck der in Treue gelebten Liebe sein. Wenn dies nicht der Fall sei und die Sexualität schon nicht Quelle des Lebens sei, dürfe Sexualität zumindest nicht Quelle des Todes werden.
Bischof Stanislas Lalanne von Coutances, früherer Sprecher der Bischofskonferenz, sagte im Rundfunksender „Europe1", die Äußerungen des Papstes seien keine Revolution. Allerdings sei die Haltung klarer ausgesprochen worden als früher. Lalanne schloss aus, dass der Papst künftig über die von Benedikt XVI. jetzt vertretene Linie hinausgehen werde.
In der Tageszeitung „La Croix" (Montag) urteilte der Moraltheologe Xavier Lacroix, es handele sich nicht um eine grundlegende Kursänderung. Benedikt XVI. wie sein Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) hätten immer hervorgehoben, dass Präservative nicht das einzige Mittel zur Bekämpfung von Aids sein dürften.
Auch der Religionshistoriker Frederic Lenoir erinnerte daran, dass Enthaltsamkeit und Treue weiter in katholischer Sicht die entscheidenden Werte blieben. Es gehe dem Papst nicht um alltäglich gelebte Sexualität, sondern einen bestimmten Fall der Gesundheitsvorsorge. Hier wende er nur die Lehre vom kleineren Übel an. (rv)
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