Die Lage von rund achtzig eritreischen Geiseln auf der Sinai-Halbinsel verschärft sich. Seit etwa einem Monat werden die Flüchtlinge, die meisten von ihnen aus Eritrea, von ägyptischen Menschenhändlern unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten; sechs von ihnen wurden in den letzten Tagen von ihren Bewachern ermordet. Der Papst hatte am letzten Sonntag an die Rechte der Flüchtlinge erinnert und zur Solidarität mit ihnen aufgerufen. Don Mussie Zerai ist Präsident der eritreischen Agentur und Hilfsplattform „Habeshia" für Zusammenarbeit und Entwicklung. Er hatte an diesem Montag Kontakt mit den Flüchtlingen.
„Die Gefangenen erleben schreckliche Bedingungen, sowohl was Hygiene und Gesundheit betrifft, als auch Misshandlungen, denen sie ausgesetzt sind. Einige von ihnen bräuchten medizinische Hilfe. Es sind schwangere Frauen darunter, die zum Arzt müssten, sie leiden Hunger und Durst. Sie tragen Ketten an den Füßen, sind seit Tagen ohne Essen, leiden unter ständigen Misshandlungen. Die Geiselnehmer wollen von jedem 8.000 Dollar. Das Ultimatum ging am Sonntag zu Ende, und jeder hat über Verwandte bereits 500 Dollar zahlen müssen, um das eigene Leben zu retten. Wir wissen, dass sechs der Flüchtlinge getötet wurden. Den anderen kann dasselbe passieren."
Insgesamt 250 Flüchtlinge – 80 davon offenbar aus Libyen – hatten versucht, über Ägypten nach Israel einzureisen, und waren fünfzig km vor der israelischen Grenze gekidnappt worden. Eigentlich hatten sie nach Europa gewollt, so Don Mussie Zerai. Das sei aber nicht möglich gewesen, so der Menschenrechtler mit Blick auf das jüngste Abkommen zwischen Libyen und Italien, nach dem Flüchtlinge in Richtung Italien noch auf dem Mittelmeer abgeblockt und wieder nach Libyen umgeleitet werden können. Die verschärfte Einwanderungspolitik der EU setze solche Flüchtlinge zunehmend unter Druck, meint Christopher Hein, Direktor des italienischen Flüchtlingsdienstes „Cir":
„Schon seit ein paar Jahren erschweren die verschärften Maßnahmen der EU die Situation der afrikanischen Flüchtlinge, die bisher über die Meerenge von Gibraltar nach Europa einreisten. Spanien hat diesen Weg militärisch abgeriegelt. Und schließlich hat Italien mit Libyen dieses Abkommen geschlossen, das jedoch keine Lösung ist für Eritreer, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Je mehr man die Türen Europas verschließt, desto mehr Aufwind erhalten Menschenhändler und illegale Organisationen, die sich am Leid der anderen bereichern."
Nach Hein müsste Europa die Flüchtlinge, die in ihren Ländern verfolgt und unterdrückt werden, als politische Flüchtlinge aufnehmen. In Eritrea fliehen viele junge Menschen zum Beispiel vor Armut und einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft. Fahnenflüchtlinge fürchten um ihr Leben. Im Fall der eritreischen Geiseln hofft auch Don Mussie Zerai auf schnelles Eingreifen der internationalen Gemeinschaft:
„Der Papst hat einen Appell lanciert, dass die Rechte dieser Menschen respektiert werden. Wir hoffen, dass dieser Aufruf die internationale Gemeinschaft und insbesondere die ägyptischen Autoritäten dazu bringt, die Flüchtlinge aus den Händen der Menschenhändler zu retten. Der Schutz und die Rechte dieser Flüchtlinge müssen durch das internationale Recht anerkannt und garantiert werden!" (rv)
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