Drei Schüsse, die beinahe den Lauf der Geschichte veränderten. Auf den Tag genau 30 Jahre ist es her, dass der frühere Papst Johannes Paul II. während einer Generalaudienz am Petersplatz niedergeschossen wurde. Obwohl der Attentäter, ein damals noch 23 Jahre alter Türke namens Mehmet Ali Agca, unmittelbar danach gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist, liegen die Hintergründe des Mordanschlags noch immer im Dunkeln. Zum Jahrestag des Attentats erscheinen in Italien zwei Bücher, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise die internationalen Zusammenhänge im Hinblick auf das Attentat rekonstruieren.
Den ersten Band, der den Titel „Tötet den Papst" trägt, haben zwei Journalisten verfasst: Marco Ansaldo, Vatikanreporter für die italienische Tageszeitung „La Repubblica", zusammen mit Yasemīn Taşkin, der Italienkorrespondentin der türkischen Tageszeitung „Sabah". Ihrer These zufolge ist das Attentat nicht von langer Hand vom ehemaligen Sowjet-Regime geplant worden, sondern von der rechtsextremen türkischen Partei der „Grauen Wölfe". Über die langwierigen Recherchen haben wir mit Marco Ansaldo gesprochen:
„20 Jahre lang haben wir an unserem Buch gearbeitet, und vor allem Yasemīn stand als türkische Journalistin mit dem Attentäter in Kontakt. Daraus hat sich mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt, und im letzten Jahr, bevor er freigelassen wurde und in die Türkei zurückkehrte, haben wir ihn drei Mal getroffen, von Angesicht zu Angesicht. Natürlich haben wir versucht zu verstehen, was denn nun die Wahrheit ist. Schließlich hat er uns gesagt, dass alle Hypothesen und Spuren, die bis jetzt verfolgt wurden, unnötig waren. Und zwar deshalb, weil das Motiv für das Attentat ganz simpel ist und erst im Nachhinein viel komplizierter wurde, als sich die verschiedenen Geheimdienste eingemischt hatten. Nach unseren Recherchen und Rekonstruktionen war es also ein Komplott, welches die Grauen Wölfe geschmiedet und ausgeführt hatten."
Tatsächlich ist das eine Piste, der in den letzten dreißig Jahren kaum nachgegangen worden ist – auch weil Agca immer wieder wechselnde Auftraggeber des Attentats nannte, dabei allerdings die Grauen Wölfe immer aussparte.
Das zweite Buch mit dem Titel „13. Mai 1981. Drei Schüsse gegen den Papst" hat dagegen der römische Richter Ilario Martella geschrieben. Martella analysiert darin die Gerichtsakten und bestätigt die Theorie, dass die Geheimdienste des ehemaligen Ostblocks sehr wohl eine entscheidende Rolle bei der Organisation des Attentats gespielt haben. Und: Ali Agca habe nicht als einziger auf den Papst geschossen.
„Es hat drei Schüsse gegeben, darüber gibt es keinen Zweifel. Auf einer Videoaufzeichnung zeigt sich jedoch, dass Ali Agca nur zwei Mal aus seiner Pistole geschossen hat, und das bedeutet, dass sein Komplize Oral Celik einen weiteren Schuss abgefeuert haben muss. Davon abgesehen, ist dieser Komplize von einem Amerikaner beobachtet worden, als er sich vom Tatort entfernt hat. Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich einen Beitrag zur Wahrheit leisten wollte, und die türkisch-bulgarische Verschwörung erscheint mir die glaubwürdigste zu sein."
Warum vor genau 30 Jahren Johannes Paul II. sterben sollte, bleibt also umstritten. Ob russischer Geheimdienst oder doch die türkischen Nationalisten – der selige Johannes Paul II. hatte dem Attentäter noch vom Krankenbett aus vergeben. (rv)
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