Der Heilige Stuhl hat seine Anordnungen zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Priester präzisiert. Alle Bischofskonferenzen der Welt sollen bis Mai 2012 Leitlinien zum Umgang mit solchen Fällen erarbeiten. In einem Rundschreiben stellt die vatikanische Glaubenskongregation an diesem Montag erneut klar, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern nicht nur eine Straftat nach dem Kirchenrecht darstellt, sondern auch ein Verbrechen, das staatlicherseits verfolgt wird und deshalb zur Anzeige gebracht werden muss.
Das „Rundschreiben, um den Bischofskonferenzen zu helfen, Leitlinien für die Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker zu erstellen", umfasst fünf Seiten. Im ersten von drei Punkten, in dem von „allgemeinen Aspekten", die Rede ist, geht es um die Opfer, den präventiven Schutz Minderjähriger, die Ausbildung zukünftiger Priester und Ordensleute, die Begleitung der Priester und die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden.
Die Kirche „muss", heißt es im ersten Punkt, „die Bereitschaft zeigen, die Opfer und ihre Angehörigen anzuhören und für deren psychologischen Beistand zu sorgen". Lobend erwähnt das Rundschreiben die Initiativen einzelner Bischofskonferenzen, die im kirchlichen Bereich Präventionsprogramme in Gang gesetzt haben. Diese seien mancherorts „Modelle" für den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs in der gesamten Gesellschaft geworden.
Was die Ausbildung zukünftiger Priester betrifft, so müssen die Priesterseminare der Weltkirche ihren Kandidaten unbedingte Wertschätzung für Keuschheit und Zölibat nahelegen. Besonderes Augenmerk legt das Schreiben auf Priesteramtskandidaten, die das Seminar wechseln. Hier müssten die Oberen einander unbedingt gegenseitig informieren. Auch im deutschen Sprachraum gab es in den vergangenen Jahren mehrere Seminare, die – mit schweren Folgen – abgewiesene Priesteramtskandidaten anderer Ausbildungsstätten ohne vorherige Konsultation mit deren Leitern aufgenommen hatten.
Die Bischöfe ruft der Vatikan eindringlich dazu auf, „jeden erdenklichen Einsatz" zu zeigen, wenn mögliche Fälle von Kindesmissbrauch durch einen Priester ruchbar werden. Als Vorsichtsmaßnahme kann der Bischof die Tätigkeit des betreffenden Klerikers bis zur Klärung der Vorwürfe einschränken. Er muss überdies Anzeige erstatten, soweit das zivile Recht des betreffenden Staates es vorsieht. Das gilt nicht nur für Delikte, die von Priestern begangen wurden, sondern auch für jene von Ordensleuten oder Laien, die in kirchlichen Einrichtungen arbeiten.
Der zweite Punkt des Schreibens bietet eine Zusammenfassung der geltenden kirchlichen Normen zum Umgang mit Missbrauchsfällen. Die Glaubenskongregation erinnert etwa daran, dass seit vergangenem Jahr auch der Kauf, der Besitz und die Verbreitung kinderpornografischen Materials ein Straftatbestand nach dem Kirchenrecht ist. Tritt der Verdacht auf Kindesmissbrauch auf, muss der Bischof bzw. Ordensobere eine kanonische Voruntersuchung einleiten. Er übermittelt den Fall an die Glaubenskongregation, sowie sich die Anschuldigung als glaubwürdig erweist. Dieser kommt es zu, ein endgültiges Urteil über die Schuld des Priesters zu fällen und dementsprechend eine unbefristete Strafe wie etwa die Entlassung aus dem Klerikerstand zu verfügen. Dies wäre die schwerste im Kirchenrecht vorgesehene Strafe. Bei weniger schwerwiegenden Vergehen kann dem Priester die öffentliche Ausübung seines geistlichen Amtes komplett untersagt werden, oder er kann zumindest an eine Stelle versetzt werden, an der Kontakte mit Kindern ausgeschlossen sind.
Allerdings ist die Rückkehr eines Klerikers in den öffentlichen Seelsorgedienst „auszuschließen, wenn dieser Dienst eine Gefahr für Minderjährige darstellt oder ein Ärgernis in der Gemeinde hervorruft". Diese letzte Präzisierung ist wichtig, weil es gelegentlich zu Versetzungen offenbar schuldig gewordener Priester kam, die für Aufruhr in der betreffenden Gemeinde sorgten.
Weiters heißt es im dritten Teil des Schreibens, „Hinweise für die Ordinarien zum Verfahrensablauf", dass eine Person, die zum Opfer sexuellen Missbrauchs geworden ist und die Straftat anzeigt, mit Respekt behandelt werden muss. Die kirchlichen Autoritäten sollten sich dazu verpflichten, den Opfern seelsorgerliche und psychologische Hilfe anzubieten. Die Beratungskommissionen zur Überprüfung und Bewertung einzelner Fälle, die einige Bischofskonferenzen – wie die deutsche, die österreichische und die Schweizer – eingerichtet haben, dürfen aber nicht das Urteil der jeweiligen Bischöfe ersetzen. (rv)
Zum Dokument: Vatikan-Rundschreiben im vollen Wortlaut
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