Im Jesuitenorden ist ernsthaftes Interesse spürbar, die Missbrauchsfälle aufzuklären. Das sagte die zuständige Missbrauchsbeauftragte Ursula Raue am Donnerstagabend in einer Sendung des Fernsehsenders Phoenix. Raue hatte zuvor öffentlich einen Zwischenbericht zum Missbrauchsskandal vorgelegt. Demnach haben sich bei ihr bislang 115 zumeist männliche Opfer gemeldet. Der Provinzial der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann, kündigte an, Raue zusätzliche Kräfte für die Aufklärung der Fälle zur Seite zu stellen. Zudem sollen Arbeitsstäbe in den drei Jesuiten-Gymnasien in Berlin, Bonn und Sankt Blasien zur Aufarbeitung der Vorwürfe eingerichtet werden.
Das Thema „Missbrauch" wird am Montag auch auf der Tagesordnung der Deutschen Bischofskonferenz stehen. Am Montag treffen sich die Bischöfe zur Frühjahrsvollversammlung. Von den deutschen Oberhirten wünscht sich deshalb der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück…
„…dass sie die Richtlinien, die sich die Bischofskonferenz schon gegeben hat, nochmals dokumentieren. Sie sollen in allen Diözesen gleichermaßen angewandt werden. Es steht außer Zweifel, dass die erste Priorität den Opfern gilt und der Verpflichtung zur Wirklichkeit und Wahrheit. Das wird sicherlich zum Ausdruck kommen."
Der ZdK-Chef kritisiert, dass man nur über die Missbrauchsfälle spreche, die im kirchlichen Bereich geschehen sind.
„Der Öffentlichkeit und Gesellschaft ist nämlich zu sagen, dass es nicht ein speziell kirchliches Problem ist, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ich wünsche mir deshalb, dass auch an alle anderen gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen, die davon betroffen sind, ebenfalls derselbe Anspruch der Transparenz und konsequenten Aufklärung gestellt wird. Es gibt in Deutschland doch noch viel Verdrängung und Vertuschung."
Glück glaubt aber nicht, dass derzeit weitere Fälle bewusst vertuscht werden.
„Diesem Eindruck muss man sich allerdings stellen. Das kann man nur mit entsprechender Offenheit mit der Zeit aufarbeiten. Da gilt es sicherlich auch, einige Vorurteile zu überwinden. Manche Praxis der Vergangenheit, die für die Leute nicht vertrauensbildend war, muss überwunden werden. Ich habe aber großes Vertrauen gegenüber den Verantwortlichen. Auch weil Papst Benedikt XVI. sehr konsequent Position bezogen hat, dass nämlich die erste Priorität die Opfer haben." (rv)
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