Mit Bedauern und Respekt haben katholische und evangelische Kirchenvertreter den Rücktritt von Margot Käßmann aufgenommen. Die 51-jährige Theologin trat am Mittwochnachmittag mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurück. Zugleich legte sie mit sofortiger Wirkung ihr Amt als hannoversche Landesbischöfin nieder. In der Pressekonferenz in Hannover sagte Käßmann:
„Ich war mehr als 10 Jahre mit Leib und Seele Bischöfin und habe all meine Kraft in diese Aufgabe gegeben. Ich bleibe Pastorin der hannoverschen Landeskirche. Ich habe 25 Jahre nach meiner Ordination vielfältige Erfahrungen gesammelt, die ich gern an anderer Stelle einbringen werde."
Die Spitzen der evangelischen Kirche hatten sich noch am Mittwochmorgen hinter Käßmann gestellt. Darunter auch Nikolaus Schneider, der Präses der rheinischen Landeskirche. Er wird als Käßmanns Stellvertreter die Amtsgeschäfte zunächst kommissarisch weiterführen, wie die evangelische Kirche mitteilte. Im Interview mit dem Kölner Domradio sagte er:
„Ich bin wirklich betroffen, denn wir haben eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit in dieser beginnenden Amtsperiode von Frau Käßmann und mit mir als ihrem Stellvertreter entwickelt. Einmütig hatte wir ihr gesagt: Wir sprechen dir das Vertrauen aus und du wirst die richtige Entscheidung treffen. Weit überwiegend haben wir gesagt: Wir wollen und können mit dir auch weiterarbeiten als Ratsvorsitzende."
Auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, drückte am Mittwochnachmittag sein Bedauern über Käßmanns Rücktritt aus. Ihn erreichte die Nachricht auf der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Oberhirten in Freiburg.
„Ich kenne Frau Käßmann als einen Menschen, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und der sich seiner Aufgabe stets gestellt hat. Ich kann ihre Gründe verstehen, respektiere ihre Entscheidung und wünsche Ihr in dieser ganz und gar nicht leichten Situation viel Kraft und Gottes Segen."
Ein Nachfolger für die zurückgetretene EKD-Ratsvorsitzende wird voraussichtlich auf einer Synode im November gewählt. Ob der 62-jährige Schneider für die gesamte sechsjährige Amtsperiode als Ratsvorsitzender in Frage kommt, ist noch unklar. Er geht in drei Jahren in Ruhestand. Zollitsch erhofft sich von der neuen EKD-Führung eine Fortsetzung der bisherigen Linie:
„Es ist ja nun Sache des Rates, die neue oder den neuen Vorsitzende/n zu wählen. Ich gehe davon aus, dass der oder die Neue wie Frau Käßmann auch interessiert ist an der ökumenischen Zusammenarbeit. Und ich bin natürlich auch gespannt, wer mein neuer Gesprächspartner sein wird – wir werden diese Linie fortsetzen."
Überzeugungskraft eingebüßt
Margot Käßmann weiß, was sie tut. Die hohen Ansprüche, die sie in unbequemen und oftmals kontroversen Stellungsnahmen immer wieder öffentlich vorbrachte, stellt sie auch an sich selbst. Nach eigenem Verständnis ist ihr Rücktritt deshalb konsequent. Auf der Pressekonferenz erklärte Käßmann:
„Mir geht es neben dem Amt auch um Respekt und Achtung vor mir selbst und um meine Gradlinigkeit, die mir viel bedeutet. – Am vergangenen Samstagabend habe ich einen schweren Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Aber auch wenn ich ihn bereue, und mir alle Vorwürfe, die in dieser Situation berechtigterweise zu machen sind, immer wieder selbst gemacht habe, kann und will ich nicht darüber hinweg sehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind. Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so wie ich sie hatte. Die harsche Kritik etwa an einem Predigtzitat wie ‚Nichts ist gut in Afghanistan‛ ist nur durchzuhalten, wenn persönliche Überzeugungskraft uneingeschränkt anerkannt wird."
Wo es manch ein Verantwortlicher nach Fehlverhalten mit einem formellen Rücktritt hätte gut sein lassen, ging Margot Käßmann mit sich selber öffentlich ins Gericht. Dazu ihr Stellvertreter, Präses Nikolas Schneider:
„In der von ihr bekannten Klarheit und Direktheit und Geradlinigkeit Stellung zu nehmen, auch manchmal zu provozieren, auch Leute mit harscher Kritik zu bedenken, diese Freiheit hat sie nicht mehr für sich gesehen und das war wohl der Grund."
Öffentlicher Druck
„Antiökumenische Untertöne" hatte der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Stefan Vesper, in der Debatte um die Alkoholfahrt der ehemaligen evangelischen Landesbischöfin kritisiert. Käßmann war am Samstagabend in Hannover mit 1,54 Promille Alkohol im Blut von Polizisten am Steuer ihres Dienstwagens gestoppt worden. „Schadenfreude und Häme treffen uns alle", sagte Vesper am Mittwoch in Passau. Zollitsch ging in seiner Stellungnahme auch auf die Kritik an der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden ein.
„Ich habe den Eindruck, dass das, was tatsächlich darüber geschrieben und gesagt wurde, sie dazu bewogen hat, zu sagen: Also das geht über meine Kräfte hinaus, dann gebe ich lieber diese Aufgabe auf. Denn sie wäre wahrscheinlich nie davon weggekommen, dass Menschen immer wieder versucht hätten, sie daran zu erinnern. Und das bedaure ich."
Präses Schneider wertet den Umgang der Öffentlichkeit mit den Vorfällen im Großen und Ganzen als „fair". Seiner Meinung nach hätte Käßmann trotz ihrer Alkoholfahrt weitermachen können. Er selbst habe ihr dies in einem persönlichen Gespräch auch unterbreitet, sagte Präses Schneider dem Kölner Domradio.
„Eine Bischöfin und eine Ratsvorsitzende sind eine sehr herausgehobene Position. Sie redet mit einem hohen ethischen Anspruch und wird natürlich an diesem hohen ethischen Anspruch auch gemessen. Und wenn man sich das klar macht, dann ist die Öffentlichkeit weit überwiegend ausgesprochen fair mit ihr umgegangen und hat ihr angedeutet, dass sie diese Chancen für sie sieht." (rv)
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