Es ist eine klare Entscheidung gegen die Religions- und Gewissensfreiheit in den Vereinigten Staaten. So kommentieren die US-Bischöfe den jüngsten Beschluss der Regierung Obama. Fast alle Arbeitgeber und –Nehmer müssen ab nächstem Jahr Krankenversicherungen akzeptieren, die auch Sterilisierung, Verhütung und Abtreibung abdecken, so die Anweisung des Präsidenten. „Obama sagt uns praktisch, wir haben ein Jahr Zeit, uns damit abzufinden, dass wir unseren Gewissen Gewalt antun müssen", meint dazu Erzbischof Timothy Dolan von New York.
„Ich fürchte, die Regierung ist auf der falschen Seite der Verfassung. Fast alle Amerikaner, auch solche mit ethischen oder religiösen Einwänden, müssen künftig über ihre Steuern für Sterilisierung und Verhütung bezahlen, inklusive solcher Mittel, die abtreibende Wirkung haben. Die Obama-Regierung erlaubt bloß einige wenige Ausnahmen für Arbeitgeber, zum Beispiel für Kirchen. Aber das gilt nicht für Steuerzahler. Und das ist eine echte Wende. Noch nie zuvor hat die US-Regierung Individuen und Organisationen dazu gezwungen, Produkte zu kaufen, die sie mit ihrem Gewissen nicht verantworten können. Das sollte nicht geschehen in einem Land, in dem die freie Ausübung der Religion das erste der in der Verfassung garantierten Rechte ist."
Die Regierung sollte die Bürger nicht dazu zwingen, sich so zu verhalten, als sei Schwangerschaft eine Krankheit, die um jeden Preis zu verhindern sei, sagte Dolan, der im Februar vom Papst zum Kardinal erhoben wird. Noch hätten sich die US-amerikanischen Bischöfe aber nicht mit der Verordnung abgefunden. Dolan kündigte konzertierten Widerstand an.
„Die katholischen Bischöfe verpflichten sich dazu, mit allen Amerikanern zusammenzuarbeiten, um das Gesetz zu reformieren und diese ungerechte Regelung zu ändern. Wir werden fortfahren, alle Implikationen dieser schwerwiegenden Entscheidung zu untersuchen."
Viele Katholiken „tief enttäuscht"
Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2008 waren die Bischöfe skeptisch bezüglich Obama, die Mehrheit der US-amerikanischen Katholiken aber wählte ihn. Gerade prominente katholische Obama-Wähler mussten sich viel Kritik aus konservativen Kreisen gefallen lassen. Diese Katholiken fühlen sich nun von Obama verraten. Deshalb hat der Präsident nach Einschätzung von Beobachtern mit seiner jüngsten Entscheidung zahlreiche katholische Stimmen für seine Wiederwahl im Herbst verloren. So zeigte sich der Präsident der US-amerikanischen Caritas, der Priester Larry Snyder, „tief enttäuscht" darüber, dass die Regierung die Einwände der religiösen Institutionen nicht berücksichtigt hat. Schwester Carol Keehan, die der „Catholic Health Association" vorsteht, erklärte, das Weiße Haus habe eine Gelegenheit versäumt, die Gewissensfreiheit zu schützen.
Auch Papst Benedikt hatte letzte Woche vor US-Bischöfen deutlich zu verstehen gegeben, dass er die Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten in Gefahr sehe. Der moralische Konsens in der amerikanischen Gesellschaft erodiere derzeit deutlich; „machtvolle kulturelle Strömungen" und ein „radikaler Säkularismus" zeigten sich „immer feindlicher gegenüber dem Christentum an sich". Dem müssten sich die Bischöfe entgegenstemmen:
„Mit ihrer langen Tradition des Respekts für das richtige Verhältnis zwischen Glauben und Vernunft spielt die Kirche eine wichtige Rolle, wenn es gilt, kulturellen Trends entgegenzutreten, die auf der Basis eines extremen Individualismus für einen Freiheitsbegriff fern jeder moralischen Wahrheit eintreten. Unsere Tradition spricht nicht aus blindem Glauben heraus, sondern aus einer rationalen Perspektive: Dabei verbinden wir unseren Einsatz für den Aufbau einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft mit der letztlichen Gewißheit, dass dem Kosmos eine innere Logik innewohnt, die für menschliches Nachdenken zugänglich ist."
Papst: Der Kirche nicht den Mund verbieten
Das Zeugnis der Kirche sei „von Natur aus öffentlich": „Sie versucht zu überzeugen, indem sie rationale Argumente auf dem öffentlichen Platz vorträgt." Die „legitime Trennung" von Kirche und Staat dürfe nicht „dahin gedreht werden, dass die Kirche zu bestimmten Themen den Mund zu halten habe". Katholiken dürfe nicht das Recht verweigert werden, sich auf die Gewissensfreiheit zu berufen, um nicht an „in sich bösen Praktiken mitwirken" zu müssen. US-Medien bezogen diesen Satz auf Vorkommnisse an staatlichen Krankenhäusern: Dort haben sich in den letzten Jahren immer wieder katholische Mitarbeiter geweigert, an Abtreibungen mitzuwirken, und sich dazu auf die Gewissensfreiheit berufen. (rv)
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