Er ist, vereinfacht gesagt, einer der „Exoten" im Reigen der neuen 22 Kardinäle. Der indische Großerzbischof von Ernakulam-Angamaly, Kardinal Mar George Alencherry, einer der beiden Kardinäle unter den neuen Purpurträgern, die aus Asien kommen. Alencherry ist das Oberhaupt von fast vier Millionen Gläubigen der syro-malabarischen Kirche, die vor allem im indischen Bundesstaat Kerala leben. Alencherry ist der erste syro-malabarische Großerzbischof seiner Kirche, der nicht vom Papst, sondern von einer Bischofssynode ernannt wurde. Die Berufung des Großerzbischofs ins Kardinalkollegium ist Zeichen der Verbundenheit des Papstes mit der syro-malabarischen Kirche, einer der größten mit Rom unierten Ostkirchen.
Katholizismus in Indien muss man sich vielfältiger vorstellen als hierzulande, zumindest was die Liturgie angeht: Die syro-malabarischen Christen haben es mit einem Mix katholischer Riten zu tun. Die römische Liturgie war über Missionare in Kolonialzeiten in das Land eingeführt worden, erzählt Kardinal Alencherry im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Wegen dieses Einflusses haben wir in unserer Kirche nicht nur den syro-malabarischen Ritus, es gibt einen Mix mit der römischen Liturgie. Und um diese einzelnen katholischen Kirchen zusammenzuhalten, haben wir die Konferenz der katholischen Bischöfe Indiens (CBCI), die zum Beispiel im Bereich der Mission zusammenarbeitet. Da wird auch manches Mal diskutiert, aber wir halten zusammen."
Großerzbischof Alencherry wurde als erstes syro-malabarisches Kirchenoberhaupt von einer Bischofssynode gewählt. Möglich wurde dies mit der Anerkennung der syro-malabarischen Kirche als autonomer Teilkirche – im Kirchenjargon „sui iuris" – unter Papst Johannes Paul II.. Bei Fragen der Jurisdiktion sei der Vatikan sehr umsichtig vorgegangen, so Kardinal Alencherry:
„Wir haben uns ja immer die Anerkennung unserer Kirche als autonom gewünscht, und die haben wir im Jahr 1998 bekommen. Aber wegen der Lateinisierung aus früheren Zeiten waren Fragen zur Einheit in unserer Kirche aufgetaucht – in Bezug auf die Liturgie und andere Traditionen. Um uns immer mehr zu vereinen, ging der Heilige Stuhl mit Bedacht vor: Er übertrug uns Schritt für Schritt Kompetenzen, was die Liturgie, die Kirchenverwaltung und schließlich auch die Wahl der Bischöfe betrifft."
Dem Kardinal liegt es am Herzen, dass die Vielfalt der katholischen Riten für die Gläubigen in seinem Heimatland kein Hindernis ist – etwa bei Heiraten oder beim Wunsch, die Kinder mit mehreren Liturgieformen aufwachsen zu lassen. Auf diese Bedürfnisse müsse man reagieren, appelliert der Kardinal, der sich mehr Flexibilität im Umgang mit solchen Gläubigen wünscht:
„Dialog wird die Situation sicher verbessern. Die lateinischen Bischöfe denken immer an eine territoriale Jurisdiktion. Sie denken, dass das Territorium ihnen gegeben ist und niemand anderer das Recht hat, irgendetwas darauf zu tun, und dass eben alles durch sie geschehen solle. Unserer Tradition nach können die Dinge ja nur durch unsere Priester und Bischöfe gemacht werden. Das ist wirklich ein Problem."
Der Papst sollte im postsynodalen Schreiben zur Nahost-Bischofssynode vom Oktober 2010, das Benedikt XVI. schon im Herbst diesen Jahres bei einer Reise in den Libanon übergeben könnte, das Problem der Zusammenarbeit der Gläubigen verschiedener katholischer Riten ansprechen, meint der neue indische Kardinal:
„Die Kirche muss dieses Problem angehen, denn die Weltkirche ist eine Vereinigung individueller Kirchen. Auch wenn einige dieser individuellen Kirchen sehr kleine Gemeinschaften sind, müssen wir sie schützen und ihr Erbe wertschätzen. Wir müssen sie in der universellen Kirche halten, und es ist Aufgabe der lateinischen Bischöfe und Kirchen, sie zu beschützen."
Als positives Beispiel des Dialoges zwischen Kirchen verschiedener katholischer Riten nennt der Kardinal die USA und Australien. In anderen Ländern sei man dagegen in diesem Feld nicht sehr offen. Ein Datum für einen Libanon-Besuch des Papstes steht noch nicht fest. (rv)
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