Welchen Akzent wird Papst Benedikt XVI. auf Kuba setzen, wo er am Montag eintreffen wird? Erzbischof Angelo Becciu vom vatikanischen Staatssekretariat war zwischen 2009 und 2011 Päpstlicher Nuntius auf Kuba und ist aktuell mit dem Papst in Lateinamerika unterwegs. Das Verhältnis zwischen Heiligem Stuhl und kubanischem Staat sei „immer gut" gewesen, gibt der Erzbischof im Interview mit dem vatikanischen Fernsehsender CTV an. Er verweist dabei auf die ein dreiviertel Jahrhundert währenden diplomatischen Beziehungen beider Staaten. Die „wahre Messlatte" für ihr Verhältnis seien jedoch die Beziehungen zwischen kubanischer Kirche und der Landesführung, sagte der Kuba-Experte:
„Insbesondere mit Papst Johannes Paul II. sind die Beziehungen sehr viel reibungsloser und effizienter geworden, denn Kubas Kirche hat heute einen größeren Aktionsraum. Sie ist sozusagen aus der Sakristei herausgekommen, wohin sie verbannt war, und hat eine größere Aktivität im Bereich der Katechese und im karitativen Bereich entwickelt. Das ist es vor allem, was die Kirche groß gemacht hat, ihr Einsatz wurde zum Anziehungspunkt für viele Menschen, die sich von ihr abgewandt hatten oder sie erst gar nicht kannten. Kurz gesagt: es gibt einen ehrlichen Dialog, in dem die Kirche den Regierenden das sagen kann, was sie denkt und was sie zum Wohl des kubanischen Volkes verwirklicht sehen will."
Auch wenn sich in einem Teil des politischen Lagers hartnäckig Widerstand gegen die Kirche gehalten habe, habe Papst Johannes Pauls Besuch auf Kuba viel Misstrauen abbauen können, blickt der Nuntius auf die vergangenen Jahre zurück. Benedikts Vorgänger besuchte die Insel im Jahr 1998. Bei vielen kubanischen Politikern hat es laut Becciu eine regelrechte „Verhaltensänderung" gegeben. Er selbst habe Mitglieder der Nationalversammlung getroffen, die die soziale Arbeit der Kirche durchaus wertschätzten, erzählt der Erzbischof: Sie begriffen das „genuine Anliegen der Kirche" als verwandt mit eigenen Überzeugungen:
„Zwei Mitglieder der kubanischen Nationalversammlung haben mir gegenüber einmal ihre Bewunderung der katholischen Kirche zum Ausdruck gebracht. Sie waren beeindruckt von der karitativen Arbeit des Ortspfarrers, der Armen zu essen gab. Einer von ihnen erzählte dann, er habe mit einem Parteigenossen über die Frage diskutiert, ob man diese Arbeit der Kirche erlauben und ob sie nicht exklusiv dem Staat vorenthalten bleiben sein solle. Er selbst war dagegen und sagte: ,Warum tun wir diese Arbeit nicht? Seien wir doch zufrieden mit diesen Werken der Kirche!’"
Überzeugend sei etwa der Einsatz der Kirche auf Kuba im Jahr 2008 nach dem schweren Hurrikan gewesen, so der Erzbischof. In dieser Notsituation hätten Kirche und Staat im Übrigen auch zusammengearbeitet, um Verletzte und Obdachlose zu unterstützen. Dass der Spielraum der Kirche auf Kuba aufgrund eingeschränkter Mittel und Rechte sehr eingeschränkt ist, ist dem Vatikanvertreter natürlich auch klar. Er deutet die Unbeirrbarkeit von Kubas Kirche jedoch als Faszinationspunkt:
„Auch wenn der Kirche Mittel vorenthalten werden und sie keine Schulen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen halten darf, setzt sie ihren Weg fort, der durch Gottes Geist und der Kraft des Evangeliums erfüllt ist. Und das hat das Herz vieler Menschen verändert, die die Kirche heute bewundern."
Lateinamerika spiele mit seinem hohen Katholikenanteil eine entscheidende Rolle in der Weltkirche, erinnert der Erzbischof weiter. Papst Benedikt hatte bei seiner Ankunft in Mexiko den Kontinent als eine Art „Hoffnungsmotor" für die Welt umschrieben: Hoffnung verändert das Leben, sagte Benedikt, und zwar ganz konkret. Der Besuch des Papstes in Lateinamerika könne bei den Katholiken dort diese Kraft des Glaubens wieder vergegenwärtigen, fügt Becciu an, der auch an das Problem der Sekten denkt:
„Wir wissen, dass in Lateinamerika Sekten und neue religiöse Vereinigungen ein Problem darstellen. Viele lassen sich von diesen neuen Gruppen verführen, die wir nur schwer ,kirchlich‘ nennen können. Das Phänomen nährt sich aber durch Christen und Katholiken, die die Kirche verlassen. Für diese Menschen kann es eine Hilfe sein, die Worte des Papstes zu hören und seine Anwesenheit zu spüren, um der wahren Kirche treu zu bleiben." (rv)
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