Hier ein Kommentar von P. Bernd Hagenkord SJ, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan zum Thema „Missbrauch – Runder Tisch“:
Runde Tische haben seit dem Fall der Mauer einen guten Ruf. Sie haben damals einem guten Zweck gedient: der Auflösung der Machtstrukturen des DDR-Regimes. Derzeit gibt es aber einige Verwirrung um dieses Möbel. So soll einer gegründet werden, um die Aufarbeitung, Entschädigung etc. von Missbrauch und Missbrauchopfern zu ermöglichen.
Zum einen: die Aufklärung findet statt. Manchmal offen, manchmal noch holprig, aber sie findet statt. Und wie Bischof Ackermann, der für die Deutsche Bischofskonferenz Zuständige in dieser Frage, an diesem Montag in der FAZ erklärt hat: die Opfer müssen gehört werden, von der Kirche und nicht nur von Therapeuten. Die Verantwortlichen müssen die Geschichten der Opfer hören. Und die Sorge für dieses Hören auf die Opfer muss ein Gesicht haben. Runde Tische, um die Metapher weiter zu spinnen, drehen sich aber um sich selbst. Statt eines Verantwortlichen stünden dann Opfer von Missbrauch vor einem Gremium, wo jeder andere Interessen vertritt.
Runde Tische dienen der Auflösung der Verantwortlichkeit. Andere sollen die Verantwortung übernehmen und damit die Entscheidung. Wie damals beim Fall der Mauer. Frau Leutheusser-Schnarrenberger möchte selber entscheiden, was die Kirchen zu tun und zu lassen haben. Frau Schavan möchte einen gesellschaftlichen Impuls geben, um die Gesellschaft sensibel zu machen für das Thema, das nicht nur die Kirchen betreffe. Andere möchten gar nicht an den runden Tisch, weil das den Verdacht nähren könnte, sie hätten auch mit Mitbräuchen zu tun.
Kardinal Kasper hat es offen benannt, der „Osservatore Romano“ war nicht weniger klar: die Verantwortung liegt bei denen, die die Verantwortung haben: den Bischöfen, den Parlamenten, den Staatsanwaltschaften. Die Formulierung im „Osservatore“ lautet: „die schmerzliche Angelegenheit mit Entschlossenheit und in offener Weise untersuchen“. Dazu braucht es Verantwortliche.
Der runde Tisch ist ein Wundermöbel. Aber machen wir uns nichts vor: wenn es im Augenblick etwas braucht, dann nicht die Auflösung und Abgabe von Verantwortung, für die solch ein Möbel steht. Was es braucht, ist die Wahrnehmung der Verantwortung. (rv)
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