Das enge Verhältnis der „Church of England" zum Staat könnte die Aufgaben der Anglikanischen Gemeinschaft in Zukunft behindern. Diesen Eindruck hat der Ökumene-Verantwortliche des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, bei seiner England-Visite gewonnen. Der Kurienkardinal war während seiner Reise nach Großbritannien und Irland in dieser Woche unter anderem Gast des anglikanischen Erzbischofs von Canterbury, Rowan Williams. Koch sagte nach seiner Rückkehr im Interview mit Radio Vatikan:
„Viele Fragen haben sich mir ergeben in Bezug auf das Verhältnis der ,Church of England‘ zum Staat. Da scheint es mir, dass es zu enge Beziehungen gibt. Beispielsweise müssen Entscheidungen, die die Kirche fällt, von beiden Parlamentskammern abgesegnet werden. In meiner Wahrnehmung ist die anglikanische Kirche zu sehr Staatskirche. Und da könnten ganz große Herausforderungen auf sie zukommen."
Denn bei heiklen sozialen und ethischen Fragen wie beispielsweise der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare – das Thema wird in Großbritannien derzeit heiß diskutiert – würden politische Überlegungen die Position der Kirche verdrängen. Und dies könnte auch im ökumenischen Dialog passieren, fügte der Schweizer Kurienkardinal hinzu:
„Das Verhältnis von Kirche und Staat ist eine Beziehung, die das Verhältnis zwischen den Kirchen mitprägt und die in eine bestimmte Richtung lenkt. Doch in ganz Europa hat sich die Trennung von Kirche und Staat als der Normalfall herausgestellt. Es ist auch eine Entwicklung unserer Gesellschaft."
Beim Treffen mit dem Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, sei es auch um die anglikanischen Gruppen gegangen, die zur katholischen Kirche konvertieren wollen und für die katholische Personalordinariate eingerichtet wurden, berichtete Kardinal Koch weiter – der Vatikan hatte just an diesem Freitag die Einrichtung eines solchen Personalordinariates in Australien bekannt gegeben. Die anglikanischen Priester, „die sich katholisch verstehen", seien eigentlich gar nicht Geistliche, die in die katholische Kirche „zurückkehren" möchten, präzisiert Koch:
„Es sind vielmehr Priester, die sich prinzipiell katholisch verstehen und die die Liturgie auch dementsprechend katholisch feiern, die aber in der anglikanischen Kirche bleiben möchten wegen deren Tradition. Das wollte mir Erzbischof Rowan Williams auch ganz bewusst zeigen."
Übertritte hin oder her – eigentlich habe die „Church of England" derzeit andere Sorgen als den „Wechsel" einiger anglikanischer Gemeinden in die katholische Kirche, so der Kardinal weiter. So sei bei der nächsten Generalsynode der anglikanischen Kirchgemeinschaft im kommenden Juli etwa nicht der Übertritt der Anglikaner Hauptthema, sondern die Öffnung des Bischofsamtes für Frauen. (rv)
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