Am Samstag beginnt der Prozess gegen den früheren Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, wegen schweren Diebstahls. 16 Seiten lang ist die Anklageschrift, und der Vatikan hat sie im Sommer zur Gänze ins Internet gestellt – auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes. Vor dem vatikanischen Ermittlungsrichter hat der frühere Kammerdiener während seiner U-Haft ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die Verhörprotokolle sind eingeflossen in die Anklageschrift.
Auf den Punkt gebracht: Gabriele nahm vertrauliche Dokumente vom Schreibtisch des Papstes, kopierte sie und gab sie dem Enthüllungs-Journalisten Nuzzi. Und zwar in der Absicht zu helfen. So sprach der Ex-Kammerdiener in einem seiner Verhöre von dem Bösen und der „Korruption überall in der Kirche", auch in der Verwaltung des Vatikanstaates; „mir wurde bewusst, dass der Papst über einige Punkte nicht oder nur schlecht informiert war" … „Ich dachte, ein medialer Schock würde helfen, die Kirche auf den rechten Weg zurückzuführen", so Gabriele wörtlich.
Theoretisch hätte Generalstaatsanwalt Nicola Picardi dem Mann noch andere Delikte zur Last legen können, beispielsweise Enthüllung von Staatsgeheimnissen oder Hehlerei, also Handel mit Diebsgut. Im Vatikan kennt man auch den Straftatbestand „kriminelle Vereinigung", mit einem anderen Wort: Mafia. Dazu müssten mindestens fünf Personen im Visier der Ermittler stehen. Doch der Generalstaatsanwalt fand offenbar keine Anhaltspunkte dafür, dass Gabriele in derartige Delikte verwickelt sein könnte. So lautet die Anklage für ihn bloß auf schweren Diebstahl – schwer, weil er in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu seinem Vorgesetzten, dem Papst, stand.
Verteidigen lässt sich Paolo Gabriele vor Gericht von der Anwältin Cristiana Arru. Ein weiterer Verteidiger, der mit dem Angeklagten seit Jahren befreundet ist, hat vor wenigen Wochen sein Mandat niedergelegt. Gründe dafür waren seinen Angaben zufolge Meinungsverschiedenheiten über die Verteidigungslinie.
Sollte der Ex-Kammerdiener verurteilt werden, drohen ihm nach neuesten Angaben aus dem Vatikan bis zu vier Jahren Haft; die müsste er in Italien absitzen, denn der Vatikan hält keine geeigneten Zellen für Langzeit-Insassen vor. Wie lang der Prozess dauert, ist offen, jedenfalls arbeitet das Tribunal des Papstes deutlich zügiger als die Justiz in Italien. Noch nie hat ein im Vatikan verhandelter Fall länger als zweieinhalb Jahre gedauert, die Berufungsinstanz mit eingerechnet.
Die drei vatikanischen Richter sind im übrigen keine Priester, sondern zivile italienische Rechtsgelehrte. Der Papst kann in das Gerichtsverfahren nicht in dem Sinn eingreifen, dass er dem Prozess eine bestimmte Richtung gibt. Hypothetisch könnte er zwar als absoluter Herrscher den Angeklagten jederzeit begnadigen – „vorgesehen" ist eine solche Option aber allenfalls nach der Urteilsverkündigung wie in jedem anderen Staat auch. (rv)
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