Die Lage im Nahen Osten stand in diesen Tagen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Synodalen. Wenn die Bischofssynode in Rom beendet ist, soll die vom Papst und der Synode entsandte Delegation nach Syrien aufbrechen. Der designierte Kardinal und Patriarch der Maroniten von Antiochien, Béchara Boutros Raï, erinnert im Radio Vatikan-Interview daran, dass die Delegation eine Solidaritätsbekundung für die Menschen in Syrien sein solle – und natürlich ein Aufruf zum Frieden und zur Versöhnung.
Raï geht davon aus, dass die Delegation eine Geste der Hoffnung für alle sein wird, die unter der tragischen Situation in Syrien leiden. Sie sei ein konkreter Weg, zu zeigen, dass die Kirche Anteil nehme und sich Frieden in Syrien wünsche. Frieden, der durch Dialog und Absprachen erreicht werde und nicht durch Gewalt und Krieg. Die Kirche unterstütze auf diese Weise eine nationale Versöhnung. Was das Attentat im Libanon betreffe, das in der vergangenen Woche den Nahen Osten erschüttert hatte und dem acht Menschen zum Opfer gefallen sind, so sei dieses allerdings leider vorhersehbar gewesen. Der hochrangige Geheimdienstmitarbeiter Al Hassan, der bei dem Attentat ums Leben gekommen ist, habe mehrfach Drohungen erhalten und deswegen die letzte Zeit hauptsächlich im Ausland verbracht, so Raï:
„Ich bin bestürzt über dieses Attentat. Man kennt das Motiv dafür: Al Hassan hatte ein Komplott aufgedeckt, das schweren Schaden angerichtet hätte. Dabei wäre Sprengstoff zum Einsatz gekommen, den ein früherer Minister in den Libanon eingeführt hatte. Al Hassan hat das entdeckt und angezeigt. In jüngster Zeit musste er im Ausland leben. Alle hatten ihm geraten, nicht wiederzukommen, denn er wurde bedroht. Nicht einmal 24 Stunden nach seiner Rückkehr ist er nun ermordet worden."
Der Hauptkonflikt im Libanon und der Region sei durch Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen bedingt, so der Patriarch. Er habe sich mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman, einem Christen, getroffen und zu Besonnenheit geraten, damit die Geschehnisse korrekt aufgeklärt werden können:
„Der Präsident hat dann eine Beratung abgehalten, um herauszufinden, ob es nötig ist, die Regierung zu entlassen oder nicht: Aktuell ist der Premierminister Sunnit, und einige fürchten, er könnte Beziehungen nach Syrien haben oder zu sunnitischen Kreisen. Aber: Es ist überhaupt noch nicht gesagt, ob wirklich Syrer hinter dem Attentat auf Al Hassan stecken. Wir können das nicht einfach so behaupten. Und wer auch immer es war – es scheint, dass sich die Situation wieder beruhigt."
Dennoch sei die Situation aufgrund der Lage in Syrien sehr kritisch. Alles, was im Nachbarland passiere, schlage sich auch im Libanon nieder. Das gelte insbesondere für die Tatsache, dass sich in Syrien ein blutiger Konflikt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der alawitischen Regierung abzeichne. Hier gebe es Parallelen auch zum Libanon:
„Im Libanon gibt es sowohl Sunniten als auch Alawiten – und die syrischen Probleme schlagen sich hier ebenfalls nieder. Dazu kommt, dass die Libanesen unter sich gespalten sind: Die Sunniten sind gegen die Regierung, die Schiiten hingegen sind für sie. Der Konflikt ist politischer Natur. Wenn er in diesem Ambiente bleibt, dann wird bald wieder Normalität einkehren. Wenn diese Grenze aber überschritten wird – was ich allerdings nicht glaube – dann könnte sich die Lage im Libanon verschlimmern."
Die Christen seien sich in dieser Situation uneins: Aufgrund der politischen Bündnisse hätten sich einige mit den Sunniten verbündet, andere mit den Schiiten. Der Patriarch hat eine klare Botschaft an die Christen:
„Wir rufen sie dazu auf, ein Bindeglied zwischen beiden zu sein! Die Christen sollten eine Brücke zwischen Schiiten und Sunniten sein, denn dieser Konflikt betrifft die ganze Region." (rv)
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