Der Aspekt, um den es hier geht, ist die Anzahl der Eminenzen, die eigentlich durch die Apostolische Konstitution „Universi dominici gregis“ (UDG) an der Papstwahl im März teilnehmen müssten. Am Tag der Bekanntgabe des Amtsverzichtes, Rosenmontag 11. Februar 2013, umfasste das gesamte Kardinalskollegium 209 Kardinäle. Von diesen hatten 118 Kardinäle ein aktives Wahlrecht.
Am 21. Februar wurde bekannt, dass der indonesische Kardinal Darmaatmadja an einer schweren Sehschwäche leide und somit nicht am Konklave teilnehmen werde. Die Zahl der Papstwähler sank auf 117 Kardinäle.
Wenig später, am 25. Februar, ging die Nachricht um den britischen Kardinal O´Brien um die Welt. Wegen persönlicher Missbrauchsfälle gegenüber Priestern hatte er seinen Rücktritt als Erzbischof von Saint Andrews und Edinburgh beim Papst eingereicht. Benedikt XVI. hatte diesem Wunsch entsprochen. Parallel lies Kardinal O´Brien verlautbaren er nehme nicht am Konklave teil: „Ich will nicht, dass sich die Aufmerksamkeit der Medien in Rom auf mich konzentriert statt auf Benedikt XVI. und auf seinen Nachfolger“. Mit dieser Ankündigung sank das Wahlgremium auf 116 Kardinäle.
Schließlich erreichte am 26. Februar der ukrainische Kardinal Husar seinen 80. Geburtstag und verlor somit sein aktives Wahlrecht. Zur Papstwahl standen insofern noch 115 Kardinäle bereit.
Stellt sich nun die Frage, sind die Verlautbarungen des Vatikans zu den wahlberechtigten Kardinälen rechtens?
Die Fälle Kardinal Darmaatmadja und Kardinal O´Brien müssen genau betrachtet werden. Eine offensichtlich endgültige Entscheidung wurde durch die 7. Generalkongregation am 08. März getroffen. In beiden Fällen hatte die Mehrheit der Kardinäle das Fernbleiben von Kardinal Darmaatmadja und O´Brien akzeptiert. War diese Entscheidung überhaupt konform mit der UDG? Geht man davon aus, dass der indonesische Kardinal Darmaatmadja ein ärztliches Gutachten vorgelegt hatte, ist sein Fernbleiben nach Zustimmung des Kardinalskollegiums rechtens und durch die UDG Nr. 38 anerkannt. Im Fall des britischen Kardinals O´Brien stellt sich der Sachverhalt nicht so eindeutig dar. Die UDG Nr. 38 besagt folgendes:
„Alle wahlberechtigten Kardinäle, die durch den Dekan oder in seinem Namen durch einen anderen Kardinal zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen wurden, sind kraft heiligen Gehorsams gehalten, der Ankündigung der Einberufung nachzukommen und sich an den dazu festgelegten Ort zu begeben, außer sie seien durch Krankheit oder einen anderen schwerwiegenden Grund verhindert, der jedoch vom Kardinalskollegium als solcher anerkannt werden muss“.
Es erscheint sehr fragwürdig, ob der Verfasser der UDG, Papst Johannes Paul II. vor ziemlich genau 17 Jahren mit der Nr. 38 einem Kardinal das Recht einräumen wollte, die Teilnahme an einem künftigen Konklave von persönlichen Empfindlichkeiten abhängig zu machen. Jedoch noch fragwürdiger ist die Entscheidung der Generalkongregation vom 08. März 2013. Mit welchem Recht haben die Kardinäle den Wunsch von Kardinal O´Brien akzeptiert? Wieso hat man ihn nicht zum heiligen Gehorsam ermahnt und nach Rom beordert? Genau diese Entscheidung wäre die einzig Richtige gewesen. O´Briens Argumentation zum Fernbleiben sind eines Kardinals nicht würdig geschweige dem Heiligen Kollegium zuträglich. An dieser Stelle ist es auch vollkommen unerheblich, ob die vorangegangenen Handlungen von Kardinal O´Brien moralisch verwerflich sind oder strafrechtlich verfolgt werden können. Wäre Kardinal O´Brien inhaftiert und könnte somit nicht am Konklave teilnehmen, käme Nr. 38 der UDG voll zu tragen. Aber dieser Fall ist nicht eingetreten.
Der Fall Kardinal O´Brien wird noch suspekter, wenn man den missbrauchsgeschüttelten Kardinal Mahony mitbetrachtet. Mahony ist seit Jahren in Missbrauchsfälle in den USA verwickelt. Nicht umsonst war er am 01.03.2011 als Erzbischof von Los Angeles zurückgetreten. Kaum war der Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. bekannt, propagierte eine Gruppe namens „Catholic United”, sie werde Mahonys Teilnahme am Konklave verhindern. Kardinal Mahony hatte es dann auch ziemlich eilig nach Rom zu kommen. Der emeritierte Kurienkardinal de Paolis nahm Kardinal Mahony sogar öffentlich in Schutz und sagte: “Nach den geltenden Vorschriften habe jeder wahlberechtigte Kardinal das Recht und die Pflicht zur Teilnahme am Konklave“. Scheinbar ist die Rechtfertigungspraxis der Kardinäle in Rom fallabhängig.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Generalkongregation im Fall Kardinal O´Briens den tieferen Geist der UDG missachtet hat und den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist. Eigentlich müssten mit Konklavebeginn am Dienstag, den 12. März 2013 116 Kardinäle in die Sixtinische Kapelle einziehen und nicht nur 115 Eminenzen. (vh)
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