Die Aufgaben des künftigen Papstes, die Verpflichtung der Kirche zur Einheit und die Barmherzigkeit Gottes – das waren die zentralen Themen in der Messe für die Wahl des neuen Papstes an diesem Dienstag. Mit der „Missa pro eligendo Romano Pontifice“ bereiteten sich die Kardinäle am Dienstagmorgen im Petersdom auf das am Nachmittag beginnende Konklave vor. Mit ihnen beteten auch zahlreiche Kurienmitarbeiter und Gläubige im Petersdom für die Wahl eines neuen Kirchenoberhauptes. Kardinaldekan Angelo Sodano, der die Messe leitete und der aus Altersgründen nicht am Konklave teilnehmen wird, dankte zunächst dem zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. unter dem Beifall der Kardinäle für das „leuchtende Pontifikat“.
„Zugleich wollen wir heute den Herrn anflehen, dass er uns mit Hilfe der Kardinäle bald einen anderen guten Hirten für seine heilige Kirche zugestehen möge. Ganz sicher stützt uns in dieser Stunde der Glaube an das Versprechen Christi über den unvergänglichen Charakter seiner Kirche. In der Tat sagte Jesus zu Petrus: ‚Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen’ (vgl. Mt 16,18).“
Die Botschaft der Liebe
Diese Worte aus dem Matthäusevangelium stehen in Großbuchstaben, auf Griechisch und Latein, oben im Petersdom unter der Kuppel des Michelangelo. Sodano deutete die Aufgaben des künftigen Papstes, indem er von den Lesungen und dem Evangelium ausging. Der Jesajatext aus der ersten Lesung spreche vor allem von der Liebe Gottes zu den Menschen:
„Es ist eine Liebe, die sich besonders im Kontakt mit dem Leid bemerkbar macht, mit Ungerechtigkeit, Armut, mit allen Zerbrechlichkeiten des Menschen, seien sie physisch oder moralisch. Darauf bezieht sich die bekannte Enzyklika von Papst Johannes Paul II. „Dives in misericordia“ (Über das göttliche Erbarmen). Darin merkt er an, dass die Art und Weise, in der sich diese Liebe zeigt, gerade im biblischen Wort des Erbarmens zum Ausdruck kommt.“
Dieser Auftrag der Barmherzigkeit sei von Christus den Hirten seiner Kirche anvertraut worden. Ein Auftrag, der jeden Priester und Bischof verpflichte – doch besonders den Bischof von Rom, den Hirten der Weltkirche, so Sodano. Die Liebe Gottes treibe die Hirten der Kirche dazu an, ihren Dienst für die Menschen jeder Zeit zu leisten, vom unmittelbareren karitativen Dienst bis zum Dienst, den Menschen das Licht des Evangeliums und die Kraft der Gnade zu bringen.
„So hat es Benedikt XVI. in seiner Botschaft für die Fastenzeit für dieses Jahr formuliert. Dort lesen wir: ‚Manchmal neigt man in der Tat dazu, den Begriff ,Nächstenliebe’ auf die Solidarität oder die einfache humanitäre Hilfeleistung zu beschränken. Es gilt jedoch zu bedenken, dass das höchste Werk der Nächstenliebe gerade die Evangelisierung, also der ,Dienst am Wort’ ist. Es gibt kein heilsameres und somit wohltätigeres Werk am Nächsten, als das Brot des Wortes Gottes mit ihm zu brechen, ihn an der Frohen Botschaft des Evangeliums teilhaben zu lassen, ihn in die Beziehung zu Gott einzuführen: Die Evangelisierung ist die höchste und umfassendste Förderung des Menschen.’“
Die Botschaft der Einheit
Kardinaldekan Angelo Sodano ging dann genauer auf die zweite Lesung ein, aus dem Brief an die Epheser, Kapitel 4-6:
„Hier zeigt Paulus die praktischen Konsequenzen der Lehre auf, die er zuvor ausgebreitet hat, und beginnt mit einem starken Appell zur Einheit der Kirche: ’Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält’“
Sodano führte weiter aus, dass innerhalb der Einheit der Kirche eine Vielfalt der Gaben existiere, der vielfältigen Gnade Christi entsprechend. Diese Vielfalt diene dazu, den einen Leib Christi aufzubauen:
„In unserem Text lehrt uns der heilige Paulus, dass auch wir alle zusammenstehen müssen, um die Einheit der Kirche zu errichten, denn um zu ihr zu gelangen, ist es notwendig, dass ‚der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt [wird] in jedem Gelenk’ (Eph 4,16). Wir alle sind daher aufgefordert, mit dem Nachfolger Petri, dem sichtbaren Fundament jener Einheit der Kirche, zusammenzuwirken.“
Die Sendung des Papstes
Schließlich bezog sich Sodano auf das in dieser Messe verlesene Evangelium (Joh 21, 15-17). Der Text erinnere daran, dass die grundlegende Haltung der Hirten der Kirche die Liebe sei – und zwar jene Liebe, die dazu veranlasse, das eigene Leben für die Brüder hinzugeben.
„Die grundlegende Haltung jedes guten Hirten ist es also, sein Leben hinzugeben für die Schafe (vgl. Joh 10,15). Dies gilt vor allem für den Nachfolger Petri, den Hirten der universellen Kirche. Denn je höher und universeller das Amt des Hirten ist, desto größer muss seine Liebe sein.“
In diesem Liebesdienst an der Kirche und der ganzen Menschheit hätten die letzten Päpste viel Gutes getan für die Völker und die Weltgemeinschaft, so Sodano. Sie alle hätten sich unablässig für Gerechtigkeit und Frieden eingesetzt. Er rief zum Gebet darum auf, dass auch der zukünftige Papst dieses Werk unermüdlich weltweit fortführen möge. Dazu zitierte Sodano noch einmal den emeritierten Papst:
„Papst Benedikt XVI. hat uns daran erinnert, als er sagte: „Auch der Dienst der Liebe ist ein konstitutives Element der kirchlichen Sendung und unverzichtbarer Ausdruck ihres eigenen Wesens.“ Es ist eine Sendung der Liebe, die der Kirche eigen ist, insbesondere der römischen Kirche, die nach dem schönen Wort des heiligen Ignatius von Antiochien die Kirche ist, die ‚den Vorsitz in der Liebe’ führt; ‚praesidet caritati’ (vgl. Ad Romanos, praef.; Lumen gentium, 13).“
Vor acht Jahren hatte zum Beginn des letzten Konklaves der damalige Kardinaldekan in Sankt Peter gepredigt: Es war der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger, der mit seiner programmatischen Rede viele Themen seines bevorstehenden Pontifikats vorwegnahm.
Wie es am Dienstag weitergeht
Um 16.30 Uhr ziehen die Kardinäle feierlich in die Sixtinische Kapelle ein. Mit dem Ruf „Extra omnes“ (Alle hinaus) werden danach die Türen der Sixtina geschlossen. Nach einer Vereidigung jedes einzelnen Kardinals und einer Meditation, die der maltesische Kardinal Prosper Grech hält, kann der erste Wahlgang erfolgen.
Für die Wahl eines neuen Papstes ist die Zweidrittelmehrheit erforderlich, also 77 Stimmen. Mit einem Rauchzeichen, das einen erfolglosen oder erfolgreichen Abschluss eines Wahlgangs signalisiert, ist nach Worten von Vatikansprecher Federico Lombardi erst gegen 20.00 Uhr zu rechnen. Es sei aber nicht anzunehmen, dass die Entscheidung schon im ersten Wahlgang falle. Bei der Wahl Benedikts XVI. vor acht Jahren dauerte es nach dem Einzug ins Konklave 26 Stunden, bis das neue Oberhaupt auf den Balkon trat. (rv)
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