Canterbury bekommt an diesem Donnerstag offiziell einen neuen anglikanischen Erzbischof – und damit die gesamte anglikanische Kirche ein neues Oberhaupt. Justin Welby wird am Nachmittag offiziell in der Kathedrale der Stadt im Südosten Englands inthronisiert. Für den Vatikan nimmt der Ökumenebeauftragte, Kardinal Kurt Koch, an der Zeremonie teil. Damit hat nicht nur die römisch-katholische, sondern auch die anglikanische Kirche ein neues geistliches Oberhaupt; allerdings ist das ein Vergleich, den Welby selbst im Interview mit Radio Vatikan kurz vor der Inthronisierung zurückweist.
„Man darf uns beide nicht im gleichen Satz nennen. Er ist ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Alles, was man von ihm jetzt hört, ist beachtlich, sowohl sein bisheriges Leben als auch die Predigt am Dienstag.“
Direkt nach seiner Ernennung im vergangenen Jahr hatte Welby auf den Einfluss anderer christlicher Traditionen auf seine Spiritualität hingewiesen, besonders hatte er damals die benediktinische und die jesuitische genannt. Diesen Einfluss bestätigt er noch einmal:
„Ich bin Oblate eines anglikanischen Benediktikerhauses, und das schon seit fast fünfzehn Jahren. Ich lese jeden Tag etwas von den Regeln Benedikts und versuche, mein Leben danach auszurichten. Ich finde Benedikt so gnadenlos vernünftig, voller Einsichten und Herausforderungen. Besonders in den letzten Jahren bin ich beeinflusst durch eine römisch-katholische Gemeinschaft namens Chemin Neuf, die mit ihren Wurzeln in der jesuitischen Spiritualität eine charismatische Version dieser Frömmigkeit bildet. Sie ist sehr ökumenisch, eine bemerkenswerte Gruppe. Ihre Spiritualität hat mich sehr beeinflusst, wie auch meine Frau, die in ihrer Arbeit als geistliche Begleiterin diese Impulse sehr wichtig findet.“
Er habe also viel vom ersten Jesuitenpapst zu lernen, so Welby. Aber auch auf einem anderen Gebiet sieht er Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. Welby denkt da an die Betonung, die Papst Franziskus der Soziallehre der Kirche gleich zu Beginn seines Pontifikates gibt.
„Wenn Sie mir etwas Kritik bei Radio Vatikan erlauben: Ihr haltet die katholische Soziallehre viel zu sehr versteckt. Sie ist einer der größten Schätze, den die Kirchen weltweit anzubieten haben, und sogar viele Katholiken wissen nichts darüber. Angefangen mit Rerum Novarum im 19. Jh und durch die außergewöhnlichen Entwicklungen unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. und natürlich durch das Zweite Vatikanum. Man sieht hier eine umfassende und gut durchdachte Annäherung an die Weise, wie wir unsere Gesellschaft ordnen sollten, und zwar so, dass christliches Denken und Werte dadurch reflektiert werden. Es ist ein Schatz, von dem die gesamte Kirche lernen kann, und er wird uns in bessere Zusammenarbeit führen.“
Hintergrund
Bereits im November war Welby von Königin Elisabeth II. zum Erzbischof von Canterbury ernannt worden, damit war ein längerer Auswahlprozess zu Ende gegangen. Weltweit zählt die anglikanische Kirche knapp 80 Millionen Mitglieder. Anders als der Papst hat der Erzbischof von Canterbury als Primus inter Pares keine Weisungs- oder Ernennungsbefugnis für Bischöfe oder Ortskirchen. (rv)
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