Es ist Terror unter dem Deckmantel der Religion: Seit Monaten eskaliert die Gewalt in Nigeria, immer wieder kommen Menschen bei Überfällen ums Leben, die der islamistischen Gruppe Boko Haram zugeschrieben werden. In den vergangenen Wochen wurde Nigeria erneut von Gewalt erschüttert. Neben den Kämpfen in Baga kam es Anfang der Woche in Bama im Nordosten des Landes zu einer Befreiungsaktion durch Boko-Haram-Mitglieder in einem Gefängnis. Außerdem wurden Polizeistationen und Militärkasernen attackiert. Nach Militärangaben starben dabei 55 Menschen. Für Kardinal John Olorunfemi Onaiyekan, den Bischof der Hauptstadt Abuja, zeigt sich in diesen Angriffen immer mehr der rein destruktive Impuls der Gruppe.
„Was mir Sorge bereitet ist, dass die Angriffe dieser Gruppe zuzunehmen scheinen. Sie haben ein Militärcamp angegriffen, so was hat es zuvor nicht gegeben. Das zeigt, dass wir von Anfang an richtig lagen, weil wir gesagt haben, dass hier nicht einfach Muslime Christen töten, sondern dass diese Gruppe den nigerianischen Staat zerstören will. Die Opfer der jüngsten Angriffe sind nicht per se Christen, es sind arme Menschen und es sind Polizisten."
Der Rat für muslimische Angelegenheiten in Nigeria hat sich derweil dagegen gewandt, für die Gewaltwelle im Norden ausschließlich Muslime verantwortlich zu machen. Unter dem Deckmantel der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram agierten auch Nicht-Muslime, sagte der Generalsekretär des Rates, Is-Haq Oloyede, laut nigerianischen Presseberichten. Kardinal Onaiyekan weist darauf hin, dass auch Muslime selbst zu Opfern werden, nämlich dann, wenn sie sich für Frieden einsetzen.
„Vor zwei Tagen ist etwas Fürchterliches passiert, Boko Haram hat zwei muslimische Prediger geköpft, weil sie gegen die Gruppe gepredigt haben. Auch solche Dinge passieren, und das dürfen wir nicht vergessen."
Wenn die Regierung keine besseren Wege finde, mit dem Problem umzugehen, würde die Gewalt auch weiterhin wachsen, so Kardinal Onaiyekan. Aber die Lösung könne nicht in der gewaltsamen Gegenwehr liegen. So sind in der nordnigerianischen Kleinstadt Baga bei Kämpfen zwischen Boko Haram und staatlichen Truppen seit Mitte April nach Medienberichten mindestens 185 Menschen ums Leben gekommen.
„Es ist offensichtlich, dass die Lösung nicht nur militärisch sein kann, es muss auch ein Weg zum Dialog gefunden werden, wenn schon nicht mit diesen Gruppen selbst dann wenigstens mit denen, die das Problem verstehen. Mit denen können wir anfangen, eine friedliche und politische Lösung zu finden."
Das Angebot einer Amnestie, unlängst von Nigerias Präsident Goodluck Jonathan ins Gespräch gebracht, könne und dürfe nur Menschen betreffen, die bereit sein, die Waffen abzulegen und eine friedliche Lösung zu suchen, nicht aber generell die Gewalttäter, so Kardinal Onaiyekan.
„Es muss ihnen klar sein, dass ihr politisches Ziel – nämlich einen islamistischen Staat zu gründen – nicht möglich ist. Wir müssen jemanden finden, der ihnen das klar macht. Und das muss möglichst schnell geschehen." (rv)
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