Vier Tage lang stand in Castelgandolfo der jüdisch-christliche Dialog im Mittelpunkt: Insgesamt 27 Christen und Juden aus den USA, Argentinien, Uruguay und Italien trafen sich bis Donnerstag in den Albaner Bergen, um sich über Glaubensfragen auszutauschen. Organisiert hatte das Treffen – nicht zum ersten Mal – die Fokolarbewegung; einer der Höhepunkte war die Teilnahme an der Generalaudienz mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz am Mittwoch.
Es kommt darauf an, dass wir bereit sind, vom anderen zu lernen, und dass wir bereit sind, uns durch den Dialog zu ändern und uns gegenseitig zu helfen. Das war das Fazit der Teilnehmer eines viertätigen Juden-Christen-Treffens diese Woche in Castelgandolfo. Es schrieb einen Dialog zwischen den Religionen fort, den Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolarbewegung, 1977 begonnen hatte. „Wir wollen von den anderen lernen, und dabei geht es nicht nur um einen Austausch von Ideen, sondern auch um einen spirituellen Austausch", so brachte es der Rabbiner Tsvi Blanchard aus New York auf den Punkt:
„Ein Gedanke ist: ,Du glaubst dieses und ich jenes. Ich denke, dass manches von deinem Glauben richtig ist, und anderes falsch – doch du mit deinem Glauben berührst mich nicht.’ Wenn es hingegen einen spirituellen Austausch gibt, dann kommt das, was du sagst, wirklich aus deinem Herzen, und es trifft mich in meinem Herzen. Und dann kann ich mich davon nicht lösen, ohne dir etwas zurückzugeben. Wir haben es geschafft, genau diese neue Ebene des Dialogs zu erreichen. Das ist in gewisser Weise auch ein Risiko, denn viele Menschen haben Angst vor dem Dialog, weil sie lieber die Menschen bleiben wollen, die sie waren, und befürchten, der Dialog könne sie verändern. Wir haben aber keine Angst. Ich denke, dass wir das alle gemeinsam so sehen, wir haben hier so miteinander geredet, als ob wir gemeinsam eine Lösung finden könnten."
Eine Lösung nicht für die Unterschiede zwischen den beiden Glaubensformen, sondern für die vielfältigen Konfrontationen und Konflikte zwischen Christen und Juden. Er sei sich jedenfalls sicher, dass er nicht als der gleiche wieder zurückreise, so der Rabbiner aus New York. Der Dreh- und Angelpunkt sei nicht, ob man Christ oder Jude sei, sondern der Gedanke: „Wir sind beide Menschen, und den spirituellen Aspekt des Lebens, den können wir teilen".
„Natürlich gibt es noch Klärungsbedarf. Das ist das erste Mal, dass wir einen Dialog auf diesem Niveau hatten, aber wir wissen noch nicht einmal, ob uns das ein zweites Mal gelingen wird. Wir wissen nur, dass wir eine Begegnung auf einer so tiefgehenden Ebene erreicht haben wie nie zuvor. Was es uns kosten wird, das aufrechtzuerhalten, das wissen wir nicht, aber wir werden es versuchen."
Nach vier Tagen des Dialogs, die von gegenseitigem Respekt und Achtung geprägt waren, seien sich alle einig: „Das ist gut, aber wir wollen noch mehr, wir wollen mehr sein als gute Nachbarn, wir wollen Menschen sein, die sich lieben." Rabbiner Tsvi Blanchard ist überzeugt:
„Wenn du den Weg des Lebens alleine beschreitest, dann leidest du nicht nur mehr, sondern du wirst niemals dieses tiefe Verständnis spüren, dass du erlebst, wenn du dein Leben hingegen gemeinsam mit Menschen lebst, die du liebst und um die du dich kümmerst. Meine Erfahrung ist: Wenn ich alleine über etwas nachdenke, dann gehe ich der Sache nicht so auf den Grund, wie wenn ich mit jemand anderem darüber rede. Und wenn ich mit dem anderen rede, dann entsteht eine herzliche Beziehung, und es entsteht Vertrauen. Dann merke ich, dass ich auf die eine oder andere Art schon vorwärtskommen werde. Wir haben nicht die Antworten, die wir suchen, wir haben nur die Fragen, aber wir kennen auch die Schritte, die wir tun müssen, um weiter zu kommen. Diese Schritte können wir aber nur gehen, wenn wir wissen, dass es jemanden gibt, der uns liebt und der sich um uns kümmert. So gehen wir, gemeinsam, voran." (rv)
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