Papst Franziskus weckt große Hoffnungen in Lateinamerika. Auch bei Befreiungstheologen wie Leonardo Boff, der jetzt in einem Interview zum Papstbesuch in Rio enthusiastisch von „einem neuen Frühling in der Kirche" sprach. Einen „reifen Ansatz" zur Umsetzung der „Option für die Armen" in der katholischen Kirche Lateinamerikas hat laut Jorge Mario Bergoglio die Bischofskonferenz von Aparecida 2007 angeboten: Das Abschlussdokument der Bischofsvollversammlung habe das Apostolische Schreiben „Evangelii Nuntiandi" von Papst Paul VI. „in seinen schönsten Passagen wiederholt", sagte Bergoglio in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gegenüber Journalisten (vgl. Gesprächsband „El Jesuita"). In der Befreiungstheologie habe es „Abwegiges", doch auch „unzählige Helfer" gegeben, die sich so engagiert hätten, „wie die Kirche es verlangt", sagte Bergoglio. Wie politisch wird die katholische Kirche mit Franziskus? Das wollte Anne Preckel von Kardinal Odilo Scherer, dem Erzbischof der brasilianischen Mega-Diözese Sao Paolo, auf dem Weltjugendtag in Rio wissen.
„Das werden wir noch sehen. Natürlich – seine Einstellung der Kultur, der Gesellschaft, der Werte gegenüber wird auch eine Einstellung der Politik weitergeben und der Position der Kirche der verschiedenen Arten der Politik gegenüber in den verschiedenen Ländern. Aber eines sind die Prinzipien, die Papst Franziskus irgendwie klarmacht – Prinzipien, die gültig sein sollen überall: Also erstens – der Mensch steht in der Mitte, nicht die Wirtschaft, nicht irgendwie der Gewinn. Zweitens – die Armen stehen in der Mitte, die Armen, die Kranken, die Vernachlässigten. Auf sie müssen wir schauen, auf sie müssen auch die Regierungen schauen. Und das sind nicht nur Personen, das sind ganze Länder, die als arme Länder in der Welt vernachlässigt sind. Franziskus hat schon mehrmals darauf gezeigt: Wir sollten eine bessere Welt für alle schaffen, wir sollten nicht den Egoismus globalisieren, sondern vielmehr sollten wir die Zuneigung zu den anderen stärken, uns um die Vernachlässigten kümmern – da sollten wir handeln und die Regierungen auch."
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist „die Option für die Armen" laut Bergoglio mit Nachdruck gefordert worden. Diese Sorge habe auch einen Nährboden für Ideologien abgegeben. Gegen eine „ideologische Infiltration" empfahl der zukünftige Papst eine feste Verwurzelung im Glauben: „In dem Maß, in dem die pastoral Engagierten mehr und mehr die Bedeutung der Frömmigkeit des Volkes entdecken fällt die Ideologie in sich zusammen", sagte damals der argentinische Kardinal. Auch Kardinal Odilo Scherer blickt für das heutige Brasilien in diese Richtung.
„Die Einstellung zu Kirche und Glaube muss viel tiefer verarbeitet werden, das ist nicht irgendwie oberflächlich und Sympathie oder Antipathie – das hat mit dem Glauben zu tun, und da stehen wir fest im Jahr des Glaubens. Und die Kirche – mit Benedikt und jetzt mit Papst Franziskus –ruft dazu auf: Schauen wir auf Jesus Christus, auf das Evangelium, auf den Weg Jesu Christi, auf die tiefen und wirklichen Werte des Lebens zu schauen: Bleiben wir nicht in der Peripherie der Werte oder bei dem stehen, was uns irgendwie in diesem Leben etwas bringen könnte, sondern wir sollten vielmehr auf festen Boden stehen und bauen. Und das wird Papst Franziskus sicher auch den jungen Leuten hier sagen." (rv)
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