Seit zwei Wochen ist ein altes Thema wieder auf der Tagesordnung: Die Frage nach einem eigenen Bistum Zürich. An sich keine neue Frage hat der Synodalrat der Katholiken erneut einen Vorstoß in diese Richtung gemacht, der auch allgemein als Idee einer Neuordnung der Bistümer verstanden werden will. Die größte Stadt der Schweiz und wohl auch jene mit den meisten Katholiken hat kein eigenes Bistum: Die Katholiken Zürichs, genauer der Synodalrat der Katholiken, will dies aber ändern, seit einiger Zeit gibt es wieder öffentliche Debatten zu diesem Thema. Lag früher Zürich am Rand des Bistums, so ist dies heute in viererlei Hinsicht nicht mehr der Fall. Zürich ist nicht nur wirtschaftlich wichtiger als Chur sondern auch was beispielsweise die Medien betrifft. Denn die meisten Redaktionen verschiedener Medien befinden in Zürich. Die Trennung liege in der Vergangenheit begründet, wie gegenüber Radio Vatikan der Schweizer Kirchenhistoriker an der Universität Luzern, Markus Ries, erklärt:
„Die heute aktuelle Bistumseinteilung in der Schweiz ist nach der Französischen Revolution in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden. Das Territorium des Kantons Zürich hat damals zum Bistum Konstanz gehört, das aber aufgelöst wurde. Das größte Gebiet davon ging dann an das Bistum Chur und zwar provisorisch. Dieses Provisorium besteht für Zürich bis heute."
Deshalb wäre es denkbar und realistisch, dass Zürich ein eigenes Bistum wird. Heute wird dieses Thema vor allem auch im Hinblick auf Spannungen zwischen Katholiken Zürichs mit dem Bischof von Chur in Betracht gezogen.
„Spannungen gab es früher nicht. Es war ursprünglich so, dass es ein eher distanziertes Verhältnis zum Bischof von Chur gab. Das lag daran, dass der Kanton Zürich aus katholischer Sicht als Missionsgebiet galt und sogar so bezeichnet wurde. Die katholische Kirche in Zürich wurde somit personell von den Kapuzinern unterstützt, die dort die Seelsorge betrieben. Materiell war es so, dass die Katholiken in der Innerschweiz sie unterstützten. Der Bischof von Chur hatte zwar die geistliche Jurisdiktion, aber die Beziehung zwischen den Zürcher Katholiken und dem Bischof von Chur ist erst allmählich wichtig geworden."
Die Katholiken Zürichs sind eine Mischung aus verschiedenen Kulturkreisen und haben auch entsprechend geschichtliche Hintergründe. Dazu Kirchenhistoriker Markus Ries:
„Die erste Gruppe entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Das waren Arbeitsmigranten aus katholischen Gebieten der Schweiz, aus Tirol und dem Elsass. Die nächste Generation bestand dann aus Arbeitsmigranten aus dem Ausland – vor allem aus Spanien, Italien und Portugal. Seit 1960 etwa gibt es eine dritte Gruppe: die Binnenmigranten. Man lebt ja heute nicht mehr oft dort, wo man geboren ist. Da gibt es beispielsweise viele Innerschweizer. Das dann nicht mehr schichtspezifisch."
Zürich ist für die katholische Kirche ein Sonderfall: das liegt wohl daran, dass es zusammen mit Genf zum Zentrum des Schweizer Protestantismus zählt.
„Zürich ist ein typischer Fall, bei der es eine kirchliche Wirklichkeit gibt, die dann überholt wird von der sozialen Entwicklung. Das Bistum Chur hat seinen Sitz seit der Antike in der Stadt Chur selber. Zürich war im 19. Jahrhundert innerhalb des Bistums eine Art Randgebiet. Zürich war völlig marginal, es gab 1815 nur zwei katholische Pfarreien. In der Zwischenzeit hat sich das so sehr verändert, dass Zürich das eigentliche Schwergewicht bildet bezüglich Seelsorge, Bevölkerung usw. Zürich ist sozialgeographisch zum Zentrum des Bistums Chur geworden."
Markus Ries ist zwar Historiker, ein Blick in die Zukunft wagt er aber:
„Bisher ist das Bistum Zürich daran gescheitert, dass Zürich für die Reformierten als Stadt Zwinglis eine hohe Symbolwirkung gehabt hat. Man hat es als nichtverträglich angesehen, dass am selben Ort, der sozusagen ein Ursprungsort der Reformation ist, auch ein katholischer Bischof mit dem entsprechenden Titel von Bischof von Zürich residiert. Ich rechne damit, dass sich diese Wahrnehmung verändern wird im Zuge zunehmender einerseits Gleichgültigkeit andererseits ökumenischer Kooperation. Die Probleme, die der Gründung eines Bistums Zürichs entgegenstehen, die sind sozusagen hausgemacht: Die Probleme entstehen in der katholischen Kirche selbst."
Bereits im Dezember 2012 gelangte der Synodalrat mit einer entsprechenden Anfrage an die Schweizer Bischofskonferenz. Diese bezeichnete sich jedoch nicht als zuständig und antwortete in einem Schreiben vom vergangenen April, der Synodalrat solle sich direkt an den zuständigen Ortsbischof wenden. (rv)
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