Ägyptens neue Verfassung wird nach Einschätzung eines islamischen Rechtsexperten ihre islamische Prägung behalten. Die Verfassung sei „in guten Händen"; nichts werde „auf Kosten des Islam" oder der islamischen Identität verändert. Das sagte Abdullah al-Naggar nach Angaben der Kairoer Zeitung „Al-Masry Al-Youm". al-Naggar vertritt die al-Azhar-Universität im Komitee zur Überarbeitung des Verfassungstextes. Unter den 50 Mitgliedern des Komitees sind auch drei Vertreter der Christen. Die Salafisten rief al-Naggar auf, in der Arbeit an der neuen Verfassung zu kooperieren und zugleich anderen Sichtweisen Raum zu geben. Die Kairoer Al-Azhar-Universität ist die angesehenste Lehrinstanz im sunnitischen Islam.
Der umstrittene Artikel 219, der die Interpretation des islamischen Religionsrechts festlegt, sei vom Verfassungskomitee noch nicht revidiert worden, so al-Naggar. Dieser Abschnitt ergänzt den zweiten Verfassungsartikel, der die Prinzipien des islamischen Rechts, der Scharia, als Rechtsquelle definiert. Beide Artikel im Verfassungstext vom Dezember 2012 wurden von säkularen und nicht-muslimischen Gruppen kritisiert.
Eine Erklärung von al-Azhar am Wochenende bekräftigt, dass auch die christlichen Kirchen einverstanden sind mit dem islamischen Element in der künftigen Verfassung. Es sei mit den drei Kirchen im Land abgesprochen, dass „es eine Verfassung geben soll, die die islamische Identität des Landes unterstreicht und besonderen Wert auf nationale Aussöhnung durch die Überwindung politischer Einzelinteressen legt", so die Erklärung. Die christlichen Vertreter im Ausschuss, der vom früheren Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, geleitet wird, sind der koptisch-orthodoxe Bischof Paula (Eparchie Tanta), der koptisch-katholische Bischof Antonios Aziz Mina und der Vorsitzende der evangelischen Glaubensgemeinschaft Sawfat al-Bayyady. In der Kommission ist auch die salafistische al-Nour-Partei vertreten, während die Muslimbrüder sie boykottieren.
Der Minister für religiöse Angelegenheiten, Mohammad Mokhtar Gomaa, hat etwa 55.000 islamischen Predigern das Recht entzogen, sich in einer Moschee zu Wort zu melden. Das berichtet an diesem Mittwoch der Fernsehsender al-Arabiya. Die Prediger hätten nicht über die nötige Lizenz verfügt. Die Maßnahme soll die Muslimbrüder treffen, deren Bewegung offenbar wieder vor einem Verbot steht.
Im ägyptischen Minya hat die Polizei am Dienstag 27 Verdächtige festgenommen. Sie sollen an Anschlägen auf Kirchen sowie Polizeistationen und öffentliche Einrichtungen beteiligt gewesen sein. Bei der Razzia wurden nach Zeitungsangaben 16 Feuerwaffen sichergestellt, die zuvor aus Polizeistationen geraubt worden waren. Die Vorwürfe gegen die Verhafteten beziehen sich auf die gewaltsamen Ausschreitungen, die nach der Entmachtung von Staatspräsident Mohammed Mursi Anfang Juli landesweit ausgebrochen waren. Nach einer Schadensliste des koptischen Patriarchats waren bei den Unruhen allein in der mittelägyptischen Provinz Minya 25 Kirchen und kirchliche Einrichtungen unterschiedlicher Konfessionen angegriffen und teils zerstört worden. Landesweit waren nach Kirchenangaben 58 kirchliche Gebäude sowie rund 90 Geschäfte und 40 Privathäuser in koptischem Besitz betroffen. (rv)
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