Als Papst Franziskus im Juni die „Globalisierung der Gleichgültigkeit" an den Pranger stellte, schaute die Welt dahin, wo sie sonst gern vorbeischaut: nach Lampedusa. Als im Oktober dann vor Italiens Küste 366 Flüchtlinge ertranken, wurde in Europa wieder einmal über Flüchtlinge gesprochen, man erklärte den Schlepperbanden den Kampf und der Grenzschutz wurde aufgerüstet. Verbessert hat sich die Lage der Mittelmeerflüchtlinge seitdem nicht, urteilt Oliviero Forti von der italienischen Caritas. Und er meint damit nicht nur die schleppende Europapolitik in Fragen der Einwanderung.
„Wenn ich sagen würde, es hat sich etwas geändert, dann wäre das eine Lüge. Jedes Jahr haben wir diese Zahlen, jedes Jahr so viele Ankünfte hier. Das ist ein italienisches Problem, hat weniger mit der EU zu tun. Es scheint mir so, als müssten wir dieses Thema jedes Mal neu entdecken. Dabei gehört es doch mittlerweile zu Italien, inmitten des Mittelmeers zu sein, und für Lampedusa gilt das noch mehr."
Mit anderen Worten: Flüchtlinge stranden in Italien nicht erst seit gestern. Nach Ansicht von Forti muss das Land die Aufnahme und Versorgung der hilfsbedürftigen Einwander in jedem Fall garantieren können – auch wenn dies aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen nicht einfach sei. Hier gebe es in Italien noch viel zu tun, so der Caritas-Mitarbeiter: So sei etwa die Situation in den Auffanglagern für die Flüchtlinge unerträglich. Oftmals müssten die Menschen tage-, ja sogar wochenlang in viel zu kleinen Zentren ausharren. Italien müsse sich hier um eine menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge bemühen. Forti:
„Die Tragödie am 3. Oktober hat sich an der Küste einer Insel abgespielt, die ein altes Zentrum hatte, das nicht mehr als 250 Menschen aufnehmen konnte. Ich finde es schwierig, nach Europa zu rufen, wenn wir selbst nicht in der Lage sind, bei der ersten Landung angemessen zu handeln! Das ist ja auch für die Migranten emotional ein sehr starker Moment. Da sollte ein Land wie Italien den Leuten eigentlich etwas mehr garantieren können."
In Schweden beispielsweise sei die Aufnahme der syrischen Flüchtlinge viel besser organisiert: Auch außergewöhnlich hohe Flüchtlingsströme würden dort besser aufgenommen, berichtet Forti. Italien sei davon noch immer weit entfernt:
„Keiner, ich wiederhole, keiner hat sich bisher für eine sichere Ankunft zumindest der Schwächsten unter den Flüchtlingen eingesetzt. Es geht hier um Millionen von Menschen, unter ihnen Kranke, sehr viele Alte und Kinder. Menschen, die wirklich Pflege und Versorgung benötigen – doch bis heute ist das leider nicht garantiert."
Italien trägt als Grenzland des südlichen Europa eine besondere Last bei der Aufnahme der Flüchtlinge und den entsprechenden Asylanträgen. Nach geltendem Recht sind nämlich die Staaten, in die der Asylbewerber nachweislich zuerst eingereist ist, für das Asylverfahren zuständig. Legale Möglichkeiten für Flüchtlinge, nach Europa einzureisen, sind in der Staatengemeinschaft nach wie vor Mangelware – viele Migranten sehen deshalb als einzigen Ausweg für sich nur die Flucht nach Europa über Land oder Meer als illegale Einwanderer. (rv)
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